Kirschblätter fallen. Es duftet nach den ersten Früchten und nach nassem Gras. Die Sonne wärmt mir das Fell. Misa liegt neben mir auf dem Rücken, die Arme im Nacken verschränkt. Sie beobachtet die Wolken. Ich sitze aufrecht und sehe über die Sümpfe, die unter leichtem Regen da liegen. Kento hat sich an meine Seite gelehnt, den Hut in die Stirn gezogen. Ziaz hat sich zwischen meinen Vorderpfoten unter meinem Bauch verkrochen, wo sie vor dem Regen sicher ist.
"Du weißt, dass du auch in LaKitan wohnen könntest?", bricht Misa nach langer Zeit das gemeinschaftliche Schweigen. Sowohl Kento als auch ich sehen sie an. Misa hat mit dem Privatdedektiv gesprochen.
"Wegen besonderer Leistungen für die Sicherheit Aitlyns?", fragt Kento mit hochgezogenen Brauen. "Danke, Misa, aber ich mag meine Höhle unter den Treppen. So schön metaphorisch."
"Also gehst du zurück in die Ruinen."
"Sie sind weniger schlimm, als ihr denkt.", verteidigt Kento unsere Heimat mit einem bissigen Unterton.
Misa hebt lachend die Hände: "Schon gut, schon gut. Ist mir recht." Sie streckt sich wieder auf dem Gras aus: "Wir werden dich besuchen kommen."
Ziaz bewegt sich, streckt die Vorderbeine und spaziert in den Regen, um unter Kentos Mantel zu kriechen. Ich höre sie schnurren. Misa rollt sich zu Seite und piekst mich: "Nicht wahr, Wolf?"
Mit einem Murren verwandele ich mich und schlinge die Arme um die Beine: "Als ob Einwände meinerseits akzeptiert werden würden, selbst wenn ich welche hätte!"
Misa stöhnt gespielt auf: "So kriege ich nie einen Diplomaten aus dir!"
"Ich will kein Diplomat sein!", schmolle ich.
Misa pikst mir wieder ihren Finger in den Rücken, doch diesmal verharrt ihre Nagelspitze dort: "Du bist jetzt der erste Botschafter der Ruinen, du musst einen guten Eindruck hier oben machen!"
"Wann genau bin ich denn bitte Botschafter geworden?!", frage ich.
Kento kichert leise: "Sie hat dich schon ziemlich unter der Fuchtel, Herr Botschafter."
Ich knurre eingeistert: "Fall mir nicht in dne Rücken!"
Misa und Kento lachen. Sogar Ziaz schnurrt lauter - obwohl ich mich täuschen könnte. Ich verdrehe die Augen: "Sie hat mich nicht unter der Fuchtel!"
"Du trägst doch sogar ein Halsband!", stichelt Kento.
Ich schließe die Hand um mein Halsband, als wolle er es mir wegnehmen: "Das hat nichts damit zu tun!"
Die beiden lassen zum Glück von mir ab. Kento legt sich flach ins Gras, worauf Ziaz tiefer in dem Stoff des Mantels verschwindet. Den Hut zieht er ins Gesicht. Er scheint Regen nicht zu mögen, was mir unverständlich ist. Den Kopf in die Hände gestützt sehe ich weiter auf die Ruinen unter mir. Botschafter - das klingt wichtig. Nach dem, was Misa mir erzählt hat, hängt plötzlich viel zu viel von mir ab. Das macht mir schon irgendwie Angst.
Misa setzt sich auf und lehnt sich gegen meine Schulter. Mit einem Arm klopft sie mir auf den Rücken: "Keine Sorge, Wolf. Wir schaffen das."
Woher wusste sie das? Ich lächele zurück: "Ich habe ja die beste Lehrerin!"
Kento pfeift in unserem Rücken feixend und singt: "Turteltauben, Turteltauben!"
Misa und ich drehen uns gleichzeitig um und bewerfen ihn mit Gras. Kento wehrt unsere Angriffe lachend ab. Ziaz flüchtet beleidigt auf ein trockenes Fleckchen unter einem Kirschbaum.
"Wenn ich Botschafter bin, kann ich dann auch Ruinenbewohner anschwärzen und ausweisen lassen?", frage ich Misa, ohne mit meinen Angriffen auf Kento aufzuhören.
"Ganz bestimmt.", antwortet sie. "Ich werde mal mit Mutter reden."
"Gnade!", ruft Kento unter dem fliegenden Gras. "Ich werde auch lieb sein!"
Wir lassen grinsend von ihm ab und betrachten wieder die Ruinen.
"Da! Ein Regenbogen!", ruft Misa und deutet in den Himmel. Kento setzt sich auf und klopft Gras aus seinem Mantel. Wir starren in den Himmel und lächeln.
"Glaubt ihr, jetzt ist es vorbei?", fragt Misa.
"Sicherlich!", sagt Kento.
"Zu einhundert Prozent.", antworte ich.
Die Ruinen liegen unter einem blassen Regenbogen. Kirschblätter wehen im Wind.
Und der Regen fällt.