Unsere Kutsche rumpelt, von panischen Pferden gezogen, steil bergab. Die Verfolger sind uns dicht auf den Fersen und lassen sich auch nicht davon abhalten, dass wir ihnen Silberpokale an die Köpfe werfen. Die Räder krachen, der Karren rumpelt. Mortimer lenkt die Pferde auf die zerbrochene Brücke.
Die Friesen stoßen sich ab und segeln durch die Luft. Die Kutsche fliegt wie schwerelos hinterher. Alle halten die Luft an, die Bauern und ihre Reittiere eingeschlossen. Unter uns rauscht der breite Fluss.
Er … ist ziemlich breit.
Die Pferde landen auf der anderen Flussseite auf dem Rest der dortigen Brückenpfeiler und rennen weiter. Die Räder unseres Karrens stoßen vorne gegen den Stein. Die Räder brechen, die Kutsche kippt nach hinten.
Mortimer flucht und schlägt mit seiner Peitsche auf die Achse des Karrens ein. Flammen schlagen in die Höhe und die ganze Konstruktion aus Holzbalken und Lederseilen, die die Pferde an den Karren fesselte, wird entzweigeschlagen.
Ich starre den Kutscher verängstigt an. Was … was war das denn?
Während die Pferde befreit die Flucht antreten, kippen wir rückwärts in den Fluss. Ich sehe die Flussoberfläche näherkommen, dann schlagen mir kalte Tropfen ins Gesicht und ich stürze in eisiges Wasser.
Die Kälte nimmt mir den Atem. Mein Fell saugt sich voll wie ein Schwamm. Für einen Moment ist mir, als hörte ich Rufe, Jaulen und Knurren. Dieser eine Tag vor so unendlich vielen Jahren, als ich mit meinem Rudel fast in einen zugefrorenen See eingebrochen wäre …
Ich schüttele die Erinnerung ab und strampele mich zur Wasseroberfläche. Keuchend krabbele ich an Land und sehe mich um. Mortimer?
Die anderen tauchen hustend und spuckend im Fluss auf und kämpfen sich seltsam geordnet ans Ufer – ah, ich sehe, warum: Sie schleppen die Kiste zwischen sich. Der Karren hat sich bereits verabschiedet, aber unsere Fracht konnten sie zum Glück retten. Na ja, sie ist vielleicht ein wenig feucht geworden.
Fliegende Mistgabeln holen mich in die Realität zurück. Am anderen Ufer stehen noch immer zornige Bauern, die uns gerne durchbohren würden.
„Los, lauft!“, befiehlt Mortimer. Im Laufschritt tragen die Menschen die Kiste fort vom Fluss. Ich laufe zwischen ihnen, unter der Truhe. Hier bin ich wenigstens in Sicherheit, obwohl ich auf meine Pfoten aufpassen muss, so nah an den ganzen Menschenschuhen.
Es geht die gewundenen Wege hinauf über Schotter, der an den Pfotenballen wehtut. Dann biegen wir hinter den Berg und die Menschen lassen die Kiste erleichtert fallen. Ich kann im letzten Moment darunter hervor springen.
Mortimer, Pumpkin, Siebenschläfer, Hildtraut und Angela lassen sich neben die Kiste fallen und atmen tief durch.
Ich sehe mich um. „Wo ist Bohnenstange?“
Mortimer hebt den Blick – glaube ich. Sein Gesicht ist nicht zu erkennen. „Holt die Pferde.“
„Dann reiten wir hoch?“, fragt Angela hoffnungsvoll.
Mortimer lässt den Kopf wieder fallen. „Wohl kaum. Die sind über alle Berge. Bohnenstange sucht sie deshalb, weil er der beste Waldläufer von uns ist, aber das kann bestimmt einige Wochen dauern.“
Die Gruppe murrt. Ich kann sie verstehen. Die Kiste ist sicherlich schwer. Wie schaaade, dass ich ihnen nicht helfen kann, sie zu tragen!
[Zeitsprung.]
Mortimer hat aus einigen Streifen seines Mantels ein provisorisches Geschwirr geknüpft und mich vor die Kiste gespannt.
Ich hätte meine Klappe halten sollen. Während die Menschen schieben, muss ich das Ding den ganzen, dummen Berg hinaufziehen.
Trotzdem kommen wir nicht unbedingt schneller vorwärts. Die verflixte Kiste ist einfach zu schwer. Meine Begleiter keuchen bereits schwer. Die Geräusche, die vom Fluss heraufdringen, sind nicht dazu angetan, uns Mut zu machen. Die wütenden Bauern haben offenbar einen Weg hinüber gefunden und holen auf.
Keuchend lehnt sich Pumpkin auf die Kiste.
„Hey!“, ruft Hildtraut sofort. „Was soll das?“
„Es hat keinen Zweck!“, ächzt unser schwerstes Mitglied in den orangen Gewändern. „Das schaffen wir niemals!“
„Sagst du, weil du noch nie zuvor in deinem Leben Sport machen musstest!“, knurrt Bohnenstange.
„Das ist eine Stoffwechselerkrankung!“, beschwert sich Pumpkin verletzt. „Außerdem seid ihr alle bald auch aus der Puste!“
„Da hat er recht“, meldet sich Mortimer zu Wort. „Ich denke, wir haben nur eine Wahl.“
„Die Kiste stehen lassen und abhauen?“, fragt Angela hoffnungsvoll.
„Wir nehmen den Inhalt, teilen ihn auf uns auf und tragen den nach oben“, entgegnet Mortimer.
„Aber“, widerspreche ich, „wir sollen die Kiste doch unter keinen Umständen öffnen!“
„Ach, komm, die Regeln haben wir bisher doch nie befolgt.“ Bohnenstange winkt ab. „Wieso jetzt damit anfangen?“
„Genau, das waren sicherlich mehr Richtlinien.“ Pumpkin pflichtet eilig bei.
Ich sehe entsetzt vom einen zum anderen. „Das ist doch nicht euer ...“
Noch bevor ich zu Ende gesprochen habe, öffnet Mortimer den Deckel der Kiste.