Versteckt:
Sam hatte sich nur schweren Herzens von seinem kotzender-Smiley-T-Shirt getrennt. Doch ihre Kleidung war voller Blut und Dreck gewesen, und wie alle anderen hatte er das genommen, was sie in den Schränken im Haus des Kannibalen hatten finden können. Nach einer Dusche fühlten sie sich besser, aber besonders Luca war immer schweigsamer geworden, je näher sie der nächsten Station gekommen waren.
Als sie aus dem Bus kletterten, in welchem sie sich erneut verborgen hatten, wollten Luca und Mira beide nicht aussteigen. Sam musste sie zwingen, die Ereignisse zu vergessen, die hier stattgefunden hatten.
Fays Tod hatte sogar Mira erschüttert, die sonst jedes Trauma mit einem Schulterzucken abtun konnte. Allerdings reichte ein Hinweis darauf, dass Amy bereits nach Waffen forschte, um Mira aus dem Bus zu kriegen. Mit Luca musste Sam ein längeres Gespräch führen. Zivilisten waren eben nicht daran gewöhnt, ihre Liebsten zu verlieren. Und wenn Samstag ehrlich war, dann war auch er nicht daran gewöhnt.
Jetzt hatten sie ein Versteck gefunden, ein verfallenes Gebäude, das den leeren Platz einrahmte, von dem der Aufzug nach unten ging.
Sie wollten in die Minen, oder mussten es zu mindestens, aber auf dem Platz marschierte Der Hans auf und ab, der freundliche Mann, der ihnen schon damals begegnet war. Jetzt wirkte sein Gesicht verschlossen, das kumpelhafte Grinsen war verschwunden. Mit einer Taschenlampe leuchtete er über den Platz.
„Wenn ich gewusst hätte, dass wir noch mal hierhin kommen!“, flüsterte Amy leise.
„Was dann?“, fragte Luca, als sie nicht weiter redete.
Amy starrte auf ihre Handgelenke. „Ich wäre lieber gestorben!“
„Denkt immer daran, dass wir das hier tun, um Anderen eure Erfahrungen zu ersparen“, sagte Sam ruhig.
„Wem denn?“, fragte Amy bitter. „Den beiden Mädchen, die wir nicht retten konnten? Oder den beiden Jungen? Oder überhaupt den ganzen Gästen? Für sie ist es doch auch schon zu spät! Wem ersparen wir hier etwas?“
„Der Tour vom nächsten Jahr“, antwortete Sam. „Allen Touren der Zukunft. Wir ersparen es also unendlich vielen Menschen, denn theoretisch kann Samira sie alle noch einladen, wenn wir sie weitermachen lassen.“
Amy verzog das Gesicht.
„Ich weiß, dass es sich nicht so anfühlt“, sagte Mira mitfühlend. „Aber es stimmt. Wir beenden es gerade. So etwas wie gestern wird nie wieder geschehen. Und jetzt verhindern wir -“
Ein lauter Angstschrei hinderte Mira daran, weiter zu reden. Die vier fuhren herum und starrten wieder aus dem Fenster, das von Staub und Alter grau geworden war.
Die Taschenlampe rollte über den Hof. Der Hans war verschwunden.
„Was ist passiert?“, fragte Luca.
„Etwas hat ihn geschnappt“, antwortete Samstag. „Etwas, das sehr schnell ist.“
Irgendwo am Rand des Platzes schloss sich ein zweiter bestialischer Schrei an. Es war die Stimme von dem Hans, allerdings vor Schmerzen fast zur Unkenntlichkeit verzerrt.
Samstag stand auf. Sie hatten keine Waffen gefunden, nur ein paar Ziegel. Nun zückten sie auch ihre Messer, die viel zu klein erschienen.
Viele, viele Hotels zurück hatten sie die Schrotflinten gelassen, nach dem Kampf mit den Werwölfen davon überzeugt, dass sich die Waffen nicht leicht durch die Hotels schmuggeln lassen würden. Jetzt bereute Sam, dass sie die Metalldetektoren von Hotel Blair nicht wenigstens auf die Probe gestellt hatten.
„Gut. Lauft so schnell wie möglich zum Aufzug“, befahl er. „Ich gebe euch Rückendeckung.“
Da er am schwersten verletzt war, war er sowieso der Langsamste.
Sie öffneten die Tür und rannten los.