Kenne deine Feinde:
Sie wanderten weiter. Amy, Luca und Tobias wirkten misstrauisch und angespannt, Karo unglücklich. Max achtete gut auf die vier. Ifrit hatte ihm beigebracht, dass er seine Gegner kennen musste, in ihnen lesen wie in einem Buch. Und Max nahm sich diese Hinweise zu Herzen.
Er bemerkte ihre veränderte Körperhaltung. Amy, Luca und Tobias – oder auch Kassie, Mo und Blaze – hielten sich aufrecht und stolz, sie waren aufmerksam und hielten sich immer dicht bei den jeweils anderen beiden. Sie behielten auch Ifrit und Asmodai im Blick.
Max sah, wie Ifrit ihm einen Blick zuwarf. Kurz darauf ließ sich die rothaarige Frau zurück fallen. Max verlangsamte seine Schritte, bis er neben ihr ging.
„Was meinst du?“, fragte sie ihn leise und deutete mit dem Kopf auf die drei Gäste.
„Sie haben sich verändert“, murmelte Max.
Ifrit verdrehte die Augen. „Was für eine Beobachtungsgabe, Mister Holmes!“
Max sah sie von der Seite an und versuchte zu ergründen, ob sie nur scherzte oder ernsthaft genervt von ihm war.
„Samstag muss sie ausgebildet haben“, sagte er vorsichtig. „Sie sind wachsam. Und sie können kämpfen.“
Ifrit zog die Pistolen, die sie Amy abgenommen hatte, hervor und betrachtete diese nicht besonders beeindruckt.
Max nahm all seinen Mut zusammen. „Wir haben sie bisher unterschätzt. Ich denke, das sollten wir nicht mehr tun. Ich weiß, du glaubst, dass sie das zweite Hotel schon nicht mehr überleben, aber ich könnte mir vorstellen, dass sie durchkommen.“
Ifrits gelbe Augen fixierten ihn. Max fragte sich unwillkürlich, ob er zu weit gegangen war.
„Ich habe sie nicht unterschätzt“, zischte sie gefährlich leise. „Jedenfalls in der zweiten Tour nicht mehr. Wen ich unterschätzt habe, sind Elaine und Elizabeth, Sams kleine Freundinnen. Sie hätten nicht einmal ahnen sollen, dass Sam in Gefahr ist. Trotzdem sind sie mit einem ganzen Kampfkommando angerückt. Hätte ich damit gerechnet, dass sie Anna van Helsing mitbringen, wäre die Sache anders gelaufen.“
„Aber jetzt rechnest du damit?“, fragte Max vorsichtig.
Ifrit nickte. „Ich rechne auch damit, dass sie sämtliche Wächter in Phantasma und Realitas mitbringen! Noch einmal werden sie uns nicht überraschen.“
Max sah sich in der eintönigen Landschaft um. Ihm kam es langsam so vor, als würden sie nicht von der Stelle kommen, als würden sie auf einem Fließband laufen, während das Gras zu den Seiten gleich blieb.
„Eine Frage“, sagte er und wartete auf das Kopfnicken, mit dem Ifrit ihm zu reden erlaubte. „Warum töten wir sie nicht jetzt schon?“
Ifrit lächelte und legte ihm einen Arm um die Schultern. Max schauderte.
„Maximilian, es geht hier nicht um den Sieg“, sagte Ifrit. „Es geht um den Spaß. Wenn wir Mo, Kassie und Blaze jetzt schon töten, was sollen wir dann die restlichen sechs Hotels lang machen? Däumchen drehen?“
Ihre Hand griff seine Schulter wie ein Schraubstock. „Max, ich habe dich am Leben gelassen, weil du den Willen gezeigt hast, dich einer Herausforderung zu stellen. Unsere Herausforderung hier ist es, diese drei Wächter so lange zu zermürben und zu zerschlagen, bis sie keinen Widerstand mehr leisten können. Wir spielen mit ihnen, und wenn wir fertig sind, lassen wir sie liegen – sogar, falls sie noch leben sollten, denn sie werden uns im ganzen Leben keine Probleme mehr bereiten. In allererster Linie geht es allerdings darum, Samstag zu zeigen, wozu wir fähig sind: Ihm Hoffnung vorzugaukeln, und diese zu zerschlagen, sobald er glaubt, dass die drei Clowns da entkommen könnten.“
Ifrit ließ Max los und sah ihm in die Augen. „Verstehst du das? Wir sind die Bösen. Wir sind nicht nur intelligent, nein, wir sind grausam.“
Max nickte langsam. „Ich verstehe“, sagte er.
Ifrit wirkte zufrieden. Sie beschleunigte ihre Schritte wieder und Max eilte ihr hinterher.
„Grausam“, flüsterte er und sah zu seinen ehemaligen Mitbewohnern.