Aufgeregte Rufe und widerhallene Fanfahren echoten durch den Hain. Etwas oder jemand nährte sich zielstrebig und unter Auferbietung dem Schutz Erebors.
Späher, die sich nach gefühlten Ewigkeiten kurzfristig außerhalb der Umgrenzung aufhielten, berichteten von Pferden samt Reitern. Niemand wagte sich allzu weit weg vom schützenden Hain und so waren die Aussagen unzulänglich. Es lagen keine brauchbaren Erkenntnisse vor, wer sich näherte und vor allem mit welcher Truppenstärke.
Delavar und Ma'rit schienen ihre Abneigung einander für den Moment der drohenden Gefahr außer Acht zu lassen, beide standen Seite an Seite und führten alle kampffähigen Lynken wie Lynkas zu dem einzig möglichen Zugang.
Ly'an saß zusammen mit Eldril im Schneidersitz unter einem Pavillon und besprachen den Ablauf zur Aufdeckung ihrer wahren Person, als der unbedachte Tumult ausbrach. Donnerndes Hufgetrappel hallte als Echo wider und die Anspannung wuchs. Pfeile wurden auf Sehnen gelegt und Schwerter gezogen.
Eldaril horchte auf, neigte den Kopf und lauschte in sich hinein. Da sie nach vielen Jahreswenden der Lüge nun über ihre wahre Identität wusste, war auch ihre innere Blockade gebrochen.
»Was spürst du?«
»Mindestens fünfzig von ihnen. Mutter, ob es Si'mon mit den Menschen ist?«
Angesprochene legte schützend ihren Arm und sie und zog sie an sich. »Ich weis es nicht«, flüsterte sie. »Finden wir es heraus.«
Ein tief grollender Laut ertönte und galt zur Antwort. Erneut wurden die nunmehr deutlich näher klingenden Fanfahren geblasen.
»Banner, sie führen Banner mit sich«, erscholl der Ausruf eines Wachposten.
Ma'rits Gesicht verlor jegliche Farbe, als der den Ton endlich zuzuordnen vermochte. Delavar wurde ebenso bleich und begann zu zittern. »Das kann doch nicht ...« er vollendete den Satz nicht, denn Ly'an rief lauthals und mit hoch erhoben Armen. »Senkt die Waffen, sofort!«
Verhalten und nahezu widerwillig kamen sie dem Geheiß nach. Es war zu lange her, als dass Ankömmlinge mit antwortenden hörnen Erebors Hain erlaubt betraten. Anwesende waren vor Neugierde angespannt und nicht minder wenige hielten Schwerter wie Bögen trotz Gebot griffbereit. Der Urbaum ließ sie ohne ersichtlichen Widerstand passieren.
Hufe klapperten widerhallend auf den steinernen Böden, als die berittenen Reihen, jeweils drei nebeneinander, auf den offenem Zuweg einritten.
Die vordersten Äußeren Reiter trugen Standarten und jener mittig das Horn. Eines der Banner zeigte bläulichen Grund mit einem ausladenden Königsaar darauf, die Zweite das Emblem des Vaterbaums auf grünem Grund. Der Odem des Krieges begleitete einen jeden von ihnen. Sie führten ihre zugehörigen Wappen auf Kriegsübliche Wamse.
Erwartungsvoll und mit schlagenden Herzen standen Lynken wie Lynkas da und beobachteten die einreitende Prozession. Ma'rit zählte drei Zehnen zu jeweils Dreierreihen und sie ritten nicht nur nebeneinander oder hintereinander - sie ritten miteinander. Ein jeder vermochte sich auf seinen Gefährten zu verlassen.
Die Reihen teilten sich vor Lya'an und Eldaril sowie Ma'rit und Delavar und bildeten einen schützenden pferdebeleibten Ring.
Hoch aufgerichtet nährten sich zwei einzelne Reiter und drängten sich durch den Wall. Ein riesiger mit braunem Federkleid besetzter Königsaar flog über ihre Köpfe hinweg und ächzte herausfordernd.
Ly'an sank mit Tränen in den Augen auf die Knie. Sie weinte und schämte sich ihres Glückes nicht. Eldaril beugte sich fragend herab. Nur Ma'rit und Delavar schienen dem Anblick gebannt.
»Herrin Ly'an. Oberhaupt aller Lynken. Wir sind gekommen, um unseren Schwur des Zusammenhalts zu erneuern. Das Haus der Schwingenreiter steht euch und dem Hain bei.« Er hob bekräftigend die rechte Faust gegen Himmel und das Krächzen unzähliger Schwingen unterstrich seine Worte. Es war ein prachtvoller Anblick, als ein gewaltiger Schwarm die Versammelten umflog. Darunter viele Aars und ihre größeren Verwandten. Abermals ächzte selbiger Königsaar und seine Begleiter ließen sich in Büschen, Bäumen, Dächern und vorhandene Trapezgestelle nieder.
»Auch wir vom Hain des Vaterbaums sowie dem Haus der Vatersänger unterstellen uns dem Schwur. Es war Lynka selbst, der seinen Irrtum erkannte und die Wiedervereinigung ersann.«