Der Polizist betrachtet mit gerunzelter Stirn die Papiere auf dem Tisch vor sich. Dann die fünf Gestalten vor dem Pult. Die Spitzenkanditatin der Wahl, die morgen stattfinden würde. Ihr Mann, mit einem Verband um die Hand und auf eine Krüke gestützt. Zwei Kinder, ein Junge und ein Mädchen, beide um die 15. Und vor ihnen der Ankläger, ein hochgewachsener, weißhaariger Mann in schwarzem Mantel mit einer gefleckten Hauskatze auf dem Arm.
"Also nochmal: Ihr Name ist Kento. Kein Nachname?"
"Ja."
"Und diese Papiere beweisen...?"
"Die Machenschaften eines Magiers namens Kian Jecri. Er hat jahrelang die Politik infiltriert und diese Einmischungen sollten aufgedeckt werden."
"Und Ihre Befugnis...?"
Kento lächelt breit: "Ausgebildeter Spezialermittler aus Telion. Ich habe Jecris Spur hierher verfolgt."
Misa beugt sich zu mir herüber. "Wusstest du das?", fragt sie flüsternd.
"Nein.", antworte ich ebenso leise. "Der Mistkerl hat uns eiskalt benutzt, um Jecri zu stellen!"
Der Polizist blättert durch Kentos Unterlagen. Eine ungemutliche Stille tritt ein. Ziaz putzt sich gelangweilt. Marc kratzt sich im Nacken. Velaa betrachtet ihre Fingernägel.
"Also gut. Wir müssen Ihre Anschuldigung natürlich prüfen. Es wird eine Komission eingerichtet, die Ihre Schritte nachvollzieht."
Kento nickt: "Sie werden sehen, dass ich keinen Fehler gemacht und alles schlüssig aufgeführt habe."
"Natürlich braucht das alles seine Zeit.", sagt der Polizist abwehrend und legt die Papiere zusammen.
"Nehmen Sie sich alle Zeit der Welt. Der Angeklagte ist kürzlich verstorben.", sagt Kento.
Der Polizist entlässt uns mit einem irritierten Winken. Die doppelflügelige Tür fällt hinter uns ins Schloss. Wir stehen auf der belebten Hauptstraße vor der Wache. Mehrere Männer ziehen vor Velaa den Hut.
"Was ist aus diesem Tiger geworden?", fragt Marc.
"Comodos?", fragt Jecri. "Er wurde nicht in den Trümmern aufgefunden. Da er laut Zeugenaussage unter magischem Einfluss gestanden haben könnte, wird die Möglichkeit seiner Unschuld in Betracht gezogen. Aber unser bester Mann ist bereits an dem Fall dran.", Kento deutet mit dem Daumen auf seine Brust.
Misa und ich - die "Zeugenaussagen" - tauschen einen Blick und verdrehen die Augen.
Marc humpelt mit den Krücken vorwärts. Seine Beine sind zwar nicht verletzt, aber er ist noch zu geschwächt, um ohne Hilfe zu laufen.
"Tja.", sagt Velaa und streckt sich: "Da das jetzt erledigt wäre - hat jemand Lust auf Zuckertütchen?"
"Ja!", ruft Misa begeistert. Kento und ich sehen uns verwirrt an, da wir nicht wissen, um was es geht. Marc legt den Kopf schief: "Ist es nicht noch ein bisschen früh zum Feiern? Vor der Wahl?"
Velaa zuckt mit den Schultern: "Vielleicht habe ich danach keine Zeit mehr. Außerdem feiere ich, dass meine Tochter so mutig war. Dafür ist es nicht zu früh."
Sie umarmt Misa und drückt sie an sich, wobei sie ihre Schulter reibt: "Zuckertütchen oder nicht?"
"Du zahltst!", schimpft Marc mit einem Grinsen.
"Darüber verhandeln wir im richtigen Moment.", scherzt Velaa und hakt sich bei ihm ein. Kento und ich folgen Familie Luminor auf den kleinen Eckladen zu, der die Zuckertütchen verkauft. Ziaz rollt sich schnurrend in Kentos Armen zusammen.
Zuckertütchen sind also süß und lecker und einfach himmlich köstlich. Sollte ich mir merken.