Die Antwort:
Ihr Bus fuhr auf den Platz, kaum, dass die Gäste abgefahren waren. Samira wartete, bis der Bus gebremst hatte, dann bedeutete sie den Bediensteten, die überall in den Gebäuden versteckt gewesen waren, hervorzukommen.
Für Max hatte es den Anschein, als würden unzählige Kakerlaken aus ihren Verstecken kriechen. In dunklen Winkeln, in den leeren Fenstern der so verlassen erscheinenden Gebäude regte sich plötzlich etwas.
Sie waren noch zu siebt, stellte Max fest, als er bei dem Bus ankam. Außer ihm, Karo und Jason waren noch eine ältere Frau und drei Männer übrig. Einer der Männer war allerdings ein Junge, vielleicht siebzehn, wie Max bei genauerem Hinsehen feststellte.
„Hier habt ihr ja keine gute Arbeit geleistet“, sagte Samira und betrachtete den Rauch, der noch aus der Mine drang. „Alle unsere Freunde sind tot. Und den Zirkus habt ihr auch nicht abgefangen.“
Max spürte, wie sich sein Magen verkrampfte.
„Wenn ich könnte, würde ich euch alle dafür zahlen lassen, aber wir haben im Moment leider Personalmangel“, sagte Samira weiter. „Und mir ist langweilig, jetzt, wo die Wächter gefangen sind. Ich hab mir ein Spiel überlegt.“
Sie zückte vier Streichhölzer. „Jedes hiervon ist ein Ticket zum Überleben. Ich werfe die Streichhölzer, und die vier, die am Ende eines in der Hand halten, dürfen weiter.“
Max biss die Zähne aufeinander. „Das ist ungerecht!“, zischte er.
Samira sah ihn an und hob eine Augenbraue: „Hattest du was gesagt?“
Max schlug sofort die Augen nieder. Er hatte Angst. Aber er wollte sein Schicksal nicht von einem launigen Streichholz abhängig machen.
„Verzeihung. Ich meinte nur, dass auch das, was wir in den anderen Hotels geleistet haben, zählen sollte“, murmelte er.
Er hörte eine ganze Weile nichts. Dann sah er vorsichtig auf. Samira betrachtete ihn mit schief gelegtem Kopf, als wäre er ein interessantes Tier, das sie im Zoo entdeckt hatte. Sie war sich wohl noch unsicher, ob sie ihn niedlich oder bewundernswert finden sollte.
„Hast du dir mein Angebot überlegt?“, fragte sie dann leise.
Karo, Jason und die anderen sahen verwirrt zwischen ihnen beiden hin und her.
Max schluckte, dann nickte er. Er hoffte, dass er das Richtige tat.
„Ja. Ich … ich will. Aber nur, wenn es Jimmy nicht schadet.“
Ein Lächeln erschien auf Samiras Gesicht. Sie streckte die Hand aus und reichte ihm die vier Streichhölzer. Zögernd nahm Max sie entgegen. Samiras Finger strichen über seine Haut, er spürte einen Schmerz wie einen leichten Stromschlag.
„W-was?“, fragte er und sah auf die Streichhölzer.
„Du kannst die drei anderen verteilen. Oder auch nicht“, sagte Samira lächelnd. Dann sah sie die anderen an, die sich wie hungrige Raubtiere um Max drängten, bereit, ihm die Streichhölzer sofort abzunehmen.
„Wer Max angreift, erfährt das gleiche Schicksal wie Maya!“, sagte Samira und machte einen Schritt zurück.
Trotzdem sprang einer der Männer vor und grabschte nach den Streichhölzern. Max entriss sie ihm, und bevor er einen klaren Gedanken fassen konnte, schlug ihm Hitze ins Gesicht. Ein Schrei ertönte, dann war Stille.
Der Mann stand noch da, eine geschwärzte, leicht geschrumpfte Figur eines Menschen, die noch rauchte. Max sah zu Samira, dann stieß er dem Mann den Finger vor die Brust. Die Figur zerbröselte zu Asche.
Max sah auf die Streichhölzer. Dann sah er in die Runde. Er könnte dafür sorgen, dass bereits jetzt alles vorbei war. Jedes Streichholz, das er verteilte, wäre ein möglicher Konkurrent.
Er begegnete Karos flehentlichem Blick.
Und entschied, dass es möglicherweise interessanter war, sie und Jason noch eine Weile zu beobachten. Karo würde sowieso kein Problem werden, und Jason war eben eine Herausforderung.
„Das ist die Einstellung, die ich sehen wollte“, lobte Samira, als Max Karo und Jason je ein Streichholz aushändigte. Die drei, die sie zurückließen, heulten auf, als die vier in den Bus stiegen.
Sie schlugen gegen die Scheiben, als der Motor startete.
„Direkt zum Park“, sagte Samira dem Busfahrer. „Um den Zeltplatz kümmern sich Maike und Thomas.“
Der Fahrer nickte und trat auf das Gaspedal. Der Bus rollte an.
Karo starrte entsetzt auf den Jungen, den Mann und die Frau, die sie zurück ließen. Max spielte mit den zwei Streichhölzern, die er noch besaß, bis Samira sich zu ihm setzte.
Sie grinste ihn an und reichte ihm die linke Hand: „Willkommen im Team.“
Max ergriff ihre Hand umständlich. Er stellte fest, dass ihre Handfläche warm war. Dann wurde sie plötzlich heiß. Er schnappte nach Luft und wollte sich losreißen, aber Samira hielt ihn fest, bis die Hitze abgeklungen war.
Dann betrachtete Max seine Handfläche, auf der sich dünne, rote Linien zeigten, wie alte Narben.
Die Linien bildeten einen fünfeckigen Stern in einem Kreis.
„Ein Drudenfuß“, erklärte Samira ruhig. „Die Grundlage deiner neuen Macht.“
Max sah auf seine Hand und starrte dann Samira an. Sein ganzer Arm kribbelte.