Eine gute Stunde später klopfte es zaghaft an die Tür meiner Wohneinheit. Verwirrt öffnete ich die Tür. Davor stand Nemo und blickte sich nervös um.
„Darf ich… darf ich reinkommen?“ stammelte sie und kaute auf ihrer Unterlippe. Ihre Bernsteinaugen sahen flehend zu mir hoch.
Ich trat seufzend auf die Seite und sie huschte mit einem letzten Blick über die Schulter an mir vorbei in die Wohnung. Langsam schloss ich die Tür und drehte mich zu meinem ungebetenen Gast. Sie betrachtete gerade ausgiebig die Wohnung, die ohne Frage größer war als ihre eigene.
„Was ist los, Nemo?“ wollte ich wissen und setzte mich auf das Sofa. Mit einer Handbewegung bat ich sie ebenfalls sich zu setzen. Steif setzte sie sich auf die Sofakante.
„Ich… es fühlt sich falsch an“ stotterte sie und kaute nervös auf der Unterlippe. Ihre dunkelbraunen Haare fielen ihr in weichen Locken wie ein Schleier vor das Gesicht während sie betreten auf ihre zarten Hände schaute.
„Was fühlt sich falsch an?“ bohrte ich nach und rückte ein wenig näher.
„Ich muss dich um etwas bitten. Es fühlt sich falsch an nach allem was du für mich getan hast, aber es ist wichtig" murmelte sie und begann unruhig ihre Hände im Schoß zu kneten. „Ich weiß zu gut wie sich das jetzt anhört, aber ich muss etwas erledigen und dafür muss ich das Rebellenversteck verlassen. Bitte es ist wichtig“
„Was hast du vor, Nymeria?“ Eine dunkle Vorahnung machte sich in mir bemerkbar. Wollte sie verschwinden? War es kalkuliert? Was hatte sie vor?
Sie hob den Kopf und sah mir in die Augen. Ihre braunen Reh Augen glänzten geheimnisvoll. Ich erkannte sofort, dass sie jedes Wort, das sie nun sagte, ernst meinte. Todernst.
„Diese Mission muss unter uns bleiben, Jamie“ erklärte sie mir mit brüchiger Stimme. „Kein Wort darf hiervon nach draußen gelangen“
„Wovon sprichst du?“ Verzweifelt versuchte ich ihren Gedankengängen zu folgen. „Von welcher Mission?“
„Versprich mir einfach von dem was ich dir jetzt sage, niemanden zu erzählen. Es bleibt unter uns“ drängte sie mich.
Langsam nickte ich. „Ich sage niemanden davon, versprochen“
Nemos Augen ruhten einen Moment auf mir, dann wandte sie sich wieder ihren Händen zu. „Ich habe vor einen wichtigen Verbündeten für uns zu gewinnen“
Stille breitete sich im Raum aus.
„Wen?“ wollte ich wissen. „Und warum soll davon niemand wissen?“
„Weshalb wohl? Dieser zukünftige Verbündete ist zurzeit nicht ein Rebell“
„Wie soll ich das Alec erklären? Er würde das nie gutheißen“
„Deshalb sollst du es ihm ja auch nicht sagen“ Sie rollte genervt mit den Augen und stand auf. Mit vor dem Körper verschränkten Armen trat sie vor eines der Fenster und schaute nachdenklich nach draußen.
„Du bist verrückt“ Ich schüttelte den Kopf. „Sag mir wenigstens wo du hinmöchtest“
Ein Lächeln war auf ihrem Gesicht erschienen. „Zu einem der mächtigsten Männer von Paradise City“
Nachdenklich betrachtete ich sie während sie verträumt aus dem Fenster auf die City schaute. „Davon gibt es viele“
„Aber nur einer steht Amanda Fox nah genug, um ihr zu schaden“ erklärte sie langsam und drehte sich zu mir. Auf ihrem Gesicht war ein gerissenes Lächeln. „Maxwell Fox“
Stille hatte sich über den Raum gelegt. Der Name hallte immer noch durch den Raum. Entgeistert sah ich sie an.
„Spinnst du?“ brach es schließlich aus mir heraus. Ich konnte nicht mehr stillsitzen, also stand ich auf und lief durch das kleine Wohnzimmer. Sie war vollkommen durchgedreht, dachte ich bei mir und fuhr mir fahrig durch die Haare. „Wie soll ich das Alec erklären? Soll ich deiner Meinung nach meinem Bruder anlügen? Er ist der Anführer, Er trifft die Entscheidungen, nicht ich“ schrie ich sie an doch sie sah mich gelassen an als könnte sie kein Wässerchen trüben. Das brachte mich noch mehr in rasche. „Dir ist klar das Köpfe rollen werden sollte dies schief gehen“
„Es wird nicht schief gehen“ erklärte sie beinahe gelangweilt.
„So wie dein hirnrissiger Plan meinen Bruder zu töten? Der hat ja auch super funktioniert“ erinnerte ich sie. „Du bist nicht gerade bekannt dafür Pläne zu schmieden die funktionieren“
„Das mit deinem Bruder war etwas vollkommen anderes“ wiegelte sie ab und drehte sich wieder zum Fenster. „Er wird uns helfen an Amanda ran zu kommen, glaub mir“ Ihr Gesicht spiegelte sich nachdenklich in der Scheibe.
„Und warum sollte er das tun? Sie ist seine große Schwester“ wollte ich wissen und setzte mich wieder auf das Sofa. Für mich machten Nemos Gedankengänge keinen Sinn.
„Erstens, weil er sie hasst“
„Das kann ich verstehen“ murmelte ich.
„Zweitens haben wir ein Druckmittel“ fuhr sie ihre Erklärung fort, ohne auf meinen Einwurf einzugehen.
„Haben wir seine Katze entführt? Was wäre das für ein Druckmittel?“ lachte ich belustigt doch sie hob nur ihren Blick und meine Augen trafen auf ihre. Kalt sah sie mich an.
„Das wirst du noch früh genug erfahren“ murmelte sie bloß.
„Ich finde den Plan immer noch verrückt“
„Nach deiner Meinung hat hier niemand gefragt“ fauchte Nemo während sie mich durch die Dunkelheit scheuchte. Es war Mitternacht in Paradise City und der Vollmond stand hoch am Himmel. Die Solarleuchten erhellten die Straßen der Stadt wo hin und wieder ein Auto dahin rollte doch wir huschten unbemerkt und lautlos durch die dunklen Gassen. Ich hatte keine Ahnung wo wir hinwollten. Nemo wollte mir das Geheimversteck des Technikmoguls nicht verraten. Im Gegensatz zu seiner Schwester Amanda war Maxwell Fox einer der lieber die Fäden hinter den Kulissen zog. Doch jeder wusste das der Bruder der Kanzlerin schwerreich war und zudem der begehrteste Junggeselle von Paradise City mit seinen fünfundzwanzig Jahren.
„Wir sind gleich da“ zischte Nemo als sie mich geschickt an einer stinkenden Mülltonne herum lotste. Mir war sofort aufgefallen, dass sie sich in der Dunkelheit wohler fühlte. Problemlos schien sie sich zurecht zu finden.
„Wie erkennst du das?“ platzte es aus mir heraus. Ich hatte sogar Schwierigkeiten die Mülltonnen zu erkennen doch sie erkannte sogar wo wir waren.
„Übung. Wir sind hier“ erklärte sie und zog mich zu einer Wand die sich als Hintereingang herausstellte. „Hör mir zu bevor wir hier reingehen: Du musst mir versprechen zu machen was ich sage und dass ohne wiederrede. Schaffst du das?“
Ich zögerte doch dann nickte ich.
„Gut. Der Plan geht so: Wir schleichen uns jetzt die Treppen hoch. Oben im letzten Stock ist seinen Penthouse Wohnung doch meistens schläft er in seinem Büro. Um ihn kümmern wir uns später. Wir gehen hoch bis in die Penthouse Suite. Hast du verstanden?“
Verständnislos sah ich sie an. „Warum gehen wir in die Penthouse Suite wenn er unten im Büro ist?“
Nemo stöhnte. „Weil wir mit Sicherheit eines seiner Betthäschen oben finden“
„Und das benützen wir als Druckmittel? Bist du dir sicher, dass ein One-Night-Stand überzeugend ist?“
Für einen Moment dachte ich, Nemo hätte den Fehler in ihrer Kalkulation erkannt doch dann hörte ich sie lachen. „Du bist echt lustig, Jamie. Du könntest Komiker werden. Nein ehrlich, natürlich ist ein belangloses Betthäschen nicht überzeugend, aber es hilft uns an den Wachen vorbei zu kommen. Verstanden?“
Ich hatte nichts verstanden. „Und wo ist dann unser Druckmittel?“
„Das wirst du schon bald herausfinden“ Zielstrebig hastete sie die Treppen hoch. Auf der zweiten verlangsamten sich ihre Schritte und ich hörte sie verdächtig schnaufen.
„Du bist noch nicht Fit genug“ fluchte ich und hastete zu ihr. „Warum konnten wir nicht noch ein paar Tage warten? Warum musste es heute sein?“
Schließlich blieb sie stehen und stützte sich auf mich.
„Es muss so schnell wie möglich sein bevor Amanda herausfindet das ich lebe“
Erklärte sie schnaufend. So blieben wir einige Minuten stehen bis sich ihre Atmung wieder normalisierte. Nun gingen wir langsamer weiter bis wir schließlich vor der Penthouse Suite standen. Ein Nummernfeld war neben der Tür befestigt.
„Passwort gesichert“ stellte ich fest und drehte mich zu Nemo. „Was machen wir nun?“
Sie zuckte nur mit den Schultern. „Wir geben das Passwort ein“
Ungläubig sah ich sie an. „Du kennst das Passwort?“
Augenrollend trat sie an das Nummernfeld und tippte ‚Joker1607‘ ein. Ein Klack hallte durch das Stiegenhaus als die Tür aufsprang. Verwirrt sah ich auf die Tür.
Ein seufzen holte mich aus meiner Trance.
„Wusste ich es doch: Dieser Idiot hat das Passwort nicht geändert“
„Mich würde interessieren woher du das Passwort überhaupt wusstest“ schnaubte ich. „Was verheimlichst du mir?“
Nemo schüttelte den Kopf. „Nicht hier. Wir müssen uns beeilen bevor er Alarm schlägt. Wir brauchen das Mädchen“ erinnert sie mich eindringlich. „Komm“
Eilig huschte sie durch die Tür und verschwand in der Penthouse Suite. Unruhig folgte ich ihr.
Hinter der schweren Tür fand ich mich in einem langen großen Gang wieder. Rechts von mir war eine lange riesige Fensterfront durch das Mondlicht fiel. Nemos Schritte hallten von den Steinwänden. Sie steuerte eines der Zimmer links am Ende des Flures an. Schnell lief ich ihr nach. Meine Schritte trommelten über den Fliesenboden.
Ich holte Nemo gerade ein als sie die schwere Tür aufdrückte. Mir verschlug es den Atem. Ein riesiges King Size Bett stand in der Mitte des Zimmers. Uns gegenüber befanden sich wieder eine Fensterfront durch das Mondlicht fiel.
„Er mag gerne Licht“ erklärte Nemo augenrollend. „Die Fenster sind übrigens kugelsicher“
Die zerwühlten blütenweißen Laken bewegten sich plötzlich. „Max? Bist du das?“ erklang eine verschlafene Mädchenstimme.
Ein verwuschelter brauner Lockenkopf erschien zwischen den Laken und sah sich verwirrt um.
Nemo drehte sich grinsend zu mir. „Da haben wir das Betthäschen“ murmelte sie zufrieden lächelnd.