Des Nachts:
Ein Pochen riss Milo aus unruhigen Alpträumen, die menschenfressende Kakerlaken und ausgestopfte Tiere, die plötzlich lebendig wurden, beinhalteten.
Er fuhr auf und sah mit heftigem Atem in der Dunkelheit. Er schwitzte und warf die Decke zur Seite, die ein abstoßendes Aroma nach Mottenkugeln hatte.
Das Pochen wiederholte sich. Jetzt, im wachen Zustand, erkannte Milo, dass es ein Klopfen war, das von seiner Tür her kam.
Er stand vorsichtig auf. Es gab keine Rollläden, deswegen lag der Raum in blassem Mondlicht. Es war sogar erstaunlich hell. Kein Wunder, dass er nicht hatte schlafen können.
Er taumelte zur Tür, als es schon wieder klopfte. Kurz, bevor er die Tür öffnete, zögerte er.
„Wer da?“, fragte er leise.
„Milo! Gott sei Dank. Ich bin's!“
Milo riss die Tür förmlich auf: „Evelyn!“
Die Schwarzhaarige stolperte in das Zimmer und umarmte ihn. Milo drückte die Tür zu, bevor er sie in seine Arme schloss und spürte, wie sehr sie zitterte: „Ist das dein Nachthemd?“, fragte er.
„Ja!“, hauchte Eve unglücklich. Sie trug nur einen dunklen Schal darüber: „Ich konnte nicht schlafen, und dann habe ich auch noch Schritte gehört – es war furchtbar!“
„Schon gut“, meinte Milo: „Ich konnte auch nicht schlafen.“
Er zog sie in sein Zimmer hinein und tastete nach dem Lichtschalter. Nichts geschah.
„Das Licht funktioniert nicht“, teilte Eve ihm mit: „Ich hab es schon probiert.“
„Kein Problem“, sagte Milo großspurig, obwohl ihm die Tatsache mit dem Licht nicht gefiel. Hoffentlich tauchten gleich keine Werwölfe oder so auf.
„Setz dich erst mal“, sagte er und drückte Eve auf das Bett. Er rieb sich müde die Nasenwurzel. Eve zog ihren Schal enger um die Schultern: „Tut mir leid. Aber ich hab es in meinem Raum nicht mehr ausgehalten.“
Milo winkte ab. „Wir können ja das Beste draus machen“, schlug er vor.
Eve hob den Kopf und grinste verschmitzt: „Was meinst du denn damit?“
„Nun“, fing Milo an und wurde von einem Geräusch unterbrochen.
Ein Klopfen. An der Tür. Eve sprang auf und ging hinter seinem Bett in Deckung. Milo sah sich nach etwas um, dass er als Waffe benutzen könnte.
„Leute? Milo? Ist das Eve bei dir?“, fragte eine hohe Stimme.
Milos Schultern sackten nach unten: „Liam.“
Er öffnete die Tür und der kleinere Junge kam herein: „Ich hab jemanden gesehen!“, sprudelte er sofort los, noch bevor die Tür wieder zu war: „Und dann hab ich gesehen, wie jemand zu dir rein ging und hab mir Sorgen gemacht.“
„Es ist nur Eve, kein Grund zur Panik“, sagte Milo ein wenig genervt.
„Aber da draußen ist Jemand!“, beharrte Liam.
„Ist doch egal!“, fauchte Eve, die nicht aus ihrer Deckung hinter dem Bett hervor gekommen war. Ganz offensichtlich wollte sie nicht nur in einem Nachthemd vor Liam stehen.
Milo klopfte seinem kleineren Freund auf die Schulter: „Okay, Kumpel. Einfach die Tür zu machen und nicht raus gehen“, schlug er vor.
Liam nickte. Offenbar spürte er, dass er hier nicht erwünscht war. Mit einem traurigen Lächeln drehte er sich wieder um: „Na dann … gute Nacht.“
Milo schloss die Tür hinter Liam, um sie im nächsten Moment aufzureißen, denn es ertönte ein zweistimmiges „Au!“
„Was ist da los? Liam?“, fragte Milo und spähte nach draußen.
„Milo?“, fragte eine Mädchenstimme.
„Amy?“, fragte Liam.
Zwei dunkle Gestalten trennten sich von einander.
„Was ist denn heute los?“, fragte Milo genervt, als er Amy erkannte, in die Liam offenbar hineingerannt war.
„Ich wollte nur zu Luca“, erklärte Amy: „Ich hab jemanden gesehen.“
„Ja, vermutlich Liam oder Eve“, grummelte Milo.
Amy schüttelte den Kopf: „Eine Frau. Viel größer als die beiden.“
„Ja, die hab ich auch gesehen!“, rief Liam.
Milo spürte, wie sich Eve neben ihn schob: „Also läuft da draußen wirklich jemand herum?“
„Ich weiß es nicht“, sagte Amy: „Aber wir finden es heraus!“
„Ist das nicht gefährlich?“, gab Liam zu bedenken.
„Vielleicht ist es das Richtige“, meinte Milo: „Ich möchte es wissen, wenn hier was vorgeht.“
„Dann ziehe ich mir schnell was über“, meinte Eve leise.
„In fünf Minuten bei Luca“, grinste Amy und die anderen nickten wie Verschwörer.
„Weiß Luca, dass wir kommen?“, fragte Milo leise, doch da waren die Anderen bereits auf und davon.