Verstehe deine Feinde:
Trotz der seltsamen Umgebung streckten sich die drei Schüler irgendwann dennoch aus – Blaze musste dafür nur seinen neuen Rollstuhl umstellen – und schlossen die Augen. Wirklich sicher fühlte Mortimer sich allerdings nicht. Karo war von Asmodai gerufen worden und musste auf der anderen Straßenseite schlafen. Während er so tat, als würde er tief und fest schlafen, dachte er darüber nach, wie sie Karo befreien könnten.
Er fuhr zusammen, als sein Handgelenk plötzlich vibrierte. Sofort saß er kerzengerade im Gras.
Eine Sekunde später verstand Mo, dass es sich um seinen Sender handelte, der mit leisem Brummen ein Signal gab. Mortimer griff die Uhr und ließ den Bildschirm aufleuchten.
`Eingehender Anruf´, stand da.
Kassandra und Blaze waren durch Mos plötzliche Bewegung aufgewacht (falls sie denn überhaupt geschlafen hatten). Sie beugten sich vor, als Mortimer auf `Antworten´ drückte.
„Hallo?“, fragte er.
„Mortimer?“, drang die Stimme von Samstag ein wenig verzerrt aus dem Lautsprecher.
„Sam!“, rief Kassie erfreut.
„Seid ihr allein? Könnt ihr reden?“, fragte Samstag und klang gehetzt.
Blaze sah sich um. „Ifrit und Asmodai scheinen zu schlafen.“
„Sehr gut“, sagte Sam. Mortimer hörte, dass er lächelte. Es gab ihm so viel Mut, Sams Stimme zu hören – zu wissen, dass ihre Meister noch irgendwo da draußen waren und sie retten würden.
„Wo befindet ihr euch?“, fragte jetzt eine neue Stimme, die Mortimer schnell als die von Elizabeth erkannte. Die drei Schüler berichteten knapp und deutlich von ihrer Umgebung und von den Ereignissen des Tages: Wie Kassie ihre Waffen verloren und sie zu dritt das gewaltige Nashorn ausgeschaltet hatten.
„Asmodai und Ifrit halten sich noch zurück“, analysierte Elaine. Dem Stimmengewirr am anderen Ende der Leitung nach zu urteilen, hatten sich beide Teams und Anna van Helsing zu dem Gespräch versammelt. Mortimer stellte sich einen Moment vor, wie die sieben Leute sich über die Uhr an Sams Handgelenk beugten.
„Karo meinte, dass der Park als nächstes dran ist“, sagte Kassie ruhig.
„Dann müsst ihr acht geben. Ich denke, dass ihr spätestens jetzt dem Monster dort begegnen werdet. Bisher hatten wir Glück“, sagte Sam.
„Das klingt ja beruhigend“, murrte Blaze.
„Ihr schafft das“, versprach Elizabeth. „Versucht, Kassies Waffen zurückzubekommen. Wir werden versuchen, euch etwas zukommen zu lassen, an dem Andy arbeitet.“
„Es dauert aber noch“, ließ sich jetzt der Genannte vernehmen.
„Wie wollt ihr uns denn hier etwas schicken?“, fragte Kassie. „Ich habe bisher noch kein DHL-Auto gesehen!“
Auf der anderen Seite erklang das Kichern von Sam. „Das ist eine gute Idee. Haltet einfach die Augen offen. Uns wird schon etwas einfallen.“
Mit hochgezogenen Augenbrauen tauschten die drei Schüler ein paar verwirrte Blicke. „Haltet die Augen offen!“, flüsterte Kassie leise. „Das ist so leicht gesagt!“
„Es klingt aber so, als würden die Geschwister euch noch nicht angreifen, stimmt das?“, fragte Sam dann.
„Ja. Sie … plaudern nur“, erklärte Mortimer.
„Das ist ganz normal“, erklang jetzt die Stimme von Anna van Helsing. „Sie werden euch zu manipulieren versuchen. Und sie werden irgendwann angreifen, wenn ihr nicht damit rechnet. Seid also immer wachsam!“
„Wir suchen uns einen Weg in ihre Welt“, sagte Sam jetzt ernst. „Wir sind nicht weit entfernt. Wenn Asmodai und Ifrit uns nicht bemerken, können wir euch vielleicht retten, bevor ihr überhaupt zu den letzten Hotels kommt.“
„Das hoffe ich“, sagte Kassie leise. Mortimer wurde bewusst, dass sie diesmal weniger Zeit als davor hatten. Er warf einen Blick in den Himmel. In dieser Welt herrschte immer Sonnenschein, obwohl es der Zeit nach Nacht sein musste.
„Und versucht, Karo zu helfen“, sagte Elaine plötzlich. „Es könnte einen Weg geben, ihre Seele zu befreien, wenn ihr Asmodai in eine Art Falle lockt. Vielleicht könnt ihr ihn dazu bringen, um Karo zu spielen. Die Geschwister lieben Herausforderungen, beide. Aber sie spielen nur mit, wenn sie glauben, gewinnen zu können.“
Mortimer warf einen Blick zu Max und Karo herüber, die nahe bei Asmodai und Ifrit saßen.
„Wir tun, was wir können“, sagte er mit fester Stimme.
„Seid unbedingt vorsichtig“, sagte Anna van Helsing. „So ein Spiel um Seelen ist ein großes Risiko. Ihr dürft sie nicht unterschätzen.“
„Wahrscheinlich betrügen sie auch“, brummte Mo.
„Nein, sie halten sich ausnahmslos an die Regeln“, erklärte Anna van Helsing zu ihrer allgemeinen Überraschung. „Aber sie wissen meist mehr als du, und auf Glücksspiele würde ich mich mit ihnen niemals einlassen.“