„Ok, haben wir alles? Auch dein süßes, kleines Nachtlicht?” Elvira strich mir sanft durch die noch ganz nassen Haare und lachte dann herzlich auf. „Sei nicht so kindisch und fahr endlich!” schnauzte ich sie an. Mir ging es gehörig gegen den Strich, dass sie sich Mal wieder so benahm, als sei sie die Chefin und ich ihr kleiner Handtaschenhund! Zu meinem Glück würde ich das nicht mehr lange durchmachen müssen. Meine kleine Schwester hatte sich freundlicherweise dazu bereiterklärt, mir bei meinem Umzug in eine neue Stadt, behilflich zu sein. Das hätte ich zwar nicht von ihr erwartet, aber wahrscheinlich war sie sowieso nur da, weil es ihr zu Hause bei unserer Mutter zu viel geworden wäre, nachdem diese schon den ganzen Bewohnern unserer Villa mit ihrem Geheul in den Ohren gelegen war. Mein Mutter war eine unheimlich nervtötende Frau und sie schaffte es einfach nicht, ihre Kinder erwachsen sein zu lassen. Es fiel ihr jedes Mal aufs neue schwer, wenn eines ihrer kleinen Küken das Nest verließ und sich auf den Weg in die große, weite Welt machte. Selbst wenn es das, wie ich, in einem Alter tat, in welchem man eigentlich schon lange von zu Hause ausgezogen sein sollte.
Ich war vor drei Wochen zweiundzwanzig geworden und ich hielt es einfach nicht aus, immer noch zu Hause zu wohnen. Es war einfach nur schrecklich! Wirklich! Alle meine Freunde hatten schon eigene Wohnungen und manche von ihnen hatten schon einen Bachelor, während ich gerade erst anfing, zu studieren. Gefühle wie das, allen hinterherzuhängen waren bei mir an der Tagesortnung, und irgendwie hatte ich mich langsam sogar damit abgefunden, langsamer als alle anderen zu sein. Dafür hatte ich es leichter damit, eine Uni zu finden, weil ich eine abgeschlossene Berufsausbildung in dem Fach, welches ich studieren wollte, hatte. Aber für Leute wie mich, die einen sozialen Standard zu vertreten hatten, war es nicht denkbar, einen Beruf zu lernen und dabei nicht zu studieren! Warum auch immer, denn es war wirklich nicht so, als hätte mir mein Job keinen Spaß gemacht. Es war einfach nicht das, was mein Vater sich für seinen jüngsten Sohn wünschte. Durch dieses Studium versprach er sich, ich würde einmal einen guten Job bekommen, irgendwann eine Firma gründen und dann arbeiten, bis ich tot umfiel. Oh, und dazwischen irgendwann sollten Frau, Haus und mindestens drei Kinder folgen.
Wenn man es so sagte, klang die Erziehung meines Vaters wirklich hart, was sie bei Gott nicht war, er war ein netter Mensch, der sich wirklich Mühe in dem Gab, was er wollte und er wusste auch ganz genau, wie er die Stärken und Schwächen eines Menschen erkannte. Mein Vater war sowas wie Superman, nur mit Anzug, Glatze und mindestens zwanzig Kilo mehr auf den Rippen.
Zurück zu mir. Ich ging also studieren und meine Mutter war totunglücklich darüber, während jeder andere Bewohner unseres Hauses am liebsten eine Party geschmissen hätte, es aber aus Respekt vor der über allen wachenden Mutter nicht tat. Sowohl meine Geschwister als auch so ziemlich jeder Bedienstete in diesem Haushalt hatte mich abgrundtief gehasst. Dafür, dass ich immer schlechte Laune hatte, ihnen meine Meinung oftmals unverblümt ins Gesicht gesagt hatte und das ich meistens einfach nur in Unterwäsche herumlief. Aber ganz ehrlich, die waren doch alle nur neidisch auf meinen wunderschönen Arsch! Sogar meine Schwestern wünschten sich insgeheim, so ein Ding zu besitzen, um es ihren Schickie-Mickie Freunden unter die Nase zu halten.
Manchmal hatte ich das Gefühl, mein Arsch war das einzige, was mich wirklich schön machte. Natürlich, meine Augen waren auch ganze ok, und mein Körper war trainiert und man fand keinen Fetzen Fett daran, aber nichts ging über einen schönen, großen Arsch, der perfekt auf zwei langen Beinen saß. Auch wenn meine Beine nicht ganz so lang waren, wie ich sie gerne hätte, es war schon Ok. Und mit Ok konnte ich leben und arbeiten.
„Bist du eigentlich nicht aufgeregt? Ganz alleine in einer riesigen Wohnung?” meine Schwester schaute kurz zu mir, aber da sich in meinen Augen bestimmt Mal wieder die blanke Panik wiederfand, richtete sie ihre Augen sofort wieder auf die Straße. Ich konnte selber Autofahren, aber ich bevorzugte es meine Schwester ans Steuer zu lassen, wenn es auf Autobahnen oder sonstige Schnellstraßen ging. Alles über 80 war schlimm für mich und ich wollte diese Metallkiste, welche mich im Falle eines Unfalls komplett erdrücken würde, gar nicht auf eine höhere Schnelligkeit bringen.
„Nicht wirklich, ich werde mir sofort mindestens eine Katze kaufen, nur das das klar ist, und das heißt, so leid es mir tut, keine Besuche von dir!” ich zwinkerte ihr zu und in diesem Moment drehte sie sich zu mir und schaute mir tief in die Augen. „Ich bestimmt im Moment über dein Leben, also sei bitte vorsichtig, was du sagst.” dann drahte sie den Kopf endlich wieder nach vorne und ich konnte ausatmen. Wieso tat sie sowas, wenn sie wusste, wie sehr ich Angst vor Unfällen hatte, seit Mom beinahe bei einem gestorben war? „Du kannst dir ja auch einen Hund zulegen, dann könnte zumindest ein Großteil deiner Familie dich hin und wieder besuchen kommen!” schlug sie vor, aber das würde sofort, ohne überhaupt darum zu verhandeln, abgelehnt. „Niemals. Glaub mir, sowas würde bei mir eingehen. Katzen sind selbstständig und verschlafen die meiste Zeit ihres Lebens, die sind viel angenehmer als ein blödes Vieh, das jedes Mal bellend zur Tür rennt, weil jemand geklopft hat. Nein Danke.” erklärte ich, nicht ohne mich vorher an der Tür festgehalten zu haben. „Achso? Du findest also Hunde blöd?” Elvira drückte das Gaspedal durch, nachdem sie auf der linken Spur angekommen war, und wir schossen nach vorne. „Nein! Hunde sind toll, aber ich würde sie wahrscheinlich umbringen!” ich atmete hektisch ein und aus, sicher mindestens achtzehn Mal die Sekunde, bevor Elvira langsam vom Gas ging und sich wieder auf der mittleren Spur einreihte. „Schön, das du deine Meinung noch so kurzfristig geändert hast, Bruderherzchen.” sie lächelte mich ganz unschuldig an, während mein Herz noch damit klarkommen musste, was gerade passiert war. Irgendwann würde ich wegen ihr sterben, und dann würde die Welt einen ihrer großen Stars verlieren!
„Hier kommt es, ich hoffe du bist bereit, geflashed zu werden!” meine Schwester machte eine ganz große Show daraus, meine Wohnung zu öffnen und sie mir zu präsentieren. Verstand ich nicht ganz, weil ich sie ja schon gesehen und auch eingerichtet hatte, aber nun gut, wenn es sie glücklich machte? Welcher große Bruder konnte seiner Schwester so etwas schon ausschlagen? „Wow, es sieht wirklich toll aus!” sie drückte den Koffer mir einem Fuß nach vorne und stolperte im nächsten Moment fast über ihn, nachdem sie sich vollkommen dumm angestellt hatte. „Du musst mir nicht sagen, dass ich einen absolut tollen Geschmack habe, Schwesterchen, das weiß ich auch so!” ich schob sie sachte zur Seite und schaute mir das Wohnzimmer, in welchem wir sofort standen, nachdem wir die Wohnung betreten hatten, noch einmal genauer an. Das letzte Mal, dass ich hier gewesen war, hatte alles noch so aufregend ausgesehen. Jetzt waren es nur leere Regale und eine schwarze Couch.
Nein, eigentlich war es ein wirklich schönes Zimmer. Das Regal stand so, das es zwei Fenster direkt umschloss und man die Fensterbank nutzen konnte. Es war aus fast schwarzem Holz gemacht und nahm die gesamte Wand ein, bis zu der Küchennische. Eine kleine Stufe weiter unten stand eine schwarze Ledercouch auf einem weißen Teppich, davor ein Glastisch und wiederum davor ein Fernsehkästchen mit exakt was darauf? Richtig, einem Wäschekorb. Der Fernseher war zwar bestellt, sollte aber in den nächsten Tagen erst kommen. Derweil hatte ich das Kästchen dazu benutzt, alle meine Socken und Unterhosen zu tragen. Was für eine ehrenvolle Aufgabe, nicht? Direkt neben der Tür, durch die wir gekommen waren, befand sich das Zimmer, welches ich als kleines Büro nutzen wollte. Darin befanden sich nur ein langweiliger Schreibtisch mit einem Bürostuhl und einigen kleinen Regalen. Wirklich nichts außergewöhnliches. Doch wenn man den kleinen Gang weiterging, der direkt an der Kochnische vorbeiging und mit dieser durch einen Durchbruch verbunden war, in welchem sich eine kleine Theke befand, kam man in meinen Lieblingsraum. Das Schlafzimmer. Es hatte ein relaitv großes Fenster an der Seite, durch welches man einen schönen Blick auf den Innenhof des viereckigen Wohnkomplexes sehen konnte und das Bad grenzte direkt daran an. In meinem Lieblingsraum befand sich ein großes, weißes Bett, ein ebenfalls weißer, flauschiger Teppich, und auch der Kleiderschrank und die Kommode waren in weiß gehalten. Das alles schien den Raum größer zu machen.
Wirklich, in diesem Moment fühlte ich mich sehr wohl hier. „Wolltest du nicht im Schlafzimmer auch noch einen Fernseher haben? Ich meine, was machst du denn, wenn du hier Mal was anschauen willst? Du nimmst doch wohl nicht dein MacBook vom Büro mit, oder?” spottete meine Schwester und ich konnte nur den Kopf über sie schütteln. Warum waren alle meine Geschwister so verwöhnt? Aber ja, ich wollte noch einen Fernseher hier haben, aber auch dieser war noch nicht angekommen, und die Handwerker, die mir meine anderen Möbel zusammengebaut hatten, hatten den zweiten Fernsehtisch vergessen und würden erst in drei Tagen kommen. Wie unprofessionell konnte man denn sein? „Ja, will ich, aber der kommt erst mit dem Anderen. Also hör auf dich zu beschweren und genieße die Schönheit dieses Zimmers solange du noch kannst, denn du wirst mich nicht mehr oft besuchen kommen.” drohte ich und warf meinen, gefühlt tonnenschweren, Koffer auf mein Bett. „Und jetzt hilf mir gefälligst mein Zeug auszupacken, dafür bist du nämlich mitgekommen, falls du dich erinnerst?” fügte och hinzu und sie gab sich mit einem seufzen geschlagen. „Ok, ist ja schon gut, ich helfe dir!” dann machte sie sich endlich an die Arbeit.
„Oh Gott, wenn ich gewusst hätte, dass du deinen ganzen Kleiderschrank mitgenommen hast, hätte ich dir niemals meine Hilfe angeboten!” Elvira ließ sich erschöpft auf die Couch fallen und wischte sich den imaginären Schweiß von der Stirn. Bei den Workouts, die sie täglich durchzog hätte es mich auch gewundert, wenn sie wirklich aus der Puste gekommen wäre. „Ich ziehe um, das ist dir schon klar? Da ist es normal, wenn man seinen ganzen Kleiderschrank mitnimmt und nicht nur mehr das, was einem gut gefällt, wie im Urlaub! Und ich will mir ja auch nicht immer alles neu kaufen, ich bin nicht Mozarts Frau, oder?” scherzte ich und sie hob den Zeigefinger. Das hatte zu bedeuten, sie hatte etwas zu korrigieren oder ein Problem mit der Art, wie ich mich ausgedrückt hatte. „Also, ich bezweifle ja für mich, ob Mozarts Frau auch ihren ganzen Kleiderschrank neu eingedeckt hat. Ich meine, das wären Kosten gewesen!” sie schüttelte den Kopf. „Ein richtiger Mann würde das seiner Frau niemals durchgehen lassen!” fügte sie noch hinzu. „Aber du musst auch sagen, der Typ war am Ende seines Lebens komplett pleite!”
ich lachte und sie nickte.
„Ja, da hast du recht. Trotzdem glaube ich das nicht, damals hat man ja auch noch einen Schneider und alles gebraucht, das wäre einfach viel zu viel Aufwand gewesen, nur weil man umzieht, tut das keiner!” versteifte sie sich auf ihre Meinung und ich konnte nur den Kopf schütteln. „Ist es jetzt nicht egal, ob die Frau von Mozart sich bei jedem Umzug einen neuen Kleiderschrank zugelegt hat? Ich meine, was hat das mit mir zu tun?” wollte ich von ihr wissen und sie zuckte nur mit den Schultern. „Ich weiß nicht, du hast das ins Leben gerufen.” dann stand sie auf und holte ihr Handy aus der hinteren Hosentasche. „Ich bestell uns was zu essen, mein Magen läuft gerade Amok!” lachte sie und dann begann sie schon, irgendeine Bestellapp aufzumachen und nach ihrem Lieblingsessen zu suchen.
Elvira liebte Sushi, während ich bei dem Gedanken daran, rohen Fisch zu essen, würgen musste. Das würde ich niemals runterkriegen! „Was willst du? Und wehe ich bekomm die Standardantwort!” drohte sie. „Pizza Funghi!” antwortete ich und im selben Moment warf sie sich auf mich und begrub mich vollständig unter ihrem Körpergewicht. „Das ist die Standardantwort du Dreckskerl!” schrie sie dabei und ich konnte mich nicht mehr vor ihren fliegenden Fäusten in Sicherheit bringen, welche sich links und rechts an meinem Bauch anbrachten, bevor sie mich durchkitzelten, als würden sie mich umbringen wollen.
„NICHT! LASS MICH!” ich strampelte und schrie, bis sie endlich locker ließ und sich erschöpft neben mich auf die Couch fallen ließ, während ich mir noch meinen schmerzenden Bauch hielt. „Du bist eine richtig grobe Tante, wenn es um Körperberührungen geht! Kein Wunder, das es noch keiner deiner Freunde lange bei der ausgehalten hat!” neckte ich und sie schüttelte den Kopf. „Wir hatten immer eine Regel im Spiel der Ironie und Beleidigungen gegeneinander. Und die war, wenn es gegen das Liebesleben oder das Körpergewicht des anderen geht, hat man die Diskussion verloren!” sie grinste mich an und diesmal war es ich, der den Kopf schüttelte. „Du lügst doch! Das mit dem Liebesleben hast du doch frei erfunden! Ich meine, wie viele Witze hast du aufgrund meines Arsches schon gemacht? Huh?” ich gab ihr einen Klaps auf den Hinterkopf und nahm ihr das Handy aus der Hand, um endlich ihre blöde Sushi-Box und meine Pizza zu bestellen, denn auch mein Magen führte sich auf, als hätte ich ihn die letzten dreißig Jahre hungern lassen.
„Vielen Dank für den schnellen Service!” meine Schwester drückte dem Boten einen zwanziger in die Hand und nahm unser Essen entgegen, bevor sie ihm die Tür direkt vor der Nase zuschlug und sich wieder zu mir setzte. Die Tüte stand vor uns auf dem Tisch und ich war noch nie von einem so guten Geruch so hungrig gemacht worden, wie von diesem hier. „Und? Was denkst du? Wird das, das erste Essen in deiner neuen Wohnung? Wir hätten Hummer bestellen sollen, nur damit kann man eine neue Wohnung feiern!” meine Schwester fasste sich an den Kopf und ich musste einfach anfangen zu grinsen. „Ach was! Schau Mal, ich hab Champagner, der geht doch bestimmt genauso gut, oder?” die Flasche hatte ich schon im Kühlschrank verstaut, bevor mein Vater und ich das letzte Mal die Wohnung verlassen hatten und auch die Gläser dafür hatte ich hiergelassen. Die würde Elvira heute wieder mit nach Hause nehmen müssen, weil meine Mutter mich wahrscheinlich töten würde, wenn sie erführe, das ich zwei ihrer besten Gläser entführt hatte.
„Oh, du bist wirklich auf alles vorbereitet, nicht?” meine Schwester lachte und nahm mir die Flasche ab, während ich die Gläser so hinhalten musste, das sie sie sofort eingießen konnte. Es würde sowieso schiefgehen und wir würden wischen müssen, aber das war ja nicht so schlimm, oder? „Eins, zwei, drei!” damit ließ sie den Korken knallen, welcher sofort in die andere Raumhälfte schoss und egal wie schnell ich ihr die Gläser hätte geben können, ich wäre immer zu spät gewesen. „Och Samuel! Was hast du nur wieder gemacht?” schimpfte Elvira spielerisch in der Stimmlage unserer Mutter und wir fingen beide an zu lachen, bevor wir anstießen. „Cheers!”.
Wir gingen unserer Tradition nach, das erste Glas immer zu exen und uns dann erst hinzusetzen und das nächste zu trinken. Aber davor musste ich noch den nassen Fleck auf dem Boden wegwischen, damit er nicht in das Holz einziehen konnte. Dann setzte ich mich zu ihr und wir konnten zusammen in alten Erinnerungen schwelgen.
„Weißt du noch, wie wir damals zusammen das erste Mal Champagner getrunken haben? Damals, auf Dads vierzigstem? Und wie sehr wir es gehasst haben?” sie nahm eines der Reisröllchen und stopfte es sich ganz in den Mund, nachdem sie es in Sojasoße getaucht hatte. „Ja, ich weiß es noch. Und wir haben trotzdem immer mehr und mehr getrunken, weil wir dachten wir sind unter den Erwachsenen cool und unseren Gleichaltrigen überlegen! Wir haben es so übertrieben, dass Mom uns ins Bett bringen musste, weil wir nicht mehr richtig laufen konnten!” ich konnte mich vor lachen fast nicht mehr auf der Couch halten. „Manchmal vermisse ich uns als Kinder.” gab meine Schwester zu und ich konnte nur nicken. „Wir sind wahrscheinlich beide der Meinung, dass wir unsere Kindheit um jeden Preis wiederholen wollen würden, oder?”.
„Ja, das sind wir definitiv. Und weißt du was? Wenn es eine Zeitmaschine geben würde, Dad würde sie uns kaufen!” sie hielt sich an meinem Arm fest und konnte einen Lachanfall nicht zurückhalten. „Du denkst genau wie ich, das er sie selbst benutzen würde um in die Zeit zu reisen, in der er und Mom noch Sex hatten, oder?” wollte ich wissen und sie fing an zu grunzen, während sie lachte und das brachte mich dazu, nur noch mehr zu lachen. Gott, dieses Mädchen war mein Nemesis! „Du Sami?” plötzlich wurde sie ziemlich ernst. So kannte ich mein kleines Mädchen nicht!
„Was ist los, Schwesterchen?” ich legte meine Hand an ihre Wange und eine
kleine Träne rollte über diese. „Wenn du nicht mehr bei mir zu Hause wohnst, dann können wir ja gar keinen Spaß mehr zusammen haben!” immer mehr Tränen kullerten aus ihren schönen, mandelförmigen Augen und ich fühlte mich schlecht, sehr schlecht, weil ich mein kleines Mädchen dazu gebracht hatte, zu weinen. „Ach was! Du kannst doch jederzeit vorbeikommen!” ich drückte ihren Kopf sanft an meine Brust, sodass sie sich daran ausheulen konnte. „Und dann müssen wir nicht in meiner Wohnung sein, wir können auch einfach draußen spazieren gehen oder uns in einem Café treffen! Was hältst du davon, huh?” ich strich ihr vorsichtig durch die Haare, nicht das ich ihr noch wehtat! Sie war sehr empfindlich bei ihren Haaren. Das war nämlich ihrer Meinung nach das schönste an ihrem Körper.
Wenn sie mich gefragt hätte, hätte ich gesagt, sie war einfach ein schönes Mädchen, nicht nur ihre Haare. „Du meinst das mit der Katze wirklich ernst?” in diesem Moment wurde ich grob nach hinten weggeschubst und sie sah gar nicht mehr süß aus. Eher wie ein Dämon, der meine Seele gleich in sich saugen würde. Oder wenn wir nach Supernatural gehen, der sich gleich in meinen Körper zwängen würde. „Ja klar! Du weißt, ich wollte immer eine Katze haben, und dieser Traum kann endlich wahr werden! Ich liebe die Dinger!” erklärte ich mich, aber das ließ sie nicht zählen. „Was soll ich denn machen, wenn mein Bruder nicht jederzeit für mich da sein kann, weil seine Wohnung voller Haare eines Tieres sind, das mich töten könnte?” warf sie mir vor und ich zuckte nur mit den Schultern.
„Sei doch jetzt nicht deswegen böse! Wir können uns immer und überall treffen, außer hier! Stell dir nur vor was für schöne Discos und Bars und Cafés wir entdecken werden!” schwärmte ich ihr vor. „Davon haben wir doch immer geträumt, als wir noch klein waren, oder etwa nicht?” hakte ich nach und sie nickte ergeben. „Du hast je recht, es ist deine Wohnung und dein Haustier, es ist deine Entscheidung. Ich habe nur irgendwie das Gefühl, du willst mich aus deinem Leben graulen!” teilte sie endlich ihre Befürchtung mit mir, „Wie bitte? Den Rest unserer Familie, Gott, ja, aber ich doch nicht! Du bist meine kleine Schwester, ich muss doch gut auf dich aufpassen! Was würdest du ohne deinen großen Bruder denn sein?” gespielt geschockt nahm ich die Hand vor meinen Mund und Elvira begann wieder zu grinsen. „Du bist wirklich ein außergewöhnlicher Mensch, Sam. Wirklich. Und irgendwann wird dir das noch zum Verhängnis, glaub mir!” dann setzte sie sich endlich wieder neben mich und kuschelte sich sogar ein bisschen gegen mich. „Weißt du, das wäre mit einem Fernseher nie passiert. Da hätten wir einfach sitzen und starren können, und wir wären nie wieder auf das Thema gekommen, Wirklich, wenn die Leute nur ein einziges Mal pünktlich hätten sein können, hätten sie uns einen großen Haufen Ärger erspart!” ließ sie sich über die Lieferanten aus. „Ein Glück für dich, das der mit dem Essen nicht so lange gebraucht hat, sonst hätte ich vermutlich dich gegessen!” führte sie den Gedankengang fort. Wie auch immer er in diese Richtung gekommen war. „Ja, ich würde es lieben, von dir gegessen zu werden. Von niemandem sonst, versteht sich!” gestand ich ihr zu und bekam prompt eine Faust gegen die Schulter. „Du bist ein Arsch Sam!” beschimpfte sie mich. „Ja, aber ich hab auch einen richtig nicen!”.
„Ok, du weißt was ich dir für morgen wünsche, nicht?” ein kleiner Kuss auf die Wange war der letzte Rest an Zuneigung, den ich von meiner Schwester noch bekam, bevor sie die Tür hinter sich zuzog und ich endlich alleine in meiner ersten Wohnung war. Wow, ich hatte mich noch nie in meinem ganzen Leben so verdammt gut gefühlt! Niemand war hier. Niemand konnte mich sehen, mir sagen was ich zu tun und zu lassen hatte und niemand konnte mich bändigen! Was tut man, wenn man das erste Mal in seinem Leben alleine wohnt? Ganz genau, man zieht sich nackt aus und rennt durch die Wohnung wie man auch auf die Welt kam. Ich meine, wer sah mich schon? Und selbst wenn, wen würde es kümmern? Niemanden, weil ich endlich alleine war! Alles, wovon ich immer geträumt hatte! Doch als ich dann wirklich nackt in meinem Wohnzimmer stand und mich umsah… war es noch immer verdammt geil, alleine und nackt in einer Wohnung zu stehen, die ich noch mit niemandem teilen musste!
Nach einer Weile saß ich dann auf meiner Couch und klickte mich ein bisschen durch Tumblr. Wenn ich nackt war und mein nackter Arsch sich schon so schön in dieses Kissen presste, musste ich doch auch wichsen, oder? Obwohl ich so schnell nichts schönes fand. Oh man, wieso musste Tumblr immer nur die guten Pornos löschen? Das war unfair!
Frustriert legte ich mein Handy beiseite und beschloss, mich in mein Bett zu kuscheln und morgen den neuen Tag zu begrüßen. Ich war sehr gespannt auf die Uni, und wie das alles ablaufen würde. Aber andererseits war es auch ziemlich abschrecken, daran zu denken, dass ich morgen wirklich mein Studium beginnen würde. Das war ein neuer Teil meines Lebens, der hoffentlich sehr aufregend sein würde. Oder auch nicht, ich mochte keine Aufregungen. Es konnte lustig werden, oder eine totale Katastrophe. Wer wusste das schon?
Am nächsten Morgen saß ich ganz alleine in meinem Wohnzimmer und aß Cornflakes. Ich war noch immer nackt, warum auch was anziehen, bevor man aus dem Haus ging? Meine Schwester hatte mir schon auf WhatsApp geschrieben, ob ich mich schon schlecht fühlte, so alleine. Für einen kurzen Moment legte ich mein Handy beiseite, ging in mich und nein, ich fühlte mich noch immer toll! Der Schritt den ich getan hatte war riesig, aber er hatte sich gelohnt! Zumindest für den Moment.
Was zog man an seinem ersten Tag an der neuen Uni an? Das wichtigste waren natürlich die Boxershorts, die meinen Arsch schön zur Geltung bringen konnten. Ich entschied mich für Calvin Klein. Da gab es diesen tollen Witz von wegen: „Es ist immer das drin, was drauf steht.” aber das verletzte mich schon lange nicht mehr. Ich wusste, das ich einen unterdurchschnittlichen, kleinen Schwanz hatte, aber das war Ok. Meine sexuelle Neigung bewahrte mich davor, dieses Geheimnis irgendeinem Mädchen zu offenbaren, welches von mir verlangte, beglückt zu werden. Denn wenn alles nach Plan lief würde irgendwann einmal ich beglückt werden, wenn man das so sagen durfte. Während ich noch über meine Defloration nachdachte, musste ich mich gleichzeitig beeilen, um nicht zu spät zu kommen. Sowas durfte man sich am ersten Tag der Uni nicht leisten!
Und ich leistete es mir auch nicht, ich war pünktlich. Auch wenn es sich wirklich nicht gelohnt hatte, herzukommen, für einen Tag voller Informationen, die jeder hier hätte haben können, wenn er, wie ich, die ganzen Blätter die sie einem per E-Mail geschickt hatten, gelesen hätten. Vielleicht wäre ich einfach doch lieber zu Hause geblieben, dann hätte ich mich nicht mit so vielen blöden Menschen rumärgern müssen, die mir die ganze Zeit nur im Weg gestanden hatten. „Du siehst genauso angepisst aus wie ich! Gefällt mir!” ein Mädchen setzte sich zu mir an den Tisch und ich wäre am liebsten gleich wieder gegangen, und normalerweise hätte ich auch die Eier dazu gehabt, allerdings trug sie ein T-Shirt auf welchem: ´Ich hasse Menschen` stand, und das machte sie für mich ziemlich sympathisch.
„Ich bin Luna. Wir sind im selben Kurs. Architektur?” sie hielt mir ihre Hand hin. Na, für eine Misanthropin war sie aber ziemlich kontaktfreudig! „Samuel. Und ja, ich studiere Architektur.” gab ich zu und sie quiekte begeistert auf. Das erinnerte mich irgendwie an mein Meerschweinchen, welches damals von meinem Bruder aus ´Versehen´ getreten wurde und dann durch das ganze Wohnzimmer flog. Das hörte sich genauso an. Naja, zumindest bis es gegen die Wand schlug. Es hat wirklich ewig gedauert das zu weißen!
„Oh, du siehst so jung aus! Bist du hochbegabt oder sowas?” hakte sie weiter nach und mittlerweile hatte sie sich auch hingesetzt, sodass ich sie so schnell sicher nicht mehr losbekommen würde. „Nein. Ich bin zweiundzwanzig und ich weiß, das ich nicht meinem Alter entsprechen aussehe!” ich atmete schwer aus und sie zuckte mit den Schultern. „Sei doch froh. Meine Mutter sagt immer, sie würde gerne jünger aussehen.” erzählte sie. „Ja, siebzigjährige wünschen sich sowas schon Mal. Ist doch verständlich.” gab ich zurück. Das war vielleicht etwas gemein, weil sie nur versuchte, nett zu sein, aber ich wollte nicht, das sie nett war. Mein Tag war echt scheiße, und ich musste den Frust irgendwo ablassen! „Oh, du bist gut, gefällt mir.” sie zwinkerte mir zu, aber ich ließ sie sofort abblitzen. „Ich steh nicht auf ältere, sorry. Ab sieben Jahren nach oben ist echt Schluss.” dabei zwinkerte ich ihr gespielt zu und stand dann mit meiner Tasche auf, um mich irgendwo hinzusetzen, wo mich niemand mehr stören würde.
„Wie war der erste Tag an der Uni? Liebst du es schon?” hörte ich die Stimme meiner Schwester aus dem Hörer des Telefons. „Es war ganz Ok. Nichts, was ich nicht eh schon wüsste. Und nein, ich liebe es nicht. Weißt du aber, was mir aufgefallen ist, nachdem ich gerade deine Stimme gehört habe?” wollte ich wissen und ich konnte sie vor meinem inneren Auge den Kopf schütteln sehen. „Was ist dir denn aufgefallen, großer Bruder?” fragte sie und ich begann zu lachen. „Das ich deine Stimme wirklich noch gar nicht vermisse!” neckte ich sie und setzte mich auf die Küchenzeile. „Ach was, das kommt schon noch, warts nur ab, es wird dich überrollen, wie eine Lawine und du wirst nicht darauf vorbereitet sein!” drohte sie mir, aber ich konnte sie kaum ernstnehmen.
„Ist denn wirklich nichts interessantes passiert, von dem du mir erzählen könntest? Sonst erzähle ich dir, was ich heute beim shoppen gefunden habe!” drohte sie und ich begann so schnell es geht auf das Mädchen von heute Mittag umzulenken. „Doch, da war dieses Mädchen, mit dem hab ich mich unterhalten. Naja, unterhalten kann man nicht sagen, mehr so… Naja, du weißt schon, ich hab sie mit meinem Humor zerstört.” gab ich zu.
„Ach was! Als könnte dein Humor jemals jemanden wirklich verletzen! Sie hat wahrscheinlich nur verletzt getan, weil sie wollte, dass du dich gut fühlst!”.
„Bitte? Wie kommst du denn darauf?” empört verschränkte ich die Arme vor der Brust und sie lachte. „Naja, schau dich doch Mal an. Du könntest niemanden wirklich verletzen, weder mit deinen Worten, noch mit deinen Taten, du bist einfach viel zu süß, um dich nicht zu lieben!” stichelte sie weiter. „Und jetzt kommen wir zu der wundervollen Tasche, die sich seit geraumer Zeit in meinem Besitz befindet!” sie quiekte und ich begann Störgeräusche zu imitieren. „Tschüss Elvira. Tut mir leid!” verabschiedete ich mich von ihr und legte dann auf. Puh! Dem war ich doch noch ganz knapp entkommen!
Mittlerweile war es draußen schon dunkel, so lange hatte ich mich davor gedrückt, meine Schwester anzurufen. Eigentlich hatte ich sie am Ende immer noch nicht angerufen, ich wurde von ihr angerufen. Also war ich der von uns, der den anderen weniger brauchte. Aber nein, wirklich, ich brauchte sie nicht. Eigentlich brauchte ich kaum jemanden in meinem Leben wirklich. Nur mich, gute Pornos und was Süßes, dann war ich glücklich. Naja, vielleicht könnte ich auch irgendwo Platz für einen richtigen Mann schaffen. Einen, der mich am Abend im Arm hielt und mit mir vor dem Fernseher kuschelte, sodass ich behütet von seiner Wärme einschlafen könnte und er würde mich erst wieder aufwecken, wenn er Sex mit mir haben wollte. Und er würde ihn so oft haben dürfen, wie er wollte, denn er war mein Mann, und der konnte sich von mir alles nehmen was immer er wollte.
Und im Gegenzug würde ich meine Liebe bekommen. Diese kleinen Dinge, wie das Rückenwaschen beim Duschen zum Beispiel. Oder den morgendlichen Satz, ich solle vorsichtig fahren. So etwas waren Dinge, die mein Traummann in meinen Vorstellungen immer zu mir gesagt oder mit mir getan hatte. Manchmal fragte ich mich, ob ich überhaupt eine Chance bei irgendeinem Mann hatte. Dann wurde mein Arsch auf einmal hässlicher, die Beine kürzer, ich fühlte mich weniger hübsch als ganzes Paket. Und von meinem Charakter musste man gar nicht erst anfangen. Ich war schrecklich mit dem schwarzen Humor und allem, was ich so auf die Spitze und weit darüber hinaus trieb. Wenn ich dann wenigstens interessante Hobbys hätte. Wenn man sagen konnte: ´Ich liebe es zu tanzen´ war das immer noch besser, als ehrlich sagen zu müssen: ´Ich hab eigentlich keine richtigen Hobbys, ich schaue viele Serien und sowas´. Mit solchen Sachen konnte man sich kaum interessant machen. Oder attraktiver.
Doch es gab noch eine Sache, über die ich immer wieder nachdachte. Was wäre, wenn ich nicht schwul wäre? Hätte ich es dann leichter, jemanden zu finden? Auf jeden Fall! Aber wäre ich mit einer Frau an meiner Seite wirklich glücklich? Ich hatte immer einen Mann gewollt, der mich liebt und ehrt, doch was wenn es sowas nicht in männlicher Form für mich gab? Oder wenn er mich niemals fand? Wäre es denn nicht einfacher, sich einfach mit einer Pussy zufriedenzugeben?
An manchen Tagen dachte ich dann an meine Mutter, welche mir immer nahegelegt hatte, mich zu lieben und als erstes immer auf meine eigenen Bedürfnisse zu achten. Und dieses Bedürfnis verlangte nach einem Mann. Einem richtigen Mann. Einem, der mir die Welt und wenn nötig das ganze Universum zu Füßen legte. Ja, so einen würde ich haben wollen. Und irgendwann würde dieser Traum Realität werden!