Die erste Pause war recht schnell und Mila freute sich schon drauf in der Sonne zu sitzen und ihr Mittag zu essen. Außerdem konnte sie dann ein wenig ausspannen. Sie genoss die Leichtigkeit, mit der sie in dieser Schule lernte und auch den Umgang mit Elon und Chris. Das war auch der Grund, warum sie die Pause immer wieder gerne mit ihnen verbrachte.
„Tust du mir einen Gefallen und nimmst die mit raus?", fragte Mila und reichte Chris ihre Brotdose. Auch wenn sie es immer vermied hier auf die Toilette zu gehen, so hatte sie heute Morgen doch zu viel getrunken und musste nun ihrem natürlichen Drang nachkommen.
Chris willigte ein und nahm der Rothaarigen somit die Box aus der Hand, damit diese wieder zurück ins Schulgebäude laufen konnte, wo sie die Mädchentoilette aufsuchte.
Mila konnte nicht sagen, dass das hier ein Ort war, den sie gerne aufsuchte, doch sie verschwand in der Kabine und stand wenig später vor dem Spiegel, um sich die Hände zu waschen und gleich noch einmal ihre Schminke neu zu machen. Sie trug heute ganz feinen, dezenten, goldenen Lidschatten.
Sie holte gerade die Dose hervor, als sich eine Gruppe Mädchen zu ihr stellte.
Sie erkannte die beiden Mädchen wieder, die damals mit ihr und Mario an dem Tisch in der Pause gesessen hatten. Katja schwang gerade ihr rotes Haar über die Schulter um es mit den Fingern durchzukämmen, als Ellen auf Milas anderen Seite zum Stehen kam und den Hahn aufdrehte, um sich die Hände zu waschen.
„Was für ein schöner Lidschatten", stellte Ellen fest, die ihre Hände nicht beobachtete, dafür aber Mila.
Ein wenig überrascht hielt die Rothaarige in ihrer Tätigkeit inne und senkte die kleine Dose, deren Inhalt sie mit ihren Fingern auf die Augen aufgetragen hatte. „Den hast du doch auch bei Marios Party getragen, oder?", wollte wissen und grinste Mila an, ehe sie auch aus ihrer Tasche einen Lidschatten kramte.
„Ähm, ja", murmelte Mila ein wenig überfahren.
„Das war deine erste Party, richtig?", fragte nun Katja, die mit den Fingern ein paar Probleme mit ihren Haaren hatte, da sich ein kleiner Knoten gebildet hatte.
„Ja", sagte Mila noch einmal und blickte zwischen den Mädchen hin und her. Diese Art von Gesprächen kam ihr reichlich bekannt vor. Auch auf ihrer alten Schule hatte sie sich so mit den anderen Frauen unterhalten. Über Schminke, Schmuck, Handtaschen und Kleider. Trotzdem hatte sie es hier irgendwie nicht erwartet.
Dabei kam es ihr weniger wie eine wirkliche Konversation vor, sondern mehr wie eine Jagd in der sie als Gazelle von zwei Löwinnen umzingelt wurde. Allein das Gefühl, dass sie beide Mila eingekesselt hatten, bereitete ihr Unbehagen.
„Du bist aber schon sehr früh gegangen ... Mario hatte öfter nach dir gefragt, aber du warst nirgends aufzufinden", stellte Ellen nun beiläufig fest und steckte sich halbherzig mit einer Klammer die wilden Locken zurück, um ihr Gesicht Mustern zu können.
Diese Frage überraschte sie sehr, aber eigentlich hätte sie damit rechnen müssen.
„Ja, ich bin sehr anfällig für Krankheiten und hab mich an dem Abend wohl ein wenig verkühlt", sagte sie, da sie nicht unbedingt sagen wollte, dass ihr die Party nicht zugesagt hatte. „Dazu kamen Kopfschmerzen. Ich war ja erst krank. Ich wollte es nicht übertreiben und ein Freund hat mich heimgefahren", fügte sie hinzu und hoffte so der ganzen Fragerei zu entkommen.
„Dann bin ich froh, dass es dich nicht so schlimm wie Anabell erwischt hat. Sie musste mit einer Halsentzündung ins Krankenhaus", bemerkte Katja mit einem leisen Kichern, als würde sie sich über Anabell lustig machen.
„Ja, als wäre es nicht schlimm genug, von Mario abserviert zu werden", stimmte Ellen mit ein und warf Katja einen vielsagenden Blick zu, den Mila jedoch nicht deuten konnte.
„Sie war mit ihm zusammen?", fragte Mila neugierig. Sie hatte Anabell nur einmal kurz gesehen. Zumindest glaubte sie zu wissen, über wen die beiden sprachen.
Ellen räusperte sich kurz und wandte sich wieder ihrem Spiegelbild zu. „Nein das nicht, aber es war offensichtlich, dass sie was von Mario wollte, was über Freundschaft hinausging. Aber manche Leute verstehen einfach kein nein."
„Ich verstehe", murmelte Mila und dachte an die Frau zurück, die Mario die ganze Party über an den Fersen gehangen hatte. Wo sie jetzt so drüber nachdachte war es sehr offensichtlich gewesen, doch während der Party hatte es sie einfach nicht interessiert.
Dennoch tat ihr das Mädchen in gewisser Weise leid.
„Wir sitzen in der Pause wieder an unserem gewohnten Tisch. Möchtest du dich nicht zu uns setzen?", bot Katja nun plötzlich an und lächelte Mila einladend an.
Die Rothaarige zwang sich zu einem Lächeln. „Danke für das Angebot, aber heute nicht. Ich hab meine Brotdose schon weitergereicht und habe noch ein paar Dinge zu besprechen, aber das nächste Mal sicherlich", meinte sie und schraubte die kleine Dose mit dem Puder wieder zu, um es sich in die kleine Tasche ihrer Jacke zu stecken. Sie wollte das Bad verlassen, denn die beiden Frauen waren ihr doch ein wenig zu aufdringlich. Es erinnerte sie zu sehr an ihre alte Schule.
Bevor die beiden sie in ein erneutes Gespräch hätten verwickeln können, war Mila auch schon durch die Tür verschwunden. Dieses tratschen war einfach nichts für sie.
Sie wollte sich nicht über die Party von Mario unterhalten und sich auch nicht an seinen Tisch setzen. An sich mochte sie ihn noch immer, doch er würde sie sicherlich fragen, warum sie seine Party so zeitig verlassen hatte und auch ob sie ihr gefallen hatte. Dann war sie gezwungen zu lügen, um ihn nicht zu verletzen.
Lieber ging sie jetzt zu Chris und Elon. Beide hatten sich auch schon an einem Tisch draußen niedergelassen und es war nicht schwer sie zu entdecken.
Das war auch nicht sonderlich schwer, denn Chris hatte sie bereits erspäht, als sie nur aus der Tür getreten war und wank ihr nun euphorisch entgegen.
Auf Milas Lippen schlich sich ein Lächeln. Er war schon ein niedlicher Kerl und so zuvorkommend, wenn auch ein wenig schüchtern.
Mila beschleunigte ihre Schritte und lief auf sie zu.
Während Chris noch immer euphorisch war, schien Elon eher genervt.
Kurz bevor Mila an ihrem Tisch ankam, zog Elon Chris mit einem Ruck auf die Bank, damit er sich wieder richtig hinsetzte.
„Sie steht genau vor dir, sie wird dich schon nicht übersehen", hörte sie ihn bereits murmeln.
Mila lachte leise und zwinkerte Chris zu, ehe sie ihre Brotdose nahm, um ihr Essen auszupacken. „Was habt ihr diese Woche noch geplant?", fragte sie in der Hoffnung ein Gespräch anzufangen und die Woche irgendwie sinnvoll verbringen zu können.
Während Elon sich scheinbar nicht einmal angesprochen fühlte, begann Chris erfreut zu Gesinen, während er sein Essen an Elon weiterschob. „Ich dachte wir könnten zusammen reiten gehen, wenn du noch nichts vorhast", schlug Chris vor und beobachtete sie aufmerksam, wie sie ihr Essen auspackte.
Als sie das Wort 'reiten' hörte sah sie sofort auf. „Wirklich?", fragte sie und blickte ihn aus funkelnden Augen an. Sie war schon ewig nicht mehr reiten und sie hatte wirklich Lust dazu.
„Ja, ich hab auch schon etwas reserviert", stimmte er ein wenig unsicher zu, als er merkte wie sich Elon schwerlich ein Lachen verkneifen musste.
„Wirklich? Das wäre wundervoll", meinte sie und musste noch mehr lächeln. Das Chris an sie gedacht hatte war wirklich wundervoll.