Alpträume:
Blaze erstarrte, als er sich den sieben Wölfen gegenüber sah. Die Tiere knurrten und geiferten, bleckten die langen Zähne und sprangen auf ihn zu.
Blaze umklammerte die Lehne seines Rollstuhls und spürte, wie sein Herz raste. Er kannte diese Wölfe. Seit Jahren verfolgten sie ihn in seinen Alpträumen, jagten ihn und er konnte nicht rennen, blieb wie angewurzelt stehen, so wie jetzt, weil seine Beine kaputt waren.
Aber jetzt hatte er den Enthinderer, fiel ihm ein. Kurz bevor die Wölfe bei ihm waren, hieb Blaze mit der Faust auf einen Knopf und der Enthinderer hob sich in die Höhe, wuchs mehrere Meter in die Luft und brachte Blaze in Sicherheit vor den Wölfen.
Die sieben sprangen knurrend und geifernd um die Räder herum. Blaze tippte gegen die Steuerung und glitt vorwärts. Er konnte Kassie jetzt sehen, die auf dem Boden kauerte, eine riesige Spinne über sich.
Die Spinne zuckte plötzlich, als Blaze näher kam. Sie verwandelte sich, wurde weiß und trug ein Stethoskop über dem Kittel. Es war ein Mensch, ein Arzt.
„Es tut mir leid, Tobias. Aber wie es scheint, ist die Krankheit doch schlimmer als angenommen. Ich denke, du hast vielleicht noch zwei Jahre zu leben. Vielleicht weniger.“
Blaze starrte den Arzt an. Der zuckte, ihm wuchsen acht haarige Beine, als Kassia aufsah.
„Ihr seid Alpträume“, flüsterte Blaze. Die Wölfe zu seinen Füßen jaulten.
Blaze ließ den Enthinderer absinken und starrte die rotäugigen Wölfe an.
„Ich habe keine Angst vor euch!“, schrie er und spürte, dass es die Wahrheit war.
Die Wölfe winselten. Dann veränderte sich ihre Form. Das struppige Fell wurde glatt, die Augen runder, die mageren Körper wurden massiger. Aus den spitzen, schmalen Ohren wurden rundere Ohren.
Plötzlich waren es keine Wölfe mehr sondern sieben schwarze Hunde, nicht pechschwarz, sondern von normaler Farbe. Sie sahen Blaze mit schief gelegtem Kopf an, drei wedelten zaghaft mit den Schwänzen.
Kassandra schrie, die Spinne beugte sich über sie. Blaze fuhr herum. „Kassie!“ Er streckte eine Hand nach ihr aus, trieb den Enthinderer an.
Die sieben Wölfe überholten ihn und stürzten sich auf die Spinne, die noch immer in einem weißen Kittel steckte. Sprachlos hielt Blaze an und konnte nur zusehen, wie die Hunde sich in die Beine der Spinne verbissen. Einer wurde in die Luft geschleudert und schlug laut auf dem Boden auf, ein anderer wurde von einem Spinnenbein zerteilt. Die Hunde lösten sich in Rauch auf, doch plötzlich sprangen sie unversehrt aus dem Nebel heraus und griffen wieder an.
Die Spinne gab ein hohes Kreischen von sich und zog sich zurück. Die Wölfe folgten ein Stück, dann blieben sie stehen und bellten drohend.
Blaze löste sich aus seiner Starre und rollte zu Kassie, die soeben aufstand.
„Alles in Ordnung?“
„Ja … ja, mir geht es gut“, ihre Stimme klang noch etwas zittrig.
Blaze bemerkte eine große, schwarze Kugel, die in der Luft schwebte, eine Kugel aus glattem, schwarzen Glas. Er sah auch eine Öffnung und dahinter …
„Mo ist da drin“, sagte Kassie, als auch Blaze den braunen Haarschopf erkannte.
„Dann holen wir ihn mal da raus“, sagte er und pfiff die schwarzen Hunde zu sich. Sie gehorchten auf seine Gedanken und sprangen in die Kugel. Knurren ertönte, dann huschte ein unförmiger, schwarzer Schemen aus der Kugel und davon. Blaze ließ den Enthinderer in die Höhe fahren und streckte einen Greifarm nach Luca aus.
Er legte den älteren Jungen auf den Boden vor sich und schickte dann einen Hund los, um Karo herzulocken, die sich geweigert hatte, Kassie in die Gefahr zu folgen.
„Danke, dass du gekommen bist“, sagte Kassandra und betrachtete dabei eingeschüchtert seine Wölfe. „Ohne dich wäre ich wohl tot. Wie hast du das geschafft?“
„Es sind Alpträume. Wenn man keine Angst hat, verlieren sie ihre Macht“, meinte Blaze. Er musterte die Wölfe. „Ich weiß allerdings nicht, wie ich sie los werde.“
„Darum kümmern wir uns später“, meinte Kassie und beugte sich über Mo.
„Mo? Mortimer, kannst du mich hören?“
Sie ohrfeigte ihn.
Mortimer blinzelte, stöhnte und versuchte, sich zur Seite zu rollen. Kassie hielt ihn fest: „Mo, sag was!“
„Hi … hilfe“, krächzte Mortimer. „ich will nicht arbeiten!“
„Was?“, fragte Kassie und lachte irritiert, allerdings nur kurz. Blaze sah seinen siebten Hund aus dem Nebel trotten, dicht gefolgt von Karo, die erleichtert aufatmete, als sie die Gruppe erkannte.
Mortimer setzte sich auf und rieb sich die Augen. „Wo bin ich?“