Aufgaben:
Karo stellte die beladene Platte auf dem Tisch ab. Die gestapelten Burger auf der Platte wackelten. Ein paar Würstchen verrutschten.
Karo seufzte und rückte die Speisen wieder zurecht. Mit fünf halben Würstchen und viel Ketchup sahen die Burger fast wie abgeschnittene Hände aus. Sogar Fingernägel hatten sie, halbe Mandelplättchen auf den Würstchen, bei denen ein Stück weggeschnitten worden war.
Karo fragte sie, wie jemand etwas in der Art essen könnte. Genauso ging es ihr bei den anderen Speisen. Da trieben künstliche Augen in grünem Saft oder es gab Füße aus Mett, die aussahen wie über dem Knöchel abgehackt. Sogar ein Knochen ragte daraus.
Am schlimmsten war aber der Tote, den die langjährigeren Angestallten Udo nannten. Udo lebte die meiste Zeit des Jahres im Keller und bestand aus Latex. Wenn die Hell-Hopping-Tour statttfand, wurde Udo aus dem Keller gezogen, eine falsche Spur aus Kunstblut hinter sich lassend. Karo fand das geschmacklos. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass jemand die Polizei rufen könnte.
Karo wollte los gehen, um das nächste Tablett zu holen. Alle anderen waren schon gegangen, und wer sich zu langsam anstellte, durfte eine Strafe erwarten. Karo zweifelte nicht daran. Diese Menschen hielten ihre Mutter gefangen!
„Psst!“, zischte der Tisch.
Karo erstarrte und suchte nach einem Fluchtweg.
„Karo!“, rief der Tisch wieder leise. Karo hatte eine Eingebung und beugte sich herunter.
Unter dem Tisch hatte sich das Tischtuch zur Seite gezogen. Karo riss erstaunt die Augen auf, als sie Amy und Luca sah, sowie zwei Fremde, eine blonde Frau und einen jungen Mann mit unordentlichen, braunen Haaren, die sie anstarrten.
„Was tust du hier?“, fragte Amy.
„Ich – was tut ihr hier?“
Die vier tauschten einen kurzen Blick. Karo sah, wie der fremde Mann leicht den Kopf schüttelte.
„Das erklären wir dir später“, sagte Luca. „Aber mal ehrlich, warum bist du hier?“
Karo war verwirrt. Immerhin war Luca wieder aufgetaucht, aber wie er und Amy unter den Tisch in diesem Horror-Hotel geraten waren, konnte sie sich beim besten Willen nicht erklären.
„Da waren so Polizisten, die uns befragen wollten“, erklärte sie. „Dann hat eine Frau uns abgeholt und gesagt, dass wir ab jetzt für sie arbeiten.“
„Warte mal, uns?“, fragte Amy. „Ist Max auch hier?“
Karo nickte.
„Scheiße!“, sagte Amy. „Wir müssen sie befreien.“
Der fremde Mann beugte sich vor: „Später. Wie sah die Frau aus?“
„Frau Hain? Sie ist blond, und …“
Der Mann hob die Hand. „Reicht schon. Ist sie noch hier?“
Karo schüttelte den Kopf. Die Frau war nach der Einweisung verschwunden und hatte alles andere einem Stellvertreter überlassen.
Der Mann seufzte. „Ich wette, sie ahnt, dass wir hinter ihr her sind. Hör zu, Karo. Du musst weiter arbeiten. Verrate uns bitte nicht. Wir helfen dir und diesem Max. Und allen anderen auch.“
Karo nickte und beeilte sich, in die Küche zu laufen. Hinter ihr verschwanden die vier wieder unter dem Tisch.
Sie war nervös. Was ging hier eigentlich vor? War diese Hain eine bekannte Entführerin? Wie passten dann Amy und Luca in das Bild? Waren sie ihr bereits einmal entkommen? So musste es sein.
Sie stieß beinahe mit jemandem zusammen. Erschrocken sah sie auf und erkannte den dunkelhaarigen Mann, der bei der Besprechung widersprochen hatte. Er lächelte. „Hier steckst du. Ich habe dir eine Platte mitgebracht. Du solltest nicht trödeln.“
Karo nahm das Tablett entgegen. „D-danke.“
„Ich heiße Jason“, sagte der Mann und reichte ihr umständlich eine Hand, weil sie beide Tabletts trugen.
„Karo“, sagte Karo.
Jason grinste. „Freut mich, Karo. Obwohl das eine miese Situation ist. Das ist jetzt meine zweite Tour, ich bin seit Oktober hier. Wenn du willst, helfe ich dir. Du scheinst mutig zu sein. Du und dein Freund.“
„Max“, sagte Karo. „Das wäre nett von Ihnen, Jason.“
Sein Händedruck war fest und vermittelte Zuversicht.