In der Tiefe:
Lucas Stimme war der einzige Hinweis für die, die ihn suchten und seine Spur auf dem breiten Gang verloren hatten.
Milo hörte den Schrei und fragte sich sofort, was Luca zugestoßen sein musste. Er folgte der Stimme seines Freundes in einen der vielen Gänge hinein. Die anderen stießen rasch zu ihm.
Sie fanden Samstag und Luca lebendig. Milo sah den blutigen Leichnam auf dem Boden und fasste sofort Eve, um sie von dem Anblick fern zu halten.
"Was ist da?", fragte sie. Ihre Stimme zitterte.
"Fay. Sieh nicht hin", flüsterte Milo.
Samira, die neben ihm ankam, schlug sich die Hände vor den Mund und stieß einen entsetzten Laut aus.
Mira rannte an ihnen vorbei und schrie Fays Namen, bevor sie neben Luca auf die Knie stürzte.
Milo merkte, dass er zitterte. Die restlichen Mädchen versammelten sich schweigend um die Tote.
"Milo, ich höre was", flüsterte Eve, die das Gesicht im Stoff seiner Jacke vergraben hatte, in dem Wissen, dass ihr der Anblick nicht gefallen würde.
Ihre Stimme riss Milo aus dem Grauen. Er spitzte die Ohren, und jetzt hörte er es auch. Ein Knurren. Schnelle Schritte und die Geräusche von verstohlener Bewegung, gerade außerhalb der Lichtkegel.
"Wir sind nicht allein!", hauchte er entsetzt. Nicht einmal Eve konnte ihm Halt geben. Die Tunnel um sie her schienen noch dunkler zu werden.
"Samstag, wir sind nicht allein!", wiederholte Milo lauter.
Doch zum ersten Mal, seit ihre Reise begonnen hatte, war Samstag nicht Herr der Lage. Der junge Mann war wie vom Donner gerührt und schien Milo nicht einmal zu hören. Luca hielt die schluchzende Mira im Arm. Lily kämpfte sichtlich gegen eine Ohnmacht an und schwankte auf ihren hochhackigen Schuhen.
Milo räusperte sich, damit seine Stimme nicht zu schrill klang: "Wir müssen hier weg!"
Amy riss sich zusammen, trat zu Luca und zog ihn und Mira langsam hoch. Samstag schüttelte den Kopf und kam offenbar wieder zur Besinnung. Jetzt nahmen die anderen das Knurren ebenfalls war. Etwas lauerte in der Dunkelheit, nicht weit entfernt.
"Bleibt - bleibt zusammen", sagte Samstag heiser. Sein Blick war unkonzentriert, als er die geschrumpfte Gruppe betrachtete.
Sie zögerten nicht lange. Sie warfen einen letzten Blick auf Fay, wie um stumm Abschied zu nehmen. Dann liefen sie den Gang zurück.
"Lasst die Lampen an", sagte Tee-jo: "Es scheint kein Licht zu mögen."
"Was ist das?", fragte Milo, aber die Schwarzhaarige zuckte nur mit den Schultern: "Ich weiß so viel wie du. Irgendetwas Übernatürliches, wenn wir Pech haben."
Als sie sich entfernten, wurde das Knurren lauter. Als sie den Gang verließen, heulte das seltsame Wesen laut auf.
Anderes Heulen antwortete ihm. Vielstimmig ertönte der Chor aus den Gängen vor, neben und hinter ihnen. Die Gruppe hielt an der Kreuzung an. Strahlenfinger tasteten in die Gänge zu allen Seiten, dünne, zerbrechliche Schwerter gegen die Finsternis.
In dem Gang hinter ihnen flammte ein Feuer auf, fauchend und brüllend wie ein lebendiges Wesen.
Milo konnte genau sehen, wie Samstag und seine restlichen Begleiterinnen blass wurden.
"Lauft!", hauchte Samstag.
Und Milo, der wusste, dass Samstag sich vermutlich mit diesen Wesen auskannte, rannte um sein Leben. Eve klammerte sich an seine Hand und die Anderen liefen irgendwo vor und hinter ihm. Aber in dem Gewirr aus Lichtstrahlen, Dunkelheit und Rufen zählte nur seine eigene Angst.
Als wäre er vollkommen allein.