Narichre Tanide. Versteht die verborgenen Mysterien ihrer Werke und ihr werdet anfangen zu lernen, die Welt und ihre Wunder zu begreifen.
Zitat Dedans
Abwartend sah Davror seinen Bruder an, doch dieser fragte zunächst: „Sind wir alleine?“.
Als Davror nickte, fuhr er fort: „Du darfst niemandem trauen.“.
Für einen kurzen Moment fühlte sich der junge Herzog in die Vergangenheit zurückversetzt, auch wenn es damals Beera gewesen war, der ihm das Gleiche gesagt hatte. Für einen Moment war er versucht, dieselbe Frage wie damals stellen, unterließ es jedoch, weil er die Antwort schon kannte.
Es brannte dasselbe verzweifelte Feuer in den Augen seines Gegenübers wie schon vor fünfzehn Jahren, als er versucht hatte, eben diese Flammen zu ersticken. Doch noch war das Feuer niedrig, nur ein Schatten des damaligen Seins.
„Was hast du gesehen?“, fragte er bedächtig, als ob er die Antwort hinauszögern wollte.
„Gehört.“, verbesserte Hiskijar ihn. „Prinz Jamlek strebt nach dem Thron und wie es scheint auch recht erfolgreich. Immerhin hat er es vermocht, den Kronrat gegen die Zwillingsreiche auszuspielen.“.
„Er hat Havinon umgebracht?“. Entsetzt betrachtete Davror seinen Gesprächspartner, „Und was ist dann mit Alsra?“.
„Sie wurde rechtmäßig an Prinz Elieser von den Zwillingsreichen gegeben.“, entgegnete dieser völlig ruhig, „Ich war dabei, als die Ehe geschlossen wurde.“. Er ballte die Hand zur Faust und in seinen Augen loderte der Zorn auf. „Und ich erlebte ebenfalls mit, wie Herzog Havinon starb. Und ich sage dir, dass diesen Tod nicht König Förelier befohlen hatte. Dieser Tod ist Jamlek zu verdanken.“.
Davror schüttelte nur immer wieder den Kopf. Er hatte geahnt, dass die Zwillingsreiche nichts mit Havinons Tod zu tun hatten, doch hatte er eher an einen dummen Zufall als an einen geplanten Mord gedacht.
„Ich muss die Anderen warnen. Nicht, dass noch einer…“.
„Was ist mit dir los? Denk nach.“. Ungeduld klang nun deutlich aus Hiskijars Stimme hervor und Davror wich einen Schritt zurück, als er den drohenden Wutausbruch bemerkte.
Doch blieb sein Bruder vergleichsweise ruhig, auch wenn sein Zorn mitschwang. Es schien, als ob er in den fünfzehn Jahren, die sie sich nicht gesehen hatten, nicht der Einzige gewesen war, der sich verändert hatte.
„Meinst du Jamlek hätte diesen Schritt gewagt, wenn er nicht mächtige Unterstützer gehabt hätte? Männer im Rat des Königs?!“.
Für Davror brach eine Welt zusammen. Er sackte nieder und blickte auf den Boden.
„Sie haben dem Thron und dem Reich die Treue geschworen.“, meinte er mit einem Rest von Protest in dem verzweifelten Versuch sein Weltbild wieder herzustellen.
„Dem Thron und dem Reich?“. Hiskijar schnaubte verächtlich. „Sie dienen alleine ihren eigenen Interessen. Es sind Träume von Macht, Einfluss und Reichtum, die sie leben und nichts Anderes.“.
„In meinen Büchern stand ni…“.
Erneut schnaubte Hiskijar und die Verachtung drang Davror durch Mark und Bein.
„Meinst du es gibt so etwas wie freie Autoren? Was glaubst du, warum Dedan Artherg verlassen hat?“. Einen Moment schwieg er, dann fuhr er voller Zorn fort: „Er wurde verbannt, weil seine Texte zu kritisch wurden und seine Werke wurden größtenteils vernichtet.“.
„Aber wer aus dem Rat würde so etwas tun?“, fragte er leise.
„Alle.“, antwortete sein Bruder unverzüglich, „Havinon mag eine der bewundernswerten Ausnahmen gewesen sein, doch fällt er nicht länger ins Gewicht.“.
„Aber warum?“. Verzweiflung ließ seine Stimme schriller werden, doch war ihm diese Nachricht schier unbegreiflich.
Hiskijar seufzte und lehnte sich gegen die Wand, wenn auch seine Augen weiterhin achtsam hin und her blickten und seine Hand weiterhin auf dem Knauf seines Säbels ruhen blieb.
„Ich schätze, dass Alemet der eigentliche Verbündete von Jamlek ist und dazu braucht es nun wirklich keine Erklärungen.“.
Als Davror nichts erwiderte, fuhr er fort: „Seine einzige Schwester Syrela starb bei der Geburt ihres Sohnes – Jamlek. Obwohl Jamlek verkrüppelt war, akzeptierte Alemet seinen Neffen als nächsten Thronfolger. Anscheinend sah er etwas in diesem Kind, das ihn seine Schwester wieder finden ließ. Dass Jerimot den Sohn seiner zweiten Frau als Erben einsetzte, war für ihn eine tödliche Beleidigung. Zwar heiratete Jasreel seine Tochter Syrela, doch dar der Kronprinz diese bekanntermaßen meidet und nicht sonderlich schätzt, wurde die Problematik eher noch verschärft. Alemet hat einen sehr guten Grund, seinen Neffen als König zu wünschen.“.
Dies klang immerhin nachvollziehbar. Alemet und Jasreel hassten einander, obwohl sein Freund normalerweise wunderbar mit Menschen auskam.
„Asriel dagegen strebt nur nach Macht und Einfluss. Wie du weißt, ist sein Geschlecht ein relativ junges Herzogshaus und dementsprechend versucht er alles, um in den Kreis der großen Häuser aufgenommen zu werden.“.
„Aber was bewirkt es, wenn er den König verrät?“.
„Was Asriel angeht, war König Jerimots Politik ebenfalls äußerst unklug. Denn der Herzog von Asea strebt vor allem danach, in die Königsfamilie einzuheiraten. Dass der König nach dem Tod seiner ersten Frau die Schwester von Herzog Setam von Noriom ehelichte – ein mit Asea verfeindetes Haus – war für ihn ein Schlag ins Gesicht. Als Jerimot dann auch noch seine Töchter an Tarea und Garyt gab, muss es für ihn noch schlimmer geworden war. Ich denke, dass er Tarea durchaus akzeptieren konnte, aber Garyt? Asea ist deutlich größer und reicher, zudem ein Kurfürstentum. Und dann hat er keine Provinzen als Lehen erhalten.“.
„Asriel war immer so freundlich zu mir.“. Ein leiser Rest von Protest und Hoffnung, dass all dies eine Fehleinschätzung seines Bruders war, blieb.
Hiskijar lachte auf.
„Er wollte auch etwas von dir.“. Kurz tippte er Davror gegen die Brust. „Denn du bist der einzige aus dem Kreis der Kurfürsten, welcher Jamlek gefährlich werden kann.“.
„Wieso ich?“. Er verstand seine Welt nicht mehr. Wie hatte sie in diesen paar Monaten nach dem Tod seines Vaters nur so kompliziert werden können?
„Du hast Recht. Im Rat der Herzöge bist du nicht von Gefahr, da er die Mehrheit der Stimmen auf seiner Seite hat.“.
„Das hat er doch nicht.“, unterbrach er seinen Bruder. „Beera und Jasreel sind ebenfalls da.“.
Nun wurde Hiskijars Stimme ruhig und zugleich todernst. „Glaubst du ernsthaft, dass Jasreel und Jerimot das Ende dieses Feldzuges erleben werden? Und Beera…Ich bezweifle, dass er auf Seiten Jamleks steht, doch steht er ebenso wenig auf der Seite des Königs, sondern nur auf seiner eigenen – vielleicht auch auf der des Reiches.“.
„Dann muss ich den König und seinen Sohn warnen.“. Schon wollte er aufspringen, doch bat sein Bruder ihn mit einer Handbewegung, sich zu setzen.
„Hör mir bis zum Ende zu.“.
Davror gehorchte, auch wenn er nun vor Ungeduld erbebte.
„Du bist das Oberhaupt des einflussreichsten und größten Herzogtums und Kurfürstentums Arthergs, dies ist der eine Punkt. Die Männer Tareas mögen den Ausschlag geben. Und dann gibt es da noch deine Frau.“.
„Was hat Amasa damit zu tun?“.
„Sie ist die Tochter des Königs und da Jasreel keinen Sohn hat und Hawila tot ist, wäre Amasas Sohn Jasreels Erbe.“.
„Meine Frau ist schwanger.“, flüsterte er leise, zum ersten Mal das Ausmaß der Gefahr begreifend, in der er und seine Familie schwebten.
„Richtig und der Sohn, den sie eventuell dort trägt, hat nach Jasreels und Jerimots Tod Anspruch auf die Königskrone. Und da Jamlek aus der Thronfolge ausgeschlossen wurde, wäre dein Sohn der nächste König.“.
„Mein Sohn.“, wisperte Davror. Für ihn war es nur ein Wunder des Lebens – doch für Jamlek eine Bedrohung. Immer angenommen Hiskijars Worte entsprachen der Wahrheit.
„Und was soll ich jetzt tun?“. Auf einmal war er so hilflos geworden und die Sorge um seine Frau und seine Kinder sprengte schier sein Herz.
Auch auf Hiskijars Gesicht spiegelte sich nun ein Ausdruck von Unwissenheit und Zweifel wieder.
„Ich weiß es nicht.“, gestand er. „Doch wenn deine Frau tatsächlich einen Sohn gebären sollte, musst du ihn verbergen, ihn in Sicherheit bringen und neben den Gräben deiner Vorfahren muss auch ein kleiner Junge sein Grab finden, um den Schein aufrecht zu erhalten.“.
„Ich muss Jasreel warnen.“, entschloss er sich und zu seinem Erstaunen hörte er keine Widerworte.
Als er zu seinem Bruder sah, fand er diesen nachdenklich und völlig in sich versunken dar, doch wurde sein Gesicht von einem großen, unaussprechlichem Schmerz verdunkelt. Vielleicht bemerkte er, dass Davror ihn beobachtete oder er beendete seine Gedanken einfach, jedenfalls sah er nach oben. Doch an dem Versuch eines Lächelns scheiterte er kläglich, schließlich meinte er nur: „Ich hoffe, dass du das vermagst, was mir nicht möglich gewesen ist. Ich habe es nicht vermocht, meine Familie vor dem Tod und dem Leid zu bewahren, vielleicht ist dir dort mehr Glück beschenkt.“.
Dies war das erste Mal, dass Davror das Ausmaß des Leidens sah, welches Hiskijar seit Jahren mit sich trug. Er wusste, dass die Frau und die Tochter seines Bruders am Typhus gestorben waren und sein Sohn gefallen war, doch war ihm nie bewusst gewesen, wie sehr er seine Familie geliebt hatte.
Doch verschwand der Schatten der Trauer und es blieb nur diese unnachgiebige Härte zurück.
Einen Moment wirkte Hiskijar unschlüssig, dann trat er auf Davror zu und umfasste seinen Unterarm.
„Leb wohl, Bruder.“.
„Dir viel Glück.“, wünschte auch der Herzog.
„Das gibt es nicht.“, erwiderte dieser und wandte sich um, „Das Leben ist das, was wir aus ihm machen.“.
Ein letztes Mal nickte er, dann verschwand er in den Schatten des Turms.
Einen Moment saß Davror still auf seinem Stuhl, dann stand er auf und ging in die große Halle. Ein Diener sprang vom Boden auf, den er zuvor gefeudelt hatte und verneigte sich vor seinem Herrn.
„Such mir Niendor und sag ihm, dass er seine besten Männer bereit machen soll, dann befehle Stallmeister Djavinos, dass er seine besten Pferde für meine Wache, sowie meinen Rapphengst, satteln lassen soll.“, trug er ihm auf.
„Jawohl, Durchlaucht.“.
Der junge Mann ließ seine Arbeit liegen und lief davon, um den Anführer von Davrors Wache und seinen Stallmeister aufzuwecken.
Sein Herr dagegen stieg die Treppe wieder hoch. Als er die Schlafkammer seiner Töchter erreichte, zögerte er einen Moment, dann führte er seinen Weg jedoch fort.
Vorsichtig öffnete er die Tür, welche zu seinen Gemächern und denen seiner Frau führte.
Bis auf das leise Knistern der Flammen im Kamin, regierte hier die Stille. Leise durchquerte er den Raum und trat durch die dicken Vorhänge zu dem Bett, in dem Amasa schon schlief. Lächelnd betrachtete er seine Gemahlin, die sich nun verschlafen räkelte.
„Bist du fertig?“, fragte sie.
Als er nicht antwortete, setzte sie sich auf und betrachtete ihn gründlich.
„Was ist passiert?“.
„Ich muss nach Mearis.“, erklärte Davror, „Mein Bruder war da und er hat mir wichtige Sachen berichtet, denen ich auf den Grund gehen muss.“.
„Hast du geträumt? Niores ist tot.“. Sorge verdunkelte ihr schönes Gesicht und sie streckte die Hand nach ihm aus.
Unwirsch schüttelte er den Kopf. „Nicht Niores, einer meiner Halbbrüder. Er heißt Hiskijar, du wirst ihn nicht kennen.“.
„Bist du sicher, dass du ihm trauen kannst?“, wollte sie, nun endgültig wach, wissen. Ihr Haar fiel ihr zerzaust ins Gesicht und in ihren Wimpern hing noch Schlaf, doch konnte sie für Davror nicht zauberhafter aussehen, als in diesem Moment. Und doch umklammerte die Angst, die mit Hiskijars Worten seine Welt erobert hatte, sein Herz. Kalt und tödlich ließ sie ihn erbeben und als er seine Frau so sah, wurde ihm erneut bewusst, wie viel er eigentlich verlieren konnte.
„Ja.“, antwortete er zerstreut. „Das bin ich.“.
„Dann ist es gut.“, erwiderte Amasa und nickte. Ein zartes Lächeln schob sich um ihre Mundwinkel. „Ich werde dich mit den Mädchen erwarten.“.
Dann stand sie auf, wobei die Decke ihr von den Schultern rutschte und Davror sah, dass sie nur in ein dünnes Hemd gehüllt war. Amasa war kleiner als er und so musste er auf sie herabsehen. Doch als er sie küsste, beugte er sich auf ihre Höhe. Er fing ihren Geschmack ein und bewahrte ihn auf, um sich in Mearis daran zu erinnern können, was Liebe war. Denn in den Hallen des Königs ging es nur um Macht und mit Liebe und Freundschaft wurde gespielt.
Zärtlich strich er ihr eine Haarsträne aus dem Gesicht und fuhr mit den Fingern ihre Gesichtszüge nach.
Amasa drückte seine Hand und hielt sie fest. „Versprich mir, dass du auf dich achtest.“.
„Das werde ich.“, versprach Davror seiner Frau. Vorsichtig legte er seine Hand auf ihren Bauch, der noch flach und unscheinbar war. Doch regte sich, in ihm verborgen, der Keim des Lebens, ein Keim, der noch nicht geboren, schon zur Gefahr wurde.
„Dann pass du auf euch auf.“.
„Das werde ich.“.
Ein letztes Mal drückte er ihr einen sanften Kuss auf die Stirn, dann wandte er sich um, damit der Kronprinz vor seinem Halbbruder gewarnt wurde.
Linovèn sah auf und erhob sich von ihrem Sitzplatz. Hadassa und die beiden Hersor beobachteten sie aufmerksam. Auch Hadassa bemerkte es nun in dem sanften Pulsieren des Boden: jemand kam näher.
Dann erschien urplötzlich ein Mann vor ihnen. Hadassa knurrte, doch da die Elbe keine Anzeichen von Überraschung zeigte, blieb sie ruhig.
„Und? Was sagt der Herzog?“.
„Klüger und vernünftiger ist er in den letzten Jahren nicht unbedingt geworden.“, knurrte dieser und begab sich zu ihnen in den Schatten des Hügels. Falls er überrascht war, die Fremden anzufinden, zeigte er es nicht.
Hadassa dagegen betrachtete ihn genau. Was sie sah, war ein Krieger und ein Mann, der von Schmerz und Trauer gezeichnet war, ein Mann, der bereit war, zu kämpfen. Und das gefiel ihr, sie konnte mit Kriegern sehr viel mehr anfangen, als mit Wissenschaftlern.
„Aber ja.“, antwortete er, „Ich habe einen Verbündeten gefunden, wenn man sich auch Fragen über seinen Nutzen stellen könnte.“.
„Was ist mit dem Buch.“, warf die Sphinx an.
Nun schenkte selbst der Krieger ihr einen Blick, wenn auch nur kurz.
„Welches Buch?“, fragte er irritiert.
Kurz erläuterten sie ihm die Situation, woraufhin sie eines seiner Nicken ernteten.
„Also gut.“, er stand auf, „Ich werde dieses Buch holen.“.
Ebenso wie zuvor verschwand er von einem Moment auf den Anderen, was Hadassa staunend beobachtete.
„Das ist Magie.“, erklärte Alechos, „Die Magie, die in den letzten Jahrzehnten, bei den Menschen aufgetaucht ist. Er muss Elbenblut in seinen Adern tragen.“.
Linovèn nickte. „Sicher.“.
Schweigend warteten sie und nach einer gefühlten Ewigkeit kehrte Hiskijar mit zwei Büchern zurück.
Das Erste war ein dicker Wälzer, die Seiten rissig und gelb vom Alter. Das Zweite war jung und die Tinte hell und klar.
Nun leuchtete auch in Alechos’ Augen die Gier auf, die ein Teil aller Hersor war. Gespannt riss er Hiskijar den Wälzer aus den Händen und zusammen mit seinem Sohn beugte er sich im Licht Adars über die über die Jahrhunderte fast vollständig verblasste Schrift.
„Es ist fantastisch.“, entfuhr ihm, „Dies ist ein Werk von Narichre Tanide, einer der größten Autoren der älteren Geschichtsschreibung.“. Seine Finger fuhren begierig über die Buchstaben und in den hintersten Ecken seiner Augen flackerte ein Funken von Wahn auf.
„Dies ist die Geschichte der Tchaveskov Ascarna, niedergeschrieben von Narichre Tanide, fortgeführt von Sirade Halinon und beendet von Noridos Halinon. Begonnen im Jahr 4751 unter der Herrschaft von Königin Teres und König Nichos und vollendet im Jahre 4798 unter der Herrschaft von Königin Hiade.“, übersetzte er die ersten Sätze eilig.
„Wahnsinn.“. Mit verträumten Augen blickte er in die Runde. „Dieses Werk ist fünftausend Jahre alt, aus der Zeit von Nichos und Teres.“.
Hadassa zuckte nur mit den Schultern. Sie interessierten weder diese Hersor, die ihr nichts sagten, noch wie alt dieses Buch war, sondern alleine die Antworten, die dort auf sie warteten.
Alechos las eifrig weiter, doch nach einiger Zeit löste er die Augen von den Seiten und blickte sie an.
„Ich brauche Zeit, dies zu übersetzen. Diese Sprache wird heute nicht mehr gesprochen und die Lautverschiebung funktioniert ganz anders. Ich brauche Zeit.“. Sanft strich er über den Buchrücken und in seinem Gesicht lag ein verklärter Ausdruck, der noch nicht einmal so stark war, wie wenn er von seiner toten Frau sprach.
„Dann beeil dich.“, knurrte sie, denn hatte sie unerklärliche Gefühl, das ihnen die Zeit davon lief.
Die Löwin hob den Kopf, als Linovèn und ihr Begleiter sich erhoben. Bevor sie oder einer der Hersor ihnen eine Frage stellen konnte, erklärte die Elbe schon: „Dies mag euer Weg sein, doch unser Weg führt in das Schattengebirge. Ich muss herausfinden, wer mein Dorf angegriffen hat und was mein Vater versuchte, mir zu erklären. Doch wenn es dieselben Personen waren, die Alechos’ Frau getötet haben, dann werden sich unsere Wege wohl erneut kreuzen.“.
Hadassa nickte, doch blieb ihr Blick an dem Krieger hängen.
„Verrätst du mir deinen Namen, Artherger?“.
Einen Moment stockte er und seine Hand schnellte zum Griff seines Säbels, dann nickte er und meinte: „Mein Name ist Hiskijar und ich bin kein Artherger, sondern ein Ástilos.“.
„Es ist gut wenn man weiß, wer man ist, damit man weiß, für wen man kämpft.“.
Einen Moment wusste keiner, was man sagen sollte und eine eigenartige Stille herrschte. Für diese wenigen Stunden waren sie Verbündete gewesen, aufgrund der Wege, die ihnen ein eigenartiges Schicksal aufgebürdet hatte und nun verliefen diese wieder auseinander.
Dann nickte Hiskijar knapp und er verschwand mit der Elbe in einem Wirbel aus Farben. Etwas leuchtete auf, ein heller Lichtstrahl, silbern glänzend, hell wie der anbrechende Morgen, strahlend schön wie eine Flut von rotem Licht, das sich über den Horizont ergoss, welcher von der Sphinx zu etwas am Arm der Elbe ging und für einen Moment hörte Hadassa das Rauschen der Wellen, sah einen endlosen Ozean, der sich schäumend gegen die Klippen warf - und eine winzige Inselgruppe.
Vielleicht wusste sie nicht, was sie suchen sollte, doch in diesem einen Augenblick wusste sie, wo sie suchen musste.