Mit Argusaugen betrachtete ich die Meute, als sie sich für einen letzten Tanz von mir löste und ich ihr gebot, dass sie mich abermals an der Bar antreffen würde, da ich mir dort erhoffte, meinen Durst zu löschen. Nach fünf Liedern und schweißtreibender Tätigkeit, hielt ich es für angebracht, mich dem Spektakel zu entziehen. So amüsant es auch gewesen war, mit der Erschöpfung hatte ich kaum mehr gerechnet. Dennoch überfiel sie mich wie ein Tier und ganz plötzlich waren mir die Lichter zu hell, die Musik zu laut und bei dem Gemurmel um mich herum drohte mein Schädel beinahe zu bersten.
Ein Zupfen am Ärmel meines Hemds ließ mich zusammenfahren. Da stand sie. Ihr Interesse schien jedoch noch immer den Leuten zu gelten, die sich verbogen, wild umher hüpften und schief und schrill den Sängern Konkurrenz zu machen versuchten. Als ihr Blick den meinen fand, hoben sich ihre Mundwinkel zu einem Grinsen an, ehe sie mit den Fingerspitzen unter ihre Augen fuhr, um so die Schwärze ihres verlaufenen Kajals nur noch mehr zu verwischen.
„Oh je“, rief sie gegen den Sturm an Bass- und E-Gitarre an, „ich sehe bestimmt aus, wie eine Eule.“ Doch ihr Lachen strafte ihre Kritik Lüge. Ich schüttelte den Kopf. Auch wenn sie mir ohne Make-up besser gefiel, hatte sie am Abend darauf bestanden. Wortlos kramte ich in den Taschen meiner Jeans nach einem Tuch und reichte es ihr, während sie mir begreiflich machte, in wenigen Augenblicken wieder an meiner Seite zu sein. Ich sah sie in Richtung Toiletten davon eilen. Nach zwei Musikstücken stand sie wieder vor mir. Abermals schob ich ihr ein Glas Cola zu.
„Danke“, entkam es ihr, bevor sie sich die letzten Reste des Getränks mit dem Handrücken von den Lippen wischte. Wieder wandte sie sich von mir ab und betrachtete die Menge, die sich allmählich lichtete.
„Wollen wir gehen?“, ihre Worte hatte ich beinahe nicht vernommen, erst, als sie sich zu mir herumdrehte und ihre Frage wiederholte. Ich prüfte den Ausdruck auf ihrem Gesicht, denn davon schien der weitere Verlauf der Nacht abzuhängen. Würde sie darauf bestehen, hier zu bleiben, so bliebe auch mir wohl nichts anderes übrig. Doch ihre Lider drohten bereits schwerer zu werden und auch hatte ich bemerkt, wie sie ein Gähnen zu unterdrücken versuchte. Ich wusste nicht, wie lange ich schwieg, denn auch sie wirkte nicht mehr sonderlich angetan von dem ganzen Trubel.
„Wollen wir gehen?“, nun war ich es, der diese Frage in den Raum stellte. Ein kurzes, aber um so aussagekräftigeres Nicken folgte.
Entschlossen schob ich sie hinter mich und bahnte uns den Weg in Richtung Garderobe, um unsere Jacken zu erbitten. Sobald wie den Club verließen, schlug uns die Kälte der Nacht ins Gesicht. Mit zitterigen Fingern näselte sie an dem Reißverschluss ihres Parkers herum, ehe das vertraute Ratschen erklang, und ich bedauernd feststellte, ihr nicht mehr behilflich zu sein.
„Kalt“, murmelte sie und hauchte in ihre Hände. Wortlos stimmte ich ihr zu. Doch was wäre der Winter ohne Kälte, Schnee und Eis?
Fast schweigend traten wir den Heimweg an. Beinahe wäre sie auf dem Matsch, der sich schmatzend an die Sohlen unserer Schuhe schmiegte, ausgerutscht, sodass sie hastig nach meinem Arm gegriffen hatte, um nicht gänzlich den Halt zu verlieren und womöglich eine unsanfte Landung zu riskieren. Auch ich geriet ein wenig ins Schlingern, bot ihr jedoch genug Stabilität.
„Danke“, entkam es ihr atemlos und erschrocken, ehe sie sich wieder fing. Ihre Hände jedoch verharrten, bis wir Daheim waren, haltsuchend an meinem Arm.
Als wir in ihre Straße einbogen, überschwemmte mich eine Welle der Angst, des Verlustes. Trennungen fielen mir nie sonderlich leicht, auch wenn wir uns in wenigen Stunden schon wiedersahen.
Einen Dank in meine Richtung murmelnd, vermied sie es jedoch, mir in die Augen zu sehen. Die Heiterkeit des Abends war einem Gefühl der Unbehaglichkeit gewichen.
„Immer wieder gern“, sagte ich und versuchte zu lächeln. Als sie einen Schritt auf mich zu trat und ihre Arme um meine Mitte schlang, keuchte ich überrascht auf. Schweigend klammerte sie sich an mich. Doch als sie mir zum Abschied ihre Lippen darbot, haderte ich mit mir, diese Chance zu ergreifen. Vielleicht war ich ein Narr, dennoch ich würde die Situation nicht ausnutzen.