Seine Sicht trübte sich und er vermochte nur noch verschwommen erkennen. Ihm wurde heiß und kalt zugleich. Übelkeit drängte sich hinzu und so fühlte er eher, als dass er sie wahrhaft sah - verstohlene Blicke Arions.
Die Erkenntnis traf ihn wie ein Faustschlag mitten ins Gesicht. Bereits zur Reifeprüfung wollte er ihn bewusst töten und jetzt ... jetzt hatte er sein Ziel erreicht. Es war dieser verdammte Kuchen, wovon er nicht aß. Arion hatte ihn vergiftet.
Sein Herzschlag verlangsamte sich von Augenblick zu Augenblick und ebenso reduzierte sich sein Blickfeld. Er zog sich zusammen, wie durch eine Röhre blickend, welche immer schmaler wurde.
Es geschah, jetzt und unwiederbringlich. Er würde sterben, das wusste er.
Ein wohliges Kribbeln breitete sich in seinem Körper aus und es fühlte sich an, als könne er schweben. Das war es also?
Rötliche Lichtblitze zuckten vor seinem inneren Auge und wurden mit jedem Aufblitzen schneller und dichter. Ein Bild formte sich und so begann er Dinge zu erkennen, die er wusste, dass sie nicht existent waren.
Schreie hallten in seinen Ohren, entsetzliche qualvolle Laute, ganz so als befände er sich in unmittelbare Nähe derer. Wesen ungeahnter Herkunft und Rasse rannten auf grotesk geformten Beinen. Sie jagten wehrlose Menschen, spießten sie gnadenlos mit deformierten Knochen regelrecht auf. Sie schlitzten diese mit selbigen beinahe in zwei Hälften, als sie jene abstrusen Waffen brachial hervorrissen. Sie machten keinerlei Unterschied zwischen männlichen oder weiblichen der gejagten. Selbst Kinder zählten zu ihren Opfern, welches Si'mon am meisten erschreckte.
Das widerhallende Echo gellender Schreie, noch dazu diese Geräusche, als führe man einen Wetzstein über die Klinge, quälte ihn immerzu. Es war kein Krieg im herkömmlichen Sinne, es glich einer vollkommenen Vernichtung.
Ein breiter Fluss mit unüberwindbarer Strömung geriet in sein Blickfeld. Selbst einem geübten Schwimmer würde es niemals gelingen, diesen heil zu überqueren. Was ihn wiederum irritierte, waren unterschiedlich große Boote, die darauf fuhren, obwohl an Land unweit des Flusses verbissen gekämpft und gestorben wurde. Er wusste, um was für Objekte es sich dort auf dem Wasser handelte, da er ähnliche Bebilderungen in der Bibliothek vor nicht all zu langer Zeit interessiert las. Ihre Bauweise entsprach nahezu den der Analen. Einige lang und schmal, andere wiederum kürzer wie bauchiger. Jene, die er jedoch sah, entsprachen allesamt ersterer.
Sie griffen widererwartend ins Geschehen ein, obgleich sie sich nicht von ihrem Standort zu entfernen schienen gar dem Ufer nährten. Die Kraft des Flusses vermochte sie nicht zu behindern. Von unzähligen Bögen wurden einem Schwarm gleich Pfeile gelöst, die zuhauf bewundernswert und zielsicher ihre Opfer fanden.
Er erkannte deutlich eigene seines Volkes, Menschen verschiedenster Sommer und ebenso viele Naïns. Niemals zuvor bekam er einen jenes kleinen Bergvolkes zu Gesicht, wusste aber sogleich, dass nur sie es hatten sein können. Die Beschreibungen in der Bibliothek des Ratshauses ergaben sich dahingehend äußerst detailliert.
Er sah ... ja konnte es wahrhaft sein? Er musste sich irren. Was ihm sein Geist vermittelte, war der Augenblick, als sein Volk zu neuen Ufern aufbrach und alten Landen den Rücken kehrte. Das Zeitalter der Menschen habe begonnen und dort sei kein Platz mehr für uns Lynken, hat es stets geheißen. Nur ... es hatte augenscheinlich nicht viel mit dieser Annahme zu tun.
Sie flohen.
Abermals durchzuckten Lichtblitze sein Sichtfeld und er raste über bereits in einem vorherig erlebten Traum gesehene Landflächen dahin. Drei Städte, die ein dunkles, nicht weiter zu benennendes Banner trugen, ließ er hinter sich.