Wut:
„Verdammte Scheiße!“, brüllte Mira und schlug gegen die gepolsterte Tür. „Scheiße, Scheiße, Scheiße!“
Ihre wütenden Angriffe wurden von dem weichen, weißen Polster absorbiert, aber das hinderte sie nicht daran, ihre Wut auszutoben. Sie waren blindlings in Samiras Falle getappt und waren erneut auf Maya hereingefallen. Wie hatten sie nur so dumm sein können?
„Jetzt beruhige dich“, sagte Samstag in Befehlstonfall.
Obwohl sie jetzt selbst Meisterin war, konnte sie den alten Respekt für ihn nicht ablegen. Sie ließ die Tür in Frieden und setzte sich zu den anderen auf den Boden des kleinen Raumes. „Wir haben noch Glück, dass sie uns keine Kuscheljacken umgelegt haben“, knurrte sie.
Sie waren in einer typischen Irrenhaus-Zelle. Es gab keine Fenster, die Wände und der Boden waren weich gepolstert. Kein Bett, keine Toilette, nichts, außer einer Tür, die fast im weißen Polster verschwand.
In der Tür war ein kleines Gitterfenster, das jetzt allerdings verschlossen war.
„We're all mad here, and it's okay“, meinte Sam grinsend. Mira schüttelte nur genervt den Kopf. Sie hatte keine Nerven für Liedzitate.
„Gut, dann brechen wir eben aus“, meinte Sam schulterzuckend. „Alle wieder fit?“
Amy und Luca nickten. Die letzten Nachwirkungen des Betäubungsmittels waren verschwunden, nur ein wenig schläfrig fühlen sie sich noch. Die beiden Schüler starrten Sam jetzt an, als könnte er sie einfach aus dem Raum hexen.
Mira musterte ihn ebenfalls neugierig. Was plante er?
Samstag sah in ihre erwartungsvollen Gesichter. „Habt ihr niemals `Edna bricht aus´ gespielt?“
„Nein“, sagte Mira gedehnt. „Das gehört sicherlich nicht in unsere Grundausbildung.“ Darin gehörten eher bekanntere Spiele, denn die Wahrscheinlichkeit, in einer Geschichte zu landen, wuchs mit deren Bekanntheit. Zusätzlich hatte Mira sich auf verrückte kleine Spiele wie Pony Island spezialisiert. Und Alice – Madness Returns.
Sam schüttelte nur den Kopf und deutete auf die Wände. „Irgendwo muss es ein Lüftungsgitter geben. Reißt die Wände auseinander!“
Mira tauschte einen Blick mit Amy und Luca. Alle drei zuckten mit den Schultern und machten sich an die Suche.
Mira fand die richtige Stelle bald, denn von dort kam ein sanfter Windzug. Sie riss die weiche Platte davor zur Seite und starrte auf einen schmalen Metallgang. Ihr einziges Hindernis war ein Ventilator mit scharfen Klingen, der sich drehte.
„Was jetzt?“, fragte sie.
„Kann einer seine Fingernägel abknabbern und als Schraubendreher benutzen?“, fragte Samstag.
„Ihh!“, rief Mira.
Sam verdrehte die Augen, kniete sich neben sie und zog seine Uhr aus. Maya hatte einen großen Fehler begannen, als sie ihnen ihre Sender gelassen hatte. Sam nutzte die Schnalle der Uhr, um den Ventilator aus der Wand zu schrauben. Dann war der Weg offen.
„Nach euch!“, meinte er mit einer Verbeugung und zog seine Uhr wieder über das Handgelenk.
Mira ließ sich als Erste auf Ellbogen und Knie nieder und kroch in den engen Gang.
„Wo führt der hin?“, hörte sie Amy fragen.
„Wer weiß das schon? Vielleicht ins Wunderland“, meinte Sam.
Mira musste grinsen. Hatte sie nicht vor Kurzem etwas ähnliches gedacht? Es musste dieser Ort sein. Viel zu viele Geschichten über Alice im Wunderland beinhalteten ein Irrenhaus.
Sie spürte bereits die blauen Flecken, die diese Höhlentour hinterlassen würde, dann kroch sie vorwärts und summte dabei.
„If I leave my grin behind, remind me: That we're all mad here, and it's okay.“*
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*“Cheshire Kitten (We're All Mad Here)“ – SJ Tucker