London bridge is falling down,
Falling down, Falling down.
London bridge is falling down,
My fair lady.
London im Jahre 1750
Es war ein verregneter Sonntag Morgen und in den Londoner Strassen war es still.
Nur aus einem Hinterhof, nahe der Westminster Abbey hörte man ein paar zarte Kinderstimmen.
Die Jungen und Mädchen, denen die Stimmen gehörten, waren alle zwischen sieben und zwölf und trugen leicht abgetragene Kleidung.
Es war höchst sonderbar, dass sich solche Kinder in dieser Gegend herumtrieben, aber heute war ein ganz besonderer Tag.
Die beiden ältesten aus der Gruppe, ein Mädchen mit blonden Zöpfen und eins mit langen braunen Locken standen in der Mitte des Hofes und hielten sich an den Händen währendem sie sangen:
Take a key and lock her up,
Lock her up, lock her up.
Take a key and lock her up,
My fair lady.
Die anderen Kinder sprangen um sie herum und schlüpften unter deren Armen hindurch. Plötzlich zogen die beiden Mädchen die Arme nach unten und der kleine Junge, der sich gerade zwischen ihnen befand, war gefangen.
Die anderen lachten und freuten sich, dass nicht sie gefangen worden waren.
Erste Regentropfen fielen, als ob die Engel im Himmel die bevorstehende Tragödie nich verkraften würden.
Ein Mann und eine Frau traten aus einer schmalen Gasse heraus. Die Kinder liessen von ihrem Spiel ab und allesamt machten sich sich auf den Weg ans Ufer der Themse.
How will we build it up,
Build it up, build it up?
How will we build it up,
My fair lady.
Am Wasser herrschte schon reger Betrieb. Der Bau eines grossen Gebäudes hatte begonnen und heute würde Gott milde gestimmt werden.
Arbeiter wuselten umher. Mit Seilzügen und Hebekränen wurden schwere Steinquader nach oben gehievt.
Auch in der Stadt angesehene Leute waren da. Der Bürgermeister und seine Frau höchstpersönlich sassen auf einer eilig errichteten Tribüne, zusammen mit ein paar bedeutenden Apothekern und Kaufleuten.
Auch der Bauherr, der für diese Anlage verantwortlich war, sass da. Er hatte einen Platz direkt neben dem Bürgermeister und die beiden unterhielten sich angeregt.
Build it up with gold and silver,
Gold and silver, gold and silver.
Build it up with gold and silver,
My fair lady
Einige Häuser entfernt sass ein kleines Mädchen von vielleicht neun oder zehn Jahren auf einem Stuhl und schaute starr geradeaus.
Sie hatte schon lange aufgehört zu weinen, alle Tränen aufgebraucht.
Aber ihre Mutter hatte noch Tränen - jede Mengen Tränen. Sie rannen ihr übers Gesicht, währenddem sie die langen Haare ihrer Tochter zu einem dicken Zopf flocht.
Das Mädchen trug ein schönes Kleid, schöne Schuhe und sie behielt ihr Lächeln bei, als sie zur Kutsche und dann zum Fluss geführt wurde.
Gold and silver I have none,
I have none, I have none.
Gold and silver I have none,
My fair lady.
Die Menge johlte begeistert auf, als die Kutschentür sich öffnete und ein kleines Mädchen in einem weissen Kleid, gehüllt in einen samtigen Mantel in Begleitung eines Mannes ausstieg.
Sie lächelte tapfer und hob scheu die Hand.
All die anwesenden Menschen riefen ihr zu, sie sei ihre Heldin, die tapfere Heldin der Stadt.
Es gab auch unglückliche Gesichert in der Menge. Ein nervöses Geflüster. Wer das Kind denn sein? Die Kleine vom Schmied Harrison wusste einer. Erst zehn sei sie. Aber das war doch eine grosse Ehre und nichts, was man bedauern müsse, fand ein anderer.
Build it up with stone so strong,
Stone so strong, stone so strong.
Build it up with stone so strong,
My fair lady.
Der Sohn des Bäckers stand ganz still neben seinem Vater während das Mädchen das Podest betrat. Er kannte sie, hatte ein paar Mal mit ihr zusammen auf der Gasse gespielt. Sein Vater hatte ihm gesagt, dass es eine grosse Ehre sei, was sie da tat und dass er stolz sein könne sie zu kennen, aber der Junge hatte ein schlechtes Gefühl, als sie zu den Sockeln der Mauer geführt wurde.
Die Arbeiter begannen die kleine Nische in der das Mädchen stand langsam mit Backsteine zuzumauern.
Der kleine Junge drehte sich um und verschwand in der Menge.
Stone so strong will last so long,
Last so long, last so long.
Stone so strong will last so long,
My fair lady.
Es fühlte sich seltsam an, als die Mauer, die von meinen Füssen in die Höhe wuchs erst die Höhe meiner Knie, dann die meiner Hüfte und danach meine Brust erreichte.
Ich hatte keine Angst mehr. Schliesslich starb ich ja nicht ohne Grund. Durch mein Opfer konnten tausende von Menschen sicher den Fluss überqueren und mussten keine Angst haben.
Ich warf einen letzten Blick über den Platz.
Ganz vorne stand eine Gruppe von Kindern. Sie schienen etwa so alt zu sein wie ich und unterhielten sich flüsternd. Ganz weit hinten standen meine Eltern, direkt neben dem Bürgermeister, der mit ihnen sprach.
Einen Augenblick lang meinte ich den Haarschopf vom Bäckerssohn aus meiner Nachbarschaft gesehen zu haben, aber dann war er auch schon in der schreienden Menge verschwunden.
Ich schaute hinauf zum Himmel, und kurz bevor der letzte Stein mir die Sicht auf den blauen Himmel und die kreischenden Möwen verstellte, begann ich zu singen.
London bridge is falling down,
Falling down, Falling down.
London bridge is falling down,
My fair lady.