Die Ankunft:
Sogar Milo wusste, wer Hannibal Lecter war, der wahnsinnige Kannibale aus "Das Schweigen der Lämmer". Er warf einen besorgten Blick auf Eve, die sich davor stäubte, auch nur die kurze Holzterrasse zu betreten.
Die Hütte erinnerte an eine Berghütte. Eine kurze Terrasse mit einem Holzzaun führte vor eine Tür, zwei Fenster blickten aus dem Erdgeschoss nach vorne, eines aus dem Stockwerk darüber, das auch der Dachboden war. Das Haus sah von außen nach einer Einzimmerwohnung aus, doch im Inneren erwartete sie ein schmaler Flur, und es gab insgesamt vier Räume, ein Wohnzimmer, eine altmodische Küche mit einer eng gedrängten Sitzecke, in der nach Milos Meinung allerhöchstens vier Personen Platz finden könnten. Dazu ein wirklich schmales Bad, eine Abstellkammer unter der steilen Treppe ohne Geländer und ein düsteres Schlafzimmer.
Spinnweben hingen in allen Ecken, auf allen Möbeln lag Staub. Die Hütte war aus roh behauenen Baumstämmen und Holzplanken aufgebaut, die durch das Alter verzogen waren. Es roch nach feuchtem Holz, Schimmel und vergangener Zeit, nach schlechtem Essen und Einsamkeit.
Die zwölf blieben zögernd im Flur stehen und merkten erst hier, dass viele von ihnen ihre Taschen verloren hatten. Samstag und die fünf Mädchen hatten ihre Sporttaschen noch, Dimitri drückte die lederne Aktentasche an die Brust und Amy trug ihre rote Tasche über der Schulter.
Aber die Taschen von Milo und Eve waren spurlos verschwunden und auch Luca und Samira hatten nichts mehr. Große Sorgen machten sie sich nicht darum.
Die Tür stand noch offen und ihr Fahrer, in einem karierten Holzfällerhemd mit hochgekrempelten Ärmeln, deutete auf die Treppe: "Eurer Zimmer ist oben!"
Sie kletterten nacheinander die knarzenden Stufen hinauf. Milo schwindelte, obwohl er keine Höhenangst hatte. Aber die Treppe war schmal, die Stufen lagen beinahe übereinander und es gab kein Geländer.
Oben war nur ein einziges Zimmer unter dem schrägem Dach. Nur in der Mitte war die Decke hoch genug, um aufrecht zu stehen. Auf dem Boden lag Stroh, das aus zwölf dünnen Matratzen drang. Es waren dünne Strohmatratzen, die mit angegrauten Laken umwickelt waren. Nicht gerade einladend, fand Milo, den der Geruch des Strohs in der Nase kitzelte.
Wer sie noch hatte, legte seine Taschen ab. Milo sah, wie müde und erschöpft alle waren. Er fühlte sich ähnlich, verschwitzt von dem langen Tag, der hinter ihm lag. Er wünschte sich ein Bad oder wenigstens eine Dusche, aber nicht an diesem gruseligen Ort.
Durch das schmutzige Fenster sah er nach draußen in den dunklen Wald. Man hätte wirklich denken können, dass es Abend war. Aber vielleicht zogen auch nur Regenwolken auf.
"Wir sollen wirklich hier schlafen?", fragte Eve: "Wo man keine Tür abschließen kann?"
Milo hatte nicht die Kraft, sie jetzt zu trösten. Ja, sie schliefen theoretisch auf dem Flur, denn es gab weder eine Falltür, noch unten am Fuß der Treppe eine Tür. Es war ihm zu offen, aber immerhin stand nur eine dünne Wand zwischen ihnen und der Freiheit.
Samstag war der Erste, der sich setzte und es sich auf dem Strohsack bequem machte. Seine fünf Begleiterinnen scharten sich um ihn. Nach kurzem Zögern ging Luca ebenfalls dahin, dann ließ sich Samira in den entstehenden Kreis fallen und Dimitri folgte ihr. Milo und Eve kamen ebenfalls dazu.
Es war ein Gefühl, dass sie zusammen zog. Sie konnten einander nicht vertrauen, aber es war dennoch tröstlich, sich zu besprechen. Genau das war es, erkannte Milo, was sie unbeabsichtigt taten: Sie besprachen sich. Analysieren die neue Lage, suchten nach Auswegen und Erklärungen.
Samstag, der aus irgendeinem Grund die Führung innehatte, eröffnete ihre Sitzung: "Ich glaube, wir sitzen ganz schön in der Patsche."