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Die Tage vergingen und der Winter begann sich wieder zu verabschieden. Dennoch lag der Frost friedlich auf dem Gras, als eine Truppe Pferde darüber galoppierten, als würde Leben und Tod davon abhängen, wie schnell sie ihr Ziel erreichten.
Erst, als das vorderste der Pferde auf den steinernen Hof ankam, welcher in die Stadt führte, wurden sie ein wenig langsamer. Jedoch eher zwangsweise, denn es waren viele Leute auf den Straßen. Diese blickten teilweise schockiert, teilweise erfreut auf und schienen die Reiter mit ihren Blicken zu verfolgen. Sowohl mit Rufen, als auch mit Winken.
Endlich kamen sie im Hofe des Palasts an, wo ihnen sogleich die Tore geöffnet und sie spontan von den Anwesenden empfangen wurden. Einige eher nervös als erfreut. Fast schon euphorisch sprang der Highlord vom Sattel und drückte einem Stallburschen im Vorbeigehen die Zügel in die Hand. „Mylord!", rief einer der Eunuchen, der Kaden soeben aus dem Schloss entgegen gelaufen kam.
„Nicht jetzt", trällerte er fast schon und ging mit schnellen, großen Schritten vorwärts, ohne auf irgendjemanden zu achten, der etwas von ihm wollte. Alles, was ihn im Moment interessierte, war es Sezuna zu sehen und sie in seine Arme schließen zu können.
Also betrat er das Schloss und lief schnurstracks auf seine Gemächer zu, denn dort erwartete er sie. Und wenn sie nicht dort war, würde sie im Gewächshaus sein. Da die Pflanzen dort zu jeder Jahreszeit wuchsen, war es auch jetzt noch ein guter Rückzugsort für sie.
Kaden schüttelte sich das Haar und genoss die Wärme, die ihm entgegen kam, während er alles andere ignorierte. Dann schob er seine Türen auf und betrat seine Räume. Sein Blick wanderte suchend durch den Raum. Er konnte ihren Geruch eindeutig wahrnehmen, wenn auch nicht wirklich stark. Sie war auf jeden Fall hier gewesen. Allerdings musste das schon eine ganze Weile her gewesen sein. Vermutlich, weil die Pflanzen verdorrt waren. Jedenfalls sahen diese ganz danach aus.
„Sezuna?", rief er prüfend und öffnete die Tür zu seinen Bädern, um wirklich sicher zu sein, dass sie nicht doch hier war. Doch der Raum war leer und das Einzige, was er vernahm, war das Echo seiner eigenen Stimme. Er schluckte ein wenig bekümmert, doch er verlor nur wenig Zeit, um in einem lockeren, aber dennoch schnellen Tempo durch den Harem zu laufen. Geradewegs auf das Außengelände zu, Richtung Wintergarten. Die Rufe, das Getuschel und insbesondere Chianas Blicke, waren für ihn bloß Randerscheinungen, die er überhaupt nicht wahrnahm. Doch der Gedanke, gleich Sezuna, nach über einem Monat, wiedersehen zu können, ließ ihn vor Vorfreude schmunzeln und ein Grinsen breitete sich auf seinen Lippen aus, als er das Gewächshaus in der Ferne entdeckte. Fast schon automatisch, beschleunigten sich seine Schritte, als könnte er keine Sekunde länger als nötig warten.
Er öffnete die Tür und erstarrte. Die Pflanzen, um die Sezuna sich so liebevoll gekümmert hatte, waren eingegangen und eine sehr schlechte Vorahnung machte sich in seinem Magen breit. Sezuna hätte niemals zugelassen, dass ihren Pflanzen so etwas passierte. Was war passiert?
Seine Freude wandelte sich in Panik.
Langsam tat er einige Schritte rückwärts und machte auf dem Absatz kehrt, um zurück zum Palast zu rennen. Sobald er den ersten Eunuchen sah, hielt er inne und ging festen Schrittes auf ihn zu.
„Wo ist Sezuna?", fragte er mit seiner festen Stimme, die ihn als den Herrscher auszeichneten, der er war. Der Eunuch sah durch sein Auftreten reichlich verängstigt aus, aber auch die Reaktion auf seine Antwort machte ihm Sorgen.
„Lord Sergej hat sie in die Kerker bringen lassen", erklärte er leise. „Sie steht im Verdacht, Eure Mutter getötet zu haben."
Er senkte den Blick und wartete auf eine Reaktion. Der Blick des Highlord wurde von einer schockierten Mimik abgelöst.
„Mutter", hauchte er leise und trat langsam einen Schritt zurück. Tot? Seine Mutter war tot?
Urplötzlich, ohne dass er es vermeiden konnte, schossen ihm tausend Gedanken, Bilder und Erinnerungen in den Kopf. Momente, die er bereute und vor allem seine Mutter, welche immer versucht hatte ihn zu beschützen, auch wenn er es nie gewollt hatte. Sein Puls beschleunigte sich bis ins unnatürliche, als er mit einem Mal auf dem Absatz kehrt machte und losrannte, um in besagten Kerker zu gelangen. Die Vorstellung, Sezuna hätte etwas mit dem Mord zu tun, war absurd. Wie kamen sie nur darauf? Er wollte es nicht glauben und trotzdem hatte er Angst, dass es vielleicht wahr war.
Als er jedoch in den Zellentrakt trat und von den Eunuchen zur besagten Zelle geführt wurde, glaubte er noch weniger daran.
Schockiert blickte er durch die Gitterstäbe. Sezuna war kreidebleich und ihre Haut irgendwie ungesund. Ihr Kopf hing nach unten und ihr rotes Haar wirkte verblasst. Als Kaden herantrat, hob sie mühsam den Kopf und ihre Augen, die mit einem weißen Film bedeckt waren, sahen sich orientierungslos um. Kadens Augen weiteten sich, bei diesem Anblick, der für ihn kaum zu ertragen war, ängstlich. Wieso hatte man sie überhaupt hierher verschleppt? Das war ein inakzeptables Verhalten, was nie hatte passieren dürfen, solange er nicht den Befehl gab! Er spannte den Kiefer sowie seinen kompletten Körper an und blieb wie gelähmt stehen.
Es war still in der Zelle und Kaden konnte ihren schweren Atem hören. Ihr ganzer Körper zitterte und sie wirkte ängstlich. Aber wer konnte es ihr verübeln?
Mit einem Klicken öffnete er die Zellentür und erhielt ein Wimmern. Langsam trat er auf sie zu und hoffte noch immer, dass es ein böser Traum war. Dann beugte er sich zu ihr hinab und berührte sie sanft an der Wange. Sie zuckte und versuchte zurückzuweichen. „Sezuna", flüsterte er beruhigend, um ihr zu zeigen, wer er war.
Sezuna erstarrte. Dann schien sie zu realisieren, wer er war und griff mit ihrer Hand zitternd in seine Richtung. „Es tut mir leid", presste sie wimmernd hervor. „Ich konnte ihr nicht helfen."
Er zwang sich zu schlucken und nicht die Fassung zu verlieren, als er vorsichtig nach ihrer zierlichen, ausgestreckten Hand griff. „Alles wird gut", hauchte er leise, sodass nur Sezuna es hören konnte und nahm sie vorsichtig in den Arm, um sie hochzuheben. Er würde sie niemals hier unten lassen!
Als er langsam aus dem Kerker heraustat, folgten ihm die verwirrten und sprachlosen Blicke der Wachen.
„Aber Mylord, sie-", setzte einer an und wollte auf sie zutreten, doch Kaden ging einfach an ihnen vorbei und ignorierte den Mann. Er ignorierte alle, die ihn sprachlos anblickten und brachte Sezuna zu sich, in seine Gemächer, wo er sie sanft auf das Bett legte. Sein erster Gedanke war einen Arzt zu kontaktieren, doch war diese Idee gut? Und wieso konnte sie ihn nicht sehen? Der Anblick, wie sie sich so auf dem Bett zusammenrollte, als würde sie sich vor allem verstecken wollen, war geradezu grausam.
„Wer hat dich da runter gebracht?", fragte er leise und strich ihr vorsichtig über die blasse Wange. Sie wirkte so zerbrechlich, dass er befürchtete, sie wäre aus Glas und würde jeden Moment zerspringen.
„Ich weiß nicht", erklang ihre raue Stimme. „Das Gift...", flüsterte sie leise. „Ich habe nur Stimmen gehört", keuchte sie und krümmte sich vor Schmerzen. „Eine Männliche und viele Weibliche." Ihr Atem ging rasselnd und sie hatte Mühe überhaupt zu sprechen. Noch immer war das Gift in ihrem Körper.
Ein wenig zittrig sog Kaden die Luft ein und strich über das spröde, rote Haar an Sezunas Kopf. „Ruh dich aus. Ich... was kann ich tun?", fragte er überfordert. Hoffentlich wusste Sezuna was man machen konnte. Immerhin war sie gelehrt in Kräutern.
„Es gibt Pflanzen... die das Gift aus dem Körper ziehen können", erklärte sie leise und müde, während ihre Stimme immer wieder wegbrach. „Sie hat dunkelrote Blätter."
Kaden nickte steif und hörte aufmerksam zu, während er versuchte sich einen Reim darauf zu machen. Eine Pflanze mit dunkelroten Blättern... Das konnte immerhin nicht so schwer sein. Am besten, er würde in der Stadt nachsehen. Nachdem der Wintergarten von Sezuna ausgedörrt war, würde er dort wohl nicht mehr allzu viel finden.
„Kannst du mir erzählen, was genau passiert ist?", fragte er und strich durch ihre Haare.
„Ich... weiß selbst nicht... was ich glauben soll", gab sie murmelnd von sich und drückte sich an seine Hand. Sie hatte ihn so vermisst und er war am Leben!
Das war im Moment alles, was für sie zählte.