Eine halbe Stunde vor Arbeitsbeginn erreichten Pferd und Reiter den heimatlichen Stall. Riley brachte den Wallach in seine Box und verschwand im Heulager, um die benötigten Ballen für die morgendliche Fütterung aufzuschneiden und zu portionieren. Die erste Schubkarre war fertig beladen und nun machte Riley sich daran die zweite zu befüllen, als ihn das Knarren der Stalltüre aufhorchen ließ.
»Morgen«, vernahm er Erics Stimme und kurz darauf stand sein Kollege auch schon vor ihm.
Ein leises »Guten Morgen« brummelnd, warf Riley ihm einen flüchtigen Blick zu, machte aber mit seiner Arbeit weiter.
Der Blonde lehnte sich auf die Heugabel, mit der er sich bewaffnet hatte. Er musterte sein Gegenüber als sich die Stalltüre erneut öffnete und Johanna das Gebäude betrat.
»Da hast du es ja tatsächlich pünktlich geschafft. Ich hatte schon Angst, dass der ganze Kram hier, inklusive Misten, an uns anderen hängenbleibt.«
Riley wuchtete die letzte Ladung Grünfutter auf die Schubkarre, dann richtete er sich auf und sah seine Chefin an.
»Ich mag zwar manchmal etwas unbeherrscht sein, aber ich bin nicht unzuverlässig.«
»Okay«, meinte diese lachend, »bevor ich es vergesse: Ich hab mir überlegt, euch eins der Touristenhäuschen zur Verfügung zu stellen. Das erste Häuschen, vom Stall aus. Hier ...« Sie kramte in ihrer Jackentasche, dann gab sie Riley den Schlüssel zu dem Zimmer. »Du kannst also nachher deine Sachen rüberbringen.«
Während Eric die volle Schubkarre zum Misthaufen fuhr und Johanna den Stall wieder verließ, setzte Riley sich auf einen der Heuballen und ließ sich die Worte seiner Chefin durch den Kopf gehen. Johanna hatte ihnen tatsächlich eine Bleibe zur Verfügung gestellt! Er hatte eher damit gerechnet, dass sie ihm nach seinem Auftritt gestern die Tür weisen würde. Vielleicht entwickelte sich ja doch alles so langsam in eine positive Richtung. Viel Zeit zum Überlegen blieb jedoch gerade nicht, denn sein zukünftiger Mitbewohner brachte die leere Schubkarre zurück, um die nächste volle zu holen und das hieß, eine weitere musste beladen werden.
Nachdem sie mit der Fütterung fertig waren, holte Riley sein Zeug aus dem Reiterstübchen und verließ mit einem leisen »Bis später« den Stall. Er brachte seinen Kram in die neue Bleibe und legte die Sachen in den einzigen Schrank im Zimmer, bevor er sich in Ruhe umsah.
Es gab einen Wohn- und Schlafraum, ein kleines Bad mit Dusche und eine Kochnische. Das Ganze war nicht riesig, aber groß genug, um vernünftig zu wohnen – Auch zu zweit. Rileys Sorge war nur, ob Eric und er miteinander auskommen würden.
»Wird schon funktionieren«, murmelte er, verließ das Häuschen wieder und ging hinüber zu Johannas Wohnhaus. Er lief die Treppe hinauf und wollte gerade klopfen, als sich die Tür öffnete.
»Hättest du einen Augenblick Zeit? Ich würde gerne etwas mit dir besprechen«, fragte der junge Mann vorsichtig.
»Ja, klar. Ich muss allerdings schnell zu den Larssons, ein Pferd anschauen. Du kannst ja mitkommen und unterwegs sagst du mir, was du auf dem Herzen hast.«
»Gut, dann machen wir das so«, entgegnete Riley, folgte seiner Chefin zu ihrem Auto und kurze Zeit später waren die beiden unterwegs.
»Ich bin schon dankbar für den Minijob, den du mir gegeben hast, aber ist da nicht noch was anderes, das ich tun kann? Ich muss ja mich und mein Pferd über die Runden bringen. Es ist auch egal, welche Art von Arbeit, Hauptsache ich kann irgendwie Geld verdienen.«
Auf Johannas Gesicht breitete sich ein Lächeln aus. »Es war wohl eine gute Idee, dich zu den Larssons mitzunehmen. Sie haben mich gestern angerufen, damit ich mir eine junge Stute ansehe, die sie ganz neu haben. Entgegen der Aussage des Verkäufers ist diese noch nicht richtig eingeritten und von der Familie kann das niemand. Ehrlich gesagt habe ich schon überlegt, wie ich das zeitlich machen soll. Würdest du dir das zutrauen?«
Als Riley nickte, fuhr sie fort: Super ... außerdem kommen im Winter immer mal wieder ein paar Mädels zum Reiten. Die brauchen zwar keinen Unterricht, aber Aufsicht, wenn du das auch übernehmen kannst, bist du mit Arbeit gut versorgt ... denke ich.«
»Das ist mehr als ich erwartet hab. Vielen Dank.« Riley strahlte
sie an.
Auf der Farm der Larssons wurden sie schon ungeduldig erwartet.
Ole, der Familienvorstand, hieß die beiden auf seinem Hof willkommen und sagte dann zu Johanna: »Dieses Pferd, von dem ich dir erzählt habe, ist weder geeignet von meiner Tochter geritten zu werden, noch vor unserer Kutsche zu laufen. Eigentlich sind diese holländischen Warmblüter sehr ruhig und zuverlässig, aber die Stute ist schrecklich nervös und kann auch noch nicht viel unter dem Sattel. Wartet einen Moment, ich hole sie.«
Er ging über den Hof, verschwand in einem kleinen Stallgebäude und verließ dieses ein paar Minuten später wieder, neben sich ein dunkelbraunes Pferd mit heller, fast weißer, Mähne und Schweif.
»Das ist Flame«, sagte Ole und versuchte sich nicht auf die Füße treten zu lassen, denn die Stute hatte begonnen, um ihn herumzutänzeln.
»Darf ich?«, fragte Riley und ging einen Schritt auf die beiden zu.
Larsson nickte und reichte ihm den Führstrick, sichtlich froh, das nervöse Tier los zu sein.
»Na, du Schöne!«, flüsterte Riley dem Pferd zu. »Alles ist gut, Mädchen. Keiner tut dir was.« Er kraulte Flames Hals und ganz langsam beruhigte sich die Stute.
Ole und Johanna beobachteten die beiden eine Weile, dann fragte der Familienvater: »Wann wollt ihr Flame denn holen? Oder nehmt ihr sie sofort mit?«
»Ich habe keinen Hänger mit, wie du siehst. Wenn du mir deinen leihen kannst, dann kann ich sie gerne gleich einladen, ansonsten komm ich sie morgen holen«, antwortete Johanna. Ole kratzte sich am Hinterkopf: »Meiner ist leider defekt.«
»Wir brauchen eigentlich keinen Transporter«, warf Rye ein, »Flame würde sich bestimmt über einen kleinen Spaziergang freuen.«
»Du willst mit ihr zu Fuß laufen?« Johanna sah Riley an und als dieser nickte, meinte sie schulterzuckend: »Gut, wenn du das möchtest, dann marschiert mal los, ihr zwei und wir«, sie schlug Ole auf die Schulter, »regeln das Übrige.«
»Alles klar ... dann bis später, Chefin. Bye, Mr. Larsson«, sagte Riley und verließ mit der Stute den Hof.
In aller Ruhe spazierten sie den Weg entlang, zurück in Richtung Heimatstall. Flame schien sich langsam zu entspannen, trotz der ganzen neuen Eindrücke unterwegs. Sie senkte sogar hier und da den Kopf, um etwas welkes Gras zu knabbern und Riley ließ sie gewähren.
Mit einem Mal aber riss sie ihren zierlichen Kopf hoch, spitzte die Ohren und trompetete ein lautes Wiehern die Straße hinunter. Sie stand einen Moment stocksteif da und horchte in die Ferne, bevor sie sich aus ihrer Erstarrung löste und anfing, um Riley herumzutänzeln, der beruhigend auf sie einredete.
Die Stute war ihm mittlerweile etliche Male auf die Füße getreten und hatte versucht, ihn zur Seite zu drängen. Doch er hielt ihr stand und brachte sie wieder unter Kontrolle, bis ... ja, bis sie in Sichtweite der Paddocks des Visby-Stalls kamen. Die anderen Pferde kamen sofort an den Zaun gerannt, als sie die fremde Stute erblickten und Flame begann wieder nervös um Riley herumzutanzen.
Dieser seufzte und nahm den Führstrick kürzer ... das würde lustig werden, an den Ausläufen der Pferde vorbeizugehen ...
*
Während Riley und Johanna in »Mission Flame« unterwegs waren, nahm Eric sein Programm in Angriff, das er sich für den Vormittag zurechtgelegt hatte. Als Erstes schaute er bei Hermann vorbei, um mit ihm noch einige Details bezüglich Erics Arbeit zu besprechen.
Beim gestrigen Abendessen hatte der Chef des Visby-Stalls ihm einen Auftrag erteilt, allerdings mussten noch ein paar Kleinigkeiten beratschlagt werden. Der Blonde stieg also die Treppe zu Hermanns Haus hinauf und klopfte.
»Es ist offen«, hörte er die brummige Stimme seines Chefs und tatsächlich öffnete sich die schwere Holztür, als Eric dagegendrückte.
Er betrat einen kleinen Flur, der allerdings mit zwei Schritten durchquert war und stand dann mitten in einer großen Wohnküche. Im vorderen Teil befand sich eine Couchgarnitur nebst Sessel und einem schweren Wohnzimmertisch aus Eiche, weiter hinten im Raum war die eigentliche Küche inklusive Essecke. Hermann saß in eben dieser und nickte Eric zu: »Komm her und setz dich, Jungchen.«
Nachdem dieser der Aufforderung nachgekommen war, schob sein Chef ihm eine Tasse Tee hin und sagte: »Nun, wie ich gestern schon angedeutet habe, gibt es hier eine Menge Arbeit für dich ... wenn du willst. Vom letzten Sommercamp sind einige sehr reparaturbedürftige Sättel und Zaumzeuge liegen geblieben. Ich wäre dir dankbar, wenn du diese wieder instand setzen könntest. Die Sachen sind drüben in der Sattelkammer. Schau sie dir an und sag mir, was du ungefähr an Material brauchst, dann bekommst du das Geld dafür und kannst dir das Zeug in der Stadt holen gehen. Adressen, wo du am besten Leder bekommst, hab ich natürlich auch für dich.«
Eric trank vorsichtig einen Schluck Tee, der noch ziemlich heiß war und nickte. »Okay, dann schau ich mir gleich alles an und komme anschließend noch mal her.«
»Mach das. Bis dahin ist der Tee auch abgekühlt«, antwortete Hermann lachend.
Eine halbe Stunde später hatte der Blonde das Sattelzeug gecheckt, saß wieder bei seinem Chef in der Küche und legte diesem haargenau vor, was er an Material brauchen würde. Hermann hörte seinem Angestellten aufmerksam zu, dann fragte er: »Und wie viel Geld brauchst du nun?«
Eric nannte ihm eine Summe und sein Chef sah ihn einen Moment schweigend an, bevor er antwortete. »Nun, das ist weitaus weniger, als ich befürchtet hatte.« Damit zückte er seine Geldbörse und reichte Eric den genannten Betrag, plus ein paar Scheine extra. »Was zu viel ist, das sieh als kleinen Obolus dafür, dass du alles alleine besorgst. Eigentlich wäre es ja meine Aufgabe, dir das Material zu organisieren.«
»Vielen Dank.« Eric grinste sichtlich verlegen, denn was Hermann als 'kleinen Obolus' bezeichnete, davon konnte man schon einiges an Lebensmitteln einkaufen.
»Gut, dann sind wir klar. Ich muss noch was tun und du hast ja auch 'ne Menge zu erledigen, denke ich.«
»Ja, da gibt es noch ein bisschen was, das ich machen muss. Danke für den Tee.« Damit stand Eric auf, verließ das Haus und machte sich auf den Weg in Richtung Stall.
Dort fing er an, die Pferde auf die Paddocks zu bringen, nur sein eigenes ließ er in der Box, da er nach dem Misten nach Visby wollte, um das Material für seine Arbeit zu besorgen.
Als er die Hälfte der Tiere draußen hatte, tauchte Sarah auf.
Völlig außer Atem murmelte sie etwas wie »Sorry, ich konnte nicht früher«, schnappte sich auch zwei Pferde und brachte diese zu den Ausläufen. Eric folgte ihr.
Auf dem Rückweg zum Stall sagte Sarah: »Johanna hat mich angerufen, da sie dich nicht erreichen konnte. Ich soll dir sagen, dass wir nachher zusammen misten, wenn sie und Riley wieder da sind.«
Das passte so gar nicht in Erics Plan. »Danke für die Info, dann reite ich jetzt erst mal rüber nach Visby und erledige meine Sachen. Wer weiß, wann die beiden hier eintrudeln.«
Er holte seinen Wallach aus der Box, putzte ihm den Dreck aus dem Fell und verließ eine Viertelstunde später den Hof.
Im Kopf ging er noch einmal seine Einkaufsliste durch, als ihn ein schrilles Wiehern aus seinen Gedanken riss.
Er hob den Blick und sah unten an den Paddocks ein nervös tänzelndes, dunkles Pferd, neben dem ein junger Mann lief, der versuchte, das aufgebrachte Tier zu beruhigen.
Als Eric näher kam, erkannte er, dass der Mensch, der am Führstrick hing, Riley war.
»Was hast du denn da für ein Nervenbündel mitgebracht? Pass auf, dass du dir nicht den Hals brichst«, rief Eric ihm im Vorbeireiten zu. »Ich mach eben ein paar Besorgungen – bis später.«
Damit trieb er sein Pferd in einen leichten Galopp.
Riley sah seinem Mitbewohner, dessen Davongaloppieren Flame noch ein wenig mehr aufgedreht hatte, einen Moment hinterher, dann setzte er seufzend seinen Weg fort.
Als sie den Innenhof des Stalls endlich erreichten, hatte sich die Stute etwas beruhigt. Riley kraulte sie unter ihrer langen Mähne und sie schnaubte leise.
»Wir haben es geschafft, Mädchen.«
Er brachte das Pferd in eine der leeren Boxen und gab ihm eine Handvoll Heu zu fressen. Dann lief er hinunter zu den Paddocks und holte Braveheart. Er führte den Kaltblutwallach auf den Reitplatz gegenüber der Ferienhäuschen, ging dann wieder zurück zum Stall um Flame aus ihrer Box zu holen und sie zu Braveheart zu bringen.
Nachdem die beiden Pferde sich ausgiebig beschnüffelt hatten, drehte die Stute sich um und begann über den Platz zu toben.
Das Kaltblut tat es ihr nach und brachte dabei den Boden zum Beben. Riley lehnte sich gegen die Umzäunung und sah den beiden Tieren amüsiert zu. Nach einer Weile beruhigten sich die zwei und Flame warf sich erst mal zum Wälzen auf den Boden.
Riley wandte den Blick vom Geschehen auf dem Reitplatz ab und schaute hinauf zum Himmel ... es sah nach Schnee aus.
»Bestimmt wird es bald schneien«, hörte er, wie zur Bestätigung, eine Stimme hinter sich.
Den Blick senkend, drehte er sich langsam um.
Vor ihm stand Sarah, die ein wenig unsicher wirkte. »Wenn ich dich störe, sag es. Dann geh ich wieder.«
Doch Riley schüttelte den Kopf. »Nein, ist schon okay. Bleib ruhig hier.«
Lächelnd sah die Blonde ihn an und sagte: »Hübsches Pferd hast du da
mitgebracht.«
»Das ist sie.« Riley nickte. »Flame ist gerade angeritten und ich soll ihr ein bisschen mehr beibringen.«
Eine Weile standen sie schweigend da und beobachteten die beiden Tiere, die mittlerweile nebeneinander vor sich hin dösten, dann fragte Sarah: »Also bildest du Pferde aus?«
»Von Zeit zu Zeit«, erwiderte Riley und sein Blick wanderte über das blonde Mädel hinweg in Richtung der Hofeinfahrt, wo in dem Augenblick Johannas Auto auftauchte.
Sie parkte ihren Wagen im Schutz des Carports und kam zu ihnen herüber.
»Und ... wie hat sie sich benommen? Also Flame«, wollte sie wissen und zwinkerte Riley zu, mit einem Seitenblick auf ihre Freundin.
»Oh ja ... klar ... pffft!« Sarah sah Johanna genervt an.
»Selbst schuld«, erwiderte diese lachend und wandte sich wieder an Riley, der sich seinerseits ein Grinsen nicht verkneifen konnte. »Nun?«
»Sie ist schrecklich nervös, aber sie ist ja auch noch sehr jung und kennt wohl wirklich nicht viel«, erwiderte Riley.
»Na, das wird schon. Sie ist ja hier um was zu lernen«, meinte seine Chefin lächelnd, dann setzte sie ein ernstes Gesicht auf und sagte: »Gut, lasst uns misten gehen.«
»Eric ist nach Visby geritten, um Besorgungen zu machen. Er wollte eigentlich mithelfen«, warf Sarah ein und sah ihre Freundin an.
»Kann er machen, wenn er zurück ist. Das wird ja keine Ewigkeit dauern bei ihm und falls er es nicht rechtzeitig schafft, dann ist das auch kein Beinbruch.« Damit ging Johanna los Richtung Stall. Riley und Sarah folgten ihr.
Die drei legten sich ordentlich ins Zeug und als Eric eine Dreiviertelstunde später den Stall betrat, waren sie fast fertig.
»Gutes Timing.« Johanna grinste den Blonden an. »Bring dein Pferd in die Box und dann darfst du für mich weitermisten. Ich muss dringend noch ein paar Telefonate führen.«
Damit lehnte sie ihre Mistgabel gegen eine Boxenwand und sagte: »Wenn ihr fertig seid, könnt ihr auch direkt die Pferde reinholen. Es ist einfach zu kalt heute. Füttern übernehme ich mit Sarah später und Eric ... du kommst bitte mal zu mir ins Haus, wenn ihr alles erledigt habt, ich möchte was mit dir besprechen.«
Der Angesprochene sah seine Chefin an und nickte. »Mach ich.«
Dann verließ Johanna den Stall und während Sarah und Riley weiter Mist schaufelten, brachte Eric Wintersongs Trense in die Sattelkammer und seine Einkäufe ins Reiterstübchen ... richtig wegräumen würde er sie später – den Lebensmitteln konnte bei den eisigen Temperaturen ja nichts passieren.
Nach einer weiteren halben Stunde, war alles gemistet und die Drei machten sich auf, die Pferde von den Paddocks zu holen.
Flame bekam eine Box gegenüber Braveheart, so konnte sie ihn sehen - das musste reichen.
Als alle Tiere in ihren Ställen standen, warf Riley einen letzten Blick in die Runde, verließ das Gebäude und verschwand in Richtung der Wohnbaracke, schloss die Türe auf und betrat das Zimmer.
Er war zwar kein Freund großer Hitze, aber hier drin war es entschieden zu kalt. Leider gab es aber keine normale Heizung, die man einfach hätte aufdrehen können, sondern nur einen Kaminofen, was wiederum den Vorteil hatte, dass es schnell warm sein würde.
Lediglich im Bad war ein Heizlüfter an die Wand montiert.
So verschwand Riley noch einmal nach draußen, um Holz reinzuholen.
Zwanzig Minuten später brannte der Kamin und die Heizung im Badezimmer lief auch. Dorthin verzog sich Riley jetzt.
Er zog seine Klamotten aus und begutachtete sein rechtes Bein.
Flame hatte ganze Arbeit geleistet und ihm ein paar ordentliche blaue Flecken verpasst.
Du wirst nicht daran sterben, dachte er und verschwand unter der Dusche.
Nach einer gefühlten halben Ewigkeit war er fertig. Das heiße Wasser hatte ihm gutgetan.
Was war er doch für ein Weichei geworden!
Seit Tylers Tod kroch er nur noch auf Sparflamme herum.
Wenn sein verstorbener Partner ihn so sehen würde, er hätte ihn in den Hintern getreten.
Riley seufzte, trocknete sich ab und sprang in T-Shirt und Jogginghose. Er stützte sich auf das Waschbecken und sah seinem Spiegelbild einen Moment in die Augen.
»Das muss anders werden«, sagte er zu sich selbst, drehte sich um und verließ das Bad.
In der Wohnstube empfing sein Mitbewohner ihn gut gelaunt.
»Unsere Chefin ist der Knaller. Sie hat mir tatsächlich die kleine, stalleigene Werkstatt zur Verfügung gestellt. Ich wollte mich da jetzt ein wenig einrichten. Würdest du mir den Gefallen tun und die Einkäufe wegräumen?«
Eric deutete auf mehrere Tüten, die auf dem Tisch standen.
Riley schaute in die Richtung und sagte: »Klar, mach ich, kein Problem. Geh du dich einrichten. Johanna ist schon klasse.«
Eric nickte zur Bestätigung. »Okay, dann werd ich mal. Bis später.«
»Bis nachher«, gab Riley zurück und sah seinem Kollegen nach, als dieser die Unterkunft verließ, bevor er sich daran machte, die Einkäufe in Kühl- und Küchenschrank zu räumen.
Nachdem er damit fertig war, legte er noch ein paar Scheite Holz aufs Feuer und sich selbst auf sein Bett.
Er verschränkte die Arme hinter dem Kopf und starrte an die Zimmerdecke.
Eigentlich hatte er verdammtes Glück gehabt, hier im Visby-Stall zu stranden. Der Job war okay, die Leute supernett und er musste auch weder im Stall noch unter einer Brücke übernachten.
Ein Lächeln huschte über Rileys Gesicht. Er hoffte nur, dass das mit ihm und Eric in der Wohngemeinschaft gut ging. Schließlich hatte er keine Ahnung, wie sein Mitbewohner tickte und es würde ein gewisses Fingerspitzengefühl erfordern, das herauszufinden, so viel stand fest. Im Moment war Riley allerdings erst mal froh, dass die Situation so war, wie sie war. Er seufzte leise und schloss die Augen.
Gute zwei Stunden später wurde er durch ein Klappern aus der Kochnische geweckt. Eric war wieder zurück, stand am Herd und kochte.
»Sorry, ich wollte dich nicht wecken«, brummelte der, als er merkte, dass Riley wach war.
»Schon gut, ich wollte eigentlich gar nicht schlafen.« Der Angesprochene grinste verlegen und setzte sich auf die Bettkante. »Kann ich dir irgendwie helfen?«
»Wenn du schon fragst, dann deck den Tisch.«
Nach dem Essen, streckte Riley sich auf seinem Stuhl und sagte: »Also kochen kannst du, das muss man dir lassen. Ich könnte auch, aber ich mach's nicht gerne.«
Eric nickte und räumte die Teller weg. »Jeder wie er mag. Ich werd noch mal in die Werkstatt verschwinden ... ist ja noch früh.« Der Blonde warf sich seine Jacke über und verließ die Bleibe wieder, während Rye sich um den Spül kümmerte. Anschließend versorgte er den Kaminofen ein letzes Mal mit Holz und Briketts für die Nacht. Dann legte er sich wieder auf sein Bett und schaltete sein Handy an um seine E-Mails zu checken. Dabei fiel ihm eine ganz besonders auf, denn sie trug den Namen eines früheren Freundes als Absender: Jeremy