Teil der Show:
Er hatte niemals an Monster geglaubt. Jetzt wurde Max auf grauenvolle Weise eines besseren belehrt. Er konnte die Augen nicht von der Frau nehmen, die hinter ihnen herum stolperte.
Das war keine Frau, sondern ein Mann in Frauenkleidung, der leise vor sich hin brabbelte, offenbar mit sich selbst im Streit, wobei er jedoch nur eine Stimme sprach: Die des Sohnes.
„Mama, ich hab dir gesagt, bleib oben!“
Max erschauerte. Das war doch nicht mehr normal! Er sollte hier an Zimmerfenstern kratzen, während dieses Wesen in seinen Nacken atmete?
Allerdings wusste er genauso gut, dass er nicht aufgeben durfte. Die Veranstalter dieser Show hatten Jimmy in ihrer Gewalt, seinen kleinen Bruder. Max biss die Kiefer so fest aufeinander, dass die Zähne knirschten. Jimmy hatte das nicht verdient – in einen Keller eingesperrt zu werden wie ein Tier. Er würde ihn befreien müssen, und seine Mutter wohl auch.
Frau Fisher war niemals die Mutter gewesen, die Max und Jim gebraucht hätten. Sie interessierte sich scheinbar nur für ihre Fernsehsendungen, und für ihr gebrochenes Herz, nachdem Harry mit einer Jüngeren durchgebrannt war. Alles, was Max' Mutter geblieben war, waren zwei Kinder und ein Haufen amerikanischer Bücher von Harry.
Max hatte seitdem auf seinen Bruder aufgepasst, und so hielt er es immer noch. Obwohl er seine Mutter hasste, würde er niemals zulassen, dass Jimmy Leid geschah. Und dazu gehörte es auch, sich mit seiner Mutter zu versöhnen, wenigstens zum Schein. Jimmy liebte diese Frau mit aller Hingabe und konnte weiteren Streit nicht ertragen.
Max zwang sich, darauf zu achten, was er tat. Er musste gut sein, dann würde er von Hotel zu Hotel weiter kommen. Und dann würde er irgendwann frei sein und sich bewiesen haben. Dann musste Samira seinen Bruder freilassen.
Der Gedanke an Jimmy verlieh ihm neue Kraft. Er war der erste, der den ihm zugewiesenen Jungen aus dessen Zimmer vertrieb. Dann half er den anderen, insbesondere Karo, die sich wirklich ungeschickt anstellte.
Es dauerte nicht lange, bis Sarah eingeschritten war und alle Gäste in dem Zimmer des Rollstuhlfahrers hockten.
Max, Karo, Jason und die anderen Mitarbeiter wichen zurück. Bates hatte sie davor gewarnt, auch nur in der Nähe zu bleiben. In Gestalt der Frau trat er vor und lauschte an dem Fenster.
Max schloss die Augen, als Bates ausholte. Danach erklang das Klirren einer zerbrechenden Fensterscheibe und panische Schreie. Die Gäste flohen, während Wind durch das geborstene Fenster zischte.
Karo zitterte, aber Max zwang sich, ruhig zu bleiben. Er würde die Aufgaben erledigen, die man ihnen auftrug. Er würde sich als würdig erweisen, er würde weiterkommen. Bei Karo war es doch nur eine Frage der Zeit, bis sie zu schlecht war, um diese Ehre zu erhalten.
Max beobachtete, wie Norman Bates über seine Mutter schimpfend einen Ast herbei schleppte, um den Angriff als Unfall zu tarnen. Dann ging er los, um die Gäste zurück zu holen.
Hinter Max war, wie aus dem Nichts, Samira aufgetaucht. Er fuhr zusammen, als er die blonde Frau plötzlich bemerkte.
Sie wirkte gelangweilt und händigte ihm einen kleinen Zettel aus: „Du kommt auch weiter, Fisher. Ihr werdet bei Morgengrauen abgeholt.“
Dann ging sie weiter und händigte Karo einen ähnlichen Zettel mit den gleichen Worten und dem gleichen Tonfall aus.
Max war entgeistert. Was musste er denn noch tun, um Anerkennung zu bekommen? Wütend zerknüllte er den Zettel in der Hand, um ihn gleich darauf glatt zu streichen. Sie waren ja erst bei dem dritten Hotel. Es würde sich schon noch zeigen, wer der Beste von ihnen war.
Er verstaute den Zettel gut und sah zum Himmel. Es würde wohl eine Weile dauern, bis die Sonne aufging.