Derweil in Samstags Zimmer:
"Komm mit", hatte Fay zu ihm gesagt und ihn schüchtern am Ärmel gefasst. Luca war ihr gefolgt, durch düstere Gänge, bis Fay zielsicher eine Tür öffnete und ihn in den hell erleuchteten Vorraum von Samstags Zimmer führte. Mira, Wild Child und Tee-jo saßen bereits auf den beiden Sofas verteilt, doch für Fay und Luca hatte man Platz gelassen. Sie saßen nah beieinander. Auf dem kleinen Beistelltischchen standen Sektgläser und weniger später erschien Lily, in einem engen, schwarzen Rock, einen schwarzen Blazer über einer weißen Bluse und die schwarzen Haare zu einem strengen Dutt aufgesteckt, und schenkte ihnen ein. Nachdem sich Lily gegenüber von Samstag und Fay auf das Sofa zu Mira und Tee-jo gesetzt hatte, erschien Samstag und ließ sich in einen breiten Sessel vor Kopf des kleinen Tische fallen.
Luca war nervös. Nicht nur, weil er neben Fay saß, die genau wie die andern vier Mädchen eine gewisse katzenhafte, sexuelle Ausstrahlung besaß. Sondern weil alle gespannt auf Samstag sahen.
Der junge Mann, irgendwie schäbig im Vergleich zu den anderen, grinste ihn freundlich an: "Ich denke, wir schulden dir ein paar Erklärungen."
"Tut ihr das?", fragte Luca und besann sich dann anders: "Liam meinte, auf euren Ausweisen stünden falsche Namen."
Samstag nickte: "Du glaubst doch nicht echt, dass jemand sein Kind Samstag nennen könnte, oder?"
Luca zuckte mit den Schultern: "Es gibt verrückte Sachen."
Samstags Gesicht verdüsterte sich: "Da hast du recht. Und das ist auch schon der Kern des ganzen Geheimnisses."
"Das verstehe ich nicht", meinte Luca, als eine kurze Pause folgte. Keines der Mädchen sprach, sie beobachteten Samstag. Luca fühlte sich immer unwohler.
"Nun", begann Samstag langsam: "Wir sind keine normalen Gäste der Tour, das stimmt schon. Wir tragen falsche Namen, Decknamen. Kaum jemand kennt unsere echten Namen. Ich kenne auch die echten Namen der fünf hier nicht, und dabei sind sie meine Schülerinnen."
"Schülerinnen?", echote Luca, dem Samstag nicht wie ein Lehrer vorkam.
Doch der nickte: "Wir sind Spezialisten für das Ungewöhnliche. Ich bin ein richtiger Spezialist, die fünf hier wollen es werden - und sind auf dem besten Weg."
Luca schluckte: "Das klingt ziemlich nach Fantasyroman."
"Es ist eine Horrorgeschichte", sagte Samstag ernst: "Wir sind auf die Tour aufmerksam geworden, weil es hier nicht mit rechten Dingen zugeht."
"Also stimmt etwas wirklich nicht", meinte Luca.
"Wir haben viel über die Tour herausfinden können, weil wir ein gutes Team zur Nachforschung haben. Unsere eigenen Geheimagenten. Aber trotzdem gibt es viele Geheimnisse um die Tour."
"Was wisst ihr?", fragte Luca sofort.
"Wir kennen die meisten Hotels, die besucht werden. Wir haben mit Leuten wie Samira gesprochen, die die Besucher der Tour getroffen haben. Aber - hier wird es seltsam - wir haben niemals die Gäste selbst ausfindig machen können. Sie sind verschwunden. Sogar ihre Familien wissen oft nicht, wo sie sind. Als hätten sie die Personen einfach vergessen. Die Menschen verschwinden einfach."
Luca merkte, dass er blass geworden war. Die Mädchen musterten ihn, als wollten sie jederzeit aufspringen, falls er ohnmächtig werden sollte.
"Verschwinden?", fragte er leise und tastete nach seiner Hosentasche, wo sonst immer sein Handy war. Aber das hatte man ihnen schon abgenommen.
Samstag nickte und behielt ihn fest im Blick, wie ein Arzt, der abwog, wie viel er dem Patienten noch zumuten konnte.
"Und - ähh - Niemand vermisst sie?"
"Manche glauben, dass die Personen im Ausland sind. Oder einfach nur woanders arbeiten und sich selten meldet. Andere Gäste haben keine lebenden Verwandten mehr. Aber bei manchen ... sie werden einfach vergessen."
Luca schauderte. Fay berührte ganz leicht seine Seite: "Ich glaube, er braucht Zeit, um das zu verdauen. Er ist ein Zivilist."
"Bin ich das?", fragte Luca leise.
Fay lächelte ihn so niedlich schüchtern an: "Du bist nicht mit solchen Sachen aufgewachsen. Wir schon. Das macht dich zu einem Zivilisten. Allerdings bist du nun eingeweiht."
"Fay wollte dir die Wahrheit erzählen", sagte Samstag erklärend: "Normalerweise tun wir das nicht. Du kannst deinen Freunden alles erklären, wenn du willst, aber es kann sein, dass sie dir nicht glauben. Ansonsten müsst ihr das Geheimnis aber bewahren."
Luca nickte. Ihm war ein bisschen schwindelig von den Erklärungen.
"Eines noch", fiel ihm ein. Er glaubte inzwischen an alles: "Gibt es Geister?"
"Nicht nur die", sagte Samstag düster und Luca schluckte.