Falle:
„Da“, sagt Mira und tippt mit dem Zeigefinger auf eine Stelle des Gebäudeplans.
„Ha, ich hatte Recht. Wir müssen in den Keller“, freut sich Samstag, ungeachtet der Tatsache, dass ihm zuvor niemand widersprochen hatte. Vielleicht wollte er die verlorene Wette von vorher aufholen.
Mira prägte sich den Weg zu dem Kontrollraum ein. Dann nickte sie und ging los, den kleinen USB-Stick mit ihrer Aufnahme gezückt wie eine Waffe.
Ihr Lehrer an der Akademie hatte ihr beigebracht, dass alles eine Waffe sein konnte. Während Sam, Amy und Luca ihr durch die verwirrenden Gänge des Keller folgten, tastete Mira nach ihrem Messer. Im Zweifelsfall könnte sie mit allem kämpfen, aber sie bevorzugte immer noch richtige Klingen. Oder besser noch Schusswaffen, mit denen man eine gewisse Distanz zum Gegner hatte. Falls dieser Gegner nämlich versuchen sollte, sie zu beißen, verhexen, ihre Seele zu stehlen, ihr Blut zu trinken oder was auch immer ihnen hier begegnen mochte, dann hätte sie lieber Abstand.
„Luca, du hältst Ausschau“, sagte Samstag, als sie sich der richtigen Tür näherten. Mira zückte ihre Waffe, während der schlaksige Junge an einer Ecke Posten bezog. Luca und Samstag waren sich ziemlich ähnlich, fand Mira. Ähnlicher Körperbau, ähnliche Frisur, sogar ein ähnlicher Humor. Man könnte die beiden für Brüder halten, wäre da nicht der offensichtliche Altersunterschied und die Tatsache, dass ihre Gesichtszüge nichts gemeinsam hatten.
Mira lauschte an der Metalltür. Sie hörte nur das schwache Surren von Maschinen, keine Geräusche, die auf Menschen hindeuteten. Es war auch mitten in der Nacht.
Mit Schwung stieß sie die Tür auf. Sam und Amy hoben die Waffen, um einen möglichen Angreifer zu überwinden.
Der kleine Raum war leer und dunkel bis auf diverse blinkende Lichter. Um möglichst wenig Spuren zu hinterlassen, wenn sie im Dunkeln herumtasteten, schaltete Mira ihre Taschenlampe ein – Samstag legte den Lichtschalter um und helles Licht strahlte ihnen entgegen.
„Gnarf“, sagte Mira und schützte ihre Augen vor dem Licht.
„Stell dich nicht so an, Dracula“, spottete Sam und ging in den kleinen Raum. Als Mira nicht sofort folgte, machte er eine spöttische Verbeugung: „Sie sind herzlich eingeladen.“
Mira schnitt ihm eine Grimasse.
Sie durchsuchten den kleinen Raum, um zu ermitteln, womit die Computer verbunden waren. Samstag, der davon deutlich mehr Ahnung hatte, fand die Verbindung zu den Lautsprechern. Er bastelte den Stick an eine der Maschinen, von der hinteren Seite, damit das kleine, schwarze Gerät nicht entdeckt wurde. Der Stick, Bestandteil von Miras Aufzeichnungsgerät, war wenig mehr als ein USB-Anschluss mit einem kurzen, schwarzen Endstück.
„Okay, kannst du die Lautsprecher hacken?“, fragte Sam, während er den Rechner hochfuhr und nach nur drei Versuchen das Passwort knackte.
Mira nickte und nahm auf einem kleinen Drehstuhl Platz. Sie betrachtete das Programm eine Weile, dann flogen ihre Finger eilig über die Tastatur, die ungewöhnlich schwer war.
Sie brauchte eine Dreiviertelstunde, dann hatte sie die Lautsprecher so eingestellt, dass sie tagsüber ihre Aufnahmen am unteren Bereich des Hörbaren abspielten, und zwar ohne, dass der Rechner das irgendjemandem meldete. Mit einem kleinen Tuch entfernte Mira ihre Fingerabdrücke und sie verließen den Raum. Luca auf seinem Posten am Ende des Ganges war halb eingeschlafen.
„Das war nicht besonders schwer“, meinte Amy optimistisch. Langsam schien das Mädchen zurückzukehren, das Mira damals kennengelernt hatte.
Als sie die Vorhalle des Hotels durchquerten, ging bereits die Sonne auf.
„Suchen wir uns besser ein Versteck“, meinte Samstag. „Wir haben noch etwas Zeit, bis dieser schreckliche, grüne Bus kommen sollte.“
Die anderen nickten müde. Mira streckte ihren verkrampften Rücken.
Samstag lauschte noch einmal mit einem Lächeln. Es war nichts zu hören, vielleicht ein leises Knistern im Hintergrund.
„Irgendwie glaube ich gerade, Teufel gibt es überhaupt nicht“, grinste er.