Warnhinweis:
Der Inhalt dieses Werkes ist bisweilen nur einmal "grob" überarbeitet und keineswegs in liebervoller Feinarbeit ausstraffiert. Die die mich bereits kennen und mein "geschribsel" zu lesen bekamen, würden vermutlich dennoch sagen: "Höh, steht doch alles dort, was es zu sagen gibt."Wie auch immer ... viel Spaß beim lesen meiner Parallelstory zu °Rongard°
Außerhalb des schützenden Bannes Erebors müsste bereits die Frühjahrszeit Einzug gehalten haben. Gaya sollte dem Antlitz der Natur ein saftiges Grün verleihen; Blüten und Blumen in schillernde Farben tauchen; Schwingen zum Singen ermutigen und jegliches Getier aus ihrem langen und tristen Kälteschlaf erwecken. Nichts jedoch von alledem, was man sich von einer aufblühenden Zeit vorstellen oder erwarten mochte, traf zu.
Seine Augenlider zuckten unstet von der einen zur anderen Seite und seine Mundwinkel zauberten einen sonderbaren Tanz auf den Lippen. Die rechte Hand lag mit dem Handrücken im Gras. In jener lag, wie zu einem Ball zusammengerollt Piwik. Piwik war ein von seiner Mutter ausgestoßenes Eichhörnchen, welches Si'mon bereits in jüngsten Jahren zu sich nahm; ihn umsorgte und angesichts dessen unbewusst an sich band. Ihre Bindung zueinander wirkte bei manchem befremdlich, da er die Nähe zu Anderen, seines Gleichen, nahezu mied.
Es kursierten Gerüchte, der Junge würde mit diesem Tier reden, sich gar verstehen. Kein klar denkendes Wesen sprach in solch Art und Weise mit Getier oder behauptete es begreifen zu wollen. Nicht einmal Aufzeichnungen oder Erinnerungen längst vergangener Zeiten bezüglich Gayadisten gaben Aufschluss über solch Verhalten und somit stand außer Frage, dass der Junge nicht normal sei.
Obschon strengstens untersagt, schlief das ungleiche Paar im Schatten des Urbaums. Niemand aus dem Volke der Lynken würde in Betracht ziehen oder besäße die Vermessenheit sich dem Gebot der Herrin zu widersetzen.
Si'mon hingegen war wie so oft mit sich und seinen Gedanken allein und fühlte sich an diesem Ort geborgen.
Si'mons Bauch kribbelte, gleich dem Gefühl in hohen Lüften zu schwanken. Alles um ihn herum nahm er aus der Perspektive einer Schwinge wahr. Aus luftiger Ferne blickte er herab auf Belebtes mit saftigem grün bewachsenem Land. Es schien in Übermaßen friedlich. Gräser wie Sträucher beugten sich dem fahlen Wind. Schwingen verschiedenster Größen glitten dahin und trillerten ihre Lieder.
Nur Augenblicke später herrschte entsetzliches Chaos und überlag von einem Atemzug zum nächsten das gesamte Bild. Es geschah ohne Vorwarnung, die Sicht wurde zuvor weder vernebelt gar verzerrt, seine Wahrnehmung war übergangslos ... ausgewechselt. Was vordem beschaulich und schön in seinen Augen, entfachte nahezu unerträglich aufwallende Wut in seinem Herzen. Ihm schnürte sich der Hals.
Wohin er auch blickte - Brände, Dürre und der fahle Odem von Verwesung. Er erblickte Fliehende wie Kämpfende. Muskulöse Männer, allesamt mit kahl geschorenem Haupt. Mit klobigen Waffen in den Händen und unzähligen Symbolen auf nackter Haut jagten sie wie toll gewordene Reißer. Schmutz und Blut hafteten an ihnen wie eine absichtliche Umhüllung. Diese barbarisch vorgehenden Krieger umgab eine verstörende dunkle Aura. Die Erkenntnis über die Wesenheit jener schien ihm bekannt und verursachte ein unbehagliches Gefühl.
Nordnomaden, sie lebten nahe der Grenze zum verbotenen Land und nannten dieses ihr Zuhause. Sie wüteten wie Berserker zwischen den Fliehenden. Mit ihren Äxten, Schwertern und Speeren hackten und stießen sie wahllos drauf ein. Es zählten nur Opfer - viele Opfer. Unter ihnen Männer, Frauen ... und Kinder.
Eine Träne entrann seinem linken Auge und ein gequältes Schluchzen entrang sich seiner Kehle.
An anderer Stelle beobachtete er eine gewaltige Ansammlung Spinnen, die in Richtung der Berge drängten. Er hielt auf diese zu, um das seltsame Phänomen zu betrachten. Was sich jedoch seinem Blickfeld nährte, ließ ihn Schaudern. Es saßen Reiter auf ihnen?
Noch bevor sich weitere eindeutigere Details zu erkennen gaben, wurde er seiner Ansicht beraubt. Er befand sich inmitten eines dicht bewachsenen Waldes, vor ihm eine Anhäufung brusthoher Findlinge zu einer natürlichen Barriere geformt.
Ein Mann lehnte an jener und kämpfte mutmaßlich mit allen ihm noch zur Verfügung stehenden Kräften bei Sinnen zu bleiben. Er atmete schwer und angestrengt. Seine Rechte ruhte auf breiter mit Blut besudelter Brust. In jener steckte ein, zwischen Mittel- und Zeigefinger, schwarz Gefieder Pfeil. Mit jedem getanen Atemzug verlor er mehr seines dringend benötigten Lebenssaftes.
Si'mon wurde schwer ums Herz und kaute unbeholfen auf den Lippen. Wir mochte er dem Verletzten nur helfen, wusste er doch, dass es sich hierbei schlicht um einen Traum handeln konnte. Wenn er einen Heeresführer beschreiben solle, er würde umschreiben, was seine Augen erblickten.
Breitschultrig, hochgewachsen und mit markanten Zügen. Kräftige Wangenknochen und ein kantiges Kinn verliehen ihm eine unvorstellbare Strenge, die jeglichen Widerspruch im Keime zu ersticken vermochten. Zugleich zeugten seine strahlend blassblauen Augen von Güte und Einfühlungsvermögen, auch wenn diese sich zum gegenwärtigen Moment mit dem unausweichlichen Wissen des eigenen Ablebens trübten.
Ein weiblicher Klang durchdrang die beklemmende Stille. Gehetzt wie suchend rief diese einen ihm unverständlichen Namen, welcher den Verwundeten jedoch schmerzerfüllt aufblicken ließ. Weinend und mit erstickter Stimme ließ sich jene neben dem Mann nieder. Erst auf dem zweiten Blick erkannte Si'mon, was diese Frau war.
Eine der seinen. Eine Lynka, konnte das sein? Er vermochte sie nicht zuordnen, aber eines war unzweifelhaft - ihr Stirnreif.
Aus der Ferne schien jemand seinen Namen zu flüstern. Erst ganz leise, dann stetig lauter erscholl der Ruf in seinem Bewusstsein und zog ihn mehr und mehr aus dem Bann des Anblickes. Immer wieder wurde sein Name gerufen und er spürte rütteln an den Schultern. Er wusste, dass er träumte, wehrte sich jedoch vehement gegen das Erwachen. Er wollte sehen, vor allem wissen, wer diese Frau war.
Seine Sicht verschleierte sich zusehend und konnte nur noch den erleichterten Ausdruck auf den Zügen des Sterbenden erkennen, als eben diese Frau seine blutverschmierte Hand auf ihren Bauch drückte.