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MARIE
Erinnerungen an diesen einen Tag,
an dem ich meinen Seelenverwandten getroffen habe.
3 Jahre VOR dem Anfang vom Ende
„Boah Alina. Du musst aufhören, mich so zum Lachen zu bringen. Ich kann nicht mehr. Mein Gesicht ist schon taub.“
Ihre Augen sind ebenso gerötet wie meine. Wir haben die ganze Fahrt über, darüber gesprochen, wie sie dieses Wochenende verbracht hat. Darüber, dass sie ein vollkommen verrücktes Date hatte. Jetzt sitze ich noch immer am Beifahrersitz und halte meinen Bauch, weil er schon so weh tut.
„Ich sags dir. Die Schuhe würde nicht mal meine Oma anziehen. Und dann noch ein Mann. Weißt du. Ein Mann?“ Sie blickt mich entsetzt an und ich kann nicht aufhören mir vorzustellen, welchen Blick sie ihm dabei zugeworfen hat. „Genau genommen ist er nicht mal ein Mann. Welcher Mann trägt schon Leoparden-Slipper?“
Ich kriege mich kaum mehr ein. Sie erzählt es so ernsthaft und ist noch immer so entsetzt darüber.
„Alter. Fucking. Leoparden- Slipper.“
„Alina du musst aufhören. Ich krepier hier gleich.“
Wir halten am Parkplatz von unserem Lieblingscafe und sie stellt den Motor ihres alten Toyotas ab. Noch immer ist dieses Lächeln auf unseren Gesichtern. Ihre grünen Augen und das Basecap, dass sie am Kopf trägt und somit ihre schwarzen kurzen Haare darunter versteckt, macht es noch witziger. Sie würde nicht einmal daran denken, irgendetwas mit Leopardenmuster zu tragen. So wie sie sicherlich auch nie ein Kleid tragen wird. Alina ist einfach Alina. Meine verrückte beste Freundin, die mich nie im Stich lässt und immer für mich da ist und sich eher an einen gemütlichen, nicht allzu weiblichen Kleidungsstil hält.
„Es wird Zeit, dass du dich auch mit Jemanden triffst und mir dann deine Geschichte erzählst. Du kannst nicht ewig Jungfrau bleiben.“ Ihre Miene gibt mir zu verstehen, dass sie es ernst meint. Sie macht sich schon seit Jahren Gedanken über meine Jungfräulichkeit, auf die ich bis jetzt immer gut aufgepasst habe. Ich will nicht, dass es irgendjemand ist.
„Ich will auf den Einen warten.“
Sie schüttelt lächelnd ihren Kopf und blickt in mein Gesicht.
„Du bist achtzehn. Wie lange willst du denn noch warten? Du weißt schon, dass auf deinem Grabstein stehen wird: Ungeöffnet zurück.“
Es ist irgendwie noch lustiger, weil ich meine Hände auf meinen Bauch habe und es schon so weh tut, dass ich sogar über die Schmerzen lachen muss.
„Du bist so doof.“
Ich schüttle meinen Kopf und will gerade nach meiner Handtasche auf dem Rücksitz greifen, als ich ein lautes quietschendes Geräusch höre. Bevor ich weiß, was geschieht, spüre ich diesen dumpfen Schlag. Höre ein Krachen. Glas zersplittern. Schreie. Ich weiß nicht, ob es die meinen sind oder die von Alina. Oder auch von Jemand anderen. Ich versuche mich zu bewegen. Ich kann nicht. Ich habe Schmerzen. Irgendetwas hindert mich daran, dass ich mich zu Alina drehen kann. Ich versuche mich zu konzentrieren. Versuche all meine Kraft zusammen zu nehmen und drehe meinen Kopf in ihre Richtung. Versuche sie auf dem Fahrersitz ausfindig zu machen. Doch es gibt keinen Fahrersitz mehr. Alles ist woanders. Alles ist dunkel. Ich finde sie nicht. Ich rufe ihren Namen. Immer wieder. „Alina. Alina.“ Doch meine Stimme versagt. Sie wird leiser. Die Schmerzen lauter. Rauch kriecht in meine Nase. Ich versuche mich zu bewegen. Versuche irgendetwas zu bewegen. Doch ich kann mich nicht bewegen. Ich kann nicht einmal meine Finger bewegen, ohne dabei Schmerzen zu fühlen.
Plötzlich spüre ich einen erneuten Schmerz, als sich Hände um meine Taille schließen und mich mit einer ruckartigen Bewegung, aus diesem Wagen ziehen. Die Schmerzen, die ich dabei fühle, lassen mich einen lauten Schrei über meine Lippen bringen. Bevor ich der Dunkelheit so nahe bin, dass ich nur noch ein verschwommenes Bild vor meinen Augen wahrnehme. Augen die mich betrachten und eine tiefe Stimme, die mir immer wieder sagt „Nicht aufgeben. Du musst durchhalten. Du schaffst das“.
Doch die Dunkelheit übernimmt mich dennoch. Sie saugt mich in sich auf und für einen Moment fühle ich so etwas wie Frieden. Ruhe. Stille. Bevor ich diese Stimme erneut höre und meine Augen öffne und dieses Mal die Farbe der Augen genau wahrnehme. Sie sind grün mit ein paar grauen Sprenkel darin. Er lächelt. Ein Lächeln, dass mir ein klein wenig von meinen Schmerzen nimmt, bevor ich in eine Traumwelt abdrifte.
An diesem Tag habe ich meine beste Freundin verloren.
An diesem Tag habe ich meinen Seelenverwandten getroffen.