Über das Meer schreiben ist ein schmaler Grat. Ein ganz schmaler Grat, um genau zu sein, der sich wackelig irgendwo zwischen Rosamunde Pilcher und Hemingway für Anfänger bewegt. Das Meer ist für die Erzählung was Sterne und Blumen für die Poesie sind – ein sicherer Garant für Kotzreiz, wenn man die Schwelle zum Kitsch überschreitet. Und das geht schnell.
Und trotzdem.
Als ich an eine Stadt am Meer gezogen bin, habe ich nach vielem gesucht. Hauptsächlich nach einem diffusen Gefühl der Freiheit, einem Refugium vor der Vergangenheit, einem Neuanfang. Das Übliche. Gefunden habe ich es nicht, oder nicht so, wie ich es mir vorgestellt habe. Aber das war keine Überraschung. Egal wohin man geht, sich selbst kann man nicht entkommen. Wenn sich jemals eine Binsenweisheit für mich als wahr erwiesen hat, dann diese.
Das Meer hat in der Entscheidung für meinen Umzug keine Rolle gespielt. Und wenn doch, dann nur als flüchtiger Gedanke. Eine Momentaufnahme, die an Urlaub erinnert. Als gute Möglichkeit zum Schwimmen und um den Kopf frei zu bekommen. Jedenfalls irgendwann im Frühjahr, solange man sich vor ins Wasser pinkelnden Touristen im Garnelenfarbton noch irgendwie retten kann.
Was für ein Glück es wirklich ist am Meer zu leben, habe ich erst nach und nach begriffen. Es hat Jahre und einen einsamen Geburtstagsspaziergang am Strand benötigt, bis ich tatsächlich begriffen habe, wie blau das Meer ist. Und mit Blau meine ich nicht ausschließlich die Farbe, sondern den Ton. All das, was Blau verkörpert. Ruhe, Weite, Tiefe, Ursprung und Ende.
Nicht vieles auf dieser Welt ist tödlicher als das Meer. Winzige Quallen mit meterlangen Tentakeln sind die giftigsten Tiere auf dem Planten (Grüße nach Australien) und wenn es eine Hölle gibt, sieht sie wahrscheinlich aus wie die Tiefsee. Trinken wir Meerwasser trocknet es uns von innen aus. Mit ein bisschen Pech und ein paar Bier zu viel ein Mal dämlich und übermütig vom Boot gesprungen und wir verdursten und verbrennen auf dem offenen Meer mitten im Wasser. Unsere Mutter Erde - immer für ein Paradoxem mit einem feinen Schuss Grausamkeit zu haben.
Und dennoch ist das Blau des Meeres eine warme Farbe. Melancholie lässt sich nicht im Salzwasser lösen, aber wenn uns der Wind ins Gesicht schlägt und das Wasser unsere Knöchel umspült, fühlen wir uns doch für einen Moment lebendig. Das Rauschen des Meeres verschluckt das grelle Kreischen unserer Umwelt und die Gedanken werden klarer.