Angriff
Hatora sah Mikkel an. "Ist Dein Schwert geschärft, junger Lichtkrieger?, fragte sie. Du wirst es heute brauchen, genau wie Deinen Bogen." Sie stellte sich vor Mikkel und legte ihre Hände auf seine Schultern. Wie aus dem Nichts erschien ein Kristall in ihrer Hand, der an einer Kette hing. "Trage dies nun junger Mikkel. Es möge Dir Schutz gewähren und Dir Kraft geben. Bedenke stets die Dinge, die wir Dich hier gelehrt haben." Sie legte Mikkel die Kette um und steckte den Kristall in sein Hemd, so dass er nicht mehr sichtbar war.
Mikkel bedankte sich bei Hatora und sah sie erwartungsvoll an. Dann ergriff sie das Schwert, dass vor ihr auf dem Tisch lag, hob es hoch in die Höhe und rief laut:"Für die Kristallstadt!"
Rasch schritt sie zur Tür und Mikkel folgte ihr. Lauter Kampflärm war von draussen zu hören. Mikkel war aufgeregt, doch hatte er keine Angst. Sehr aufmerksam und konzentriert folgte er Hatora auf die unteren Ebenen, bis sie den Ausgang erreichten. Qualm wehte heran. Schreie ertönten. Kampflärm erfüllte die Luft. Hatora sprang mehrere Treppen auf einmal nehmend auf die herannahenden Feinde zu. Mikkel folgte ihr und wunderte sich über ihre Kraft und Geschicklichkeit.
Alturin und Bengolf standen einer Übermacht gegenüber. Welle um Welle der Angreifer brandete unaufhörlich heran. Viele Tote und Verwundete lagen auf dem Platz und die Pfeile der Lichtkrieger fanden immer neue Ziele. Doch die Zahl der Angreifer war zu gross. Die ersten von ihnen erreichten ihre Reihen.
"Lanzen vooooor," schrie Alturin und scharfe Speerspitzen wurde aus der zweiten Reihe gegen die Angreifer gerichtet. Doch unbeeindruckt davon rannten die Askaden gegen den Wall aus Speeren an. Die erste Angriffswelle war abgewehrt und viele der Feinde aufgespiesst, doch sofort rückten die Krieger der Askaden nach. Noch bevor die nächsten Speere gerichtet waren rannten die feindlichen Krieger gegen die Reihen der Lichtkrieger an.
"Schwerter," schrie Alturin laut und hob sein Schwert. Die nächsten Wellen der Askaden brandeten auf die Reihen der Verteidiger. Innerhalb kürzester Zeit war ein Kampf Mann gegen Mann entbrannt. Die Wucht des Aufpralls der einströmenden Askaden riss Löcher in ihre geordeneten Reihen und wie ein gefrässiger Wurm suchten sich die Askaden den Weg zum Kern der Kristallstadt. Die ersten Angreifer hatte Alturin abgewehrt. Wirr hing sein Haar ihm in die verschwitzte Stirn. Ein grosser, kantiger Askadier stürmte mit wildem Geschrei und erhobenem Schwert auf ihn zu. Alturin schwang sein Schwert in die Höhe und schleuderte es in einer schnellen Drehung dem Askadier entgegen. Die Wucht des Schwertes holte den Feind von den Beinen. Alturin zog sein Schwert aus dem sterbenden Körper.
Bengolf hatte es mit drei Angreifern zu tun. Er hatte noch ein Kurzschwert zur Hilfe genommen und mit wirbelnden Bewegungen wehrte er die Angriffe erfolgreich ab. Die Schlacht tobte nun schon mehr als eine Stunde und Bengolf spürte seine Kräfte langsam schwinden. Er konnte eine kleine Pause gebrauchen, doch hier hiess es jetzt - entweder - oder. Kämpfen oder Sterben. Eine Gruppe von vier Askadiern kam auf ihn zugestürmt. Doch bevor er zum Schlag ausholen konnte, flogen zwei Gestalten an ihm vorbei und streckten die Angreifer nieder. Hatora und Mikkel waren zur Stelle! Sie hatten jeder zwei der Askadier angesprungen und mit einem Hieb ausser Gefecht gesetzt. Bengolf nickte ihnen dankbar zu.
Der Strom der Angreifer riss nicht ab. Wie ein Wirbelwind fegte Mikkel durch ihre Reihen und streckte mit ungeheuerer Schnelligkeit einen Angreifer nach dem anderen nieder. Er staunte über die Gewandheit Hatoras. Eine derartige Schnelligkeit hätte er ihr nicht zugetraut. Viele der Angreifer schienen geradezu geblendet zu sein von ihrer blitzenden Rüstung. Sie vermochte sich so schnell zu drehen, dass man Mühe hatte zu erkennen, wo Vorne und Hinten war. Hatora schlug eine regelrechte Schneise in die Reihen der Angreifer. Mikkel war nur wenige Schritte hinter ihr.
Ein lauter Ruf ertönte aus den hinteren Reihen der Askadier. Ihr Anführer, den Mikkel mit seinen Pfeilen verletzt hatte, war auf dem Weg nach vorne. Der Kampfeslärm ebbte ab. Artron trat von hinten hervor. Seine Männer machten ihm weiträumig Platz. Die Wunde an seiner Hand war verbunden und sein Fuß versorgt worden. Stolz schritt er nach vorn und blieb etwa zehn Meter vor Hatora und Mikkel stehen. Bewaffnet mit Schwert und Schild sah er die beiden mit geringschätzigem Blick an.
"Nun Hatora, Herrin der Kristallstadt, es sieht ganz so aus, als ob Euere Herrschaft sich dem Ende neigt. Dieser askadischen Übermacht werdet Ihr nicht lange standhalten können. Meine Truppen sind zehntausend Kopf stark. Was meint Ihr, wäre es nicht besser für Euch, Ihr würdet Euch ergeben?"
Alle Augen waren auf Hatora gerichtet.
"Ihr überschätzt Euch, Artron. Es mag sein, dass Ihr uns an Zahl überlegen seid, doch unsere Mannen sind besser ausgebildet. Und.......sie dienen einem hehren Ziel, im Gegensatz zu Euch. Wir wissen nicht einmal um den Grund Eures Angriffs."
"Euere Zeit ist um, Hatora! Eine neue Ordnung wird geschaffen werden mit einem neuen Herrscher, der das gesamte Land einen wird, ob Ihr es nun wollt oder nicht. Ergebt Euch seinem Willen oder geht unter."
"Und wer soll dieser neue Herrscher sein,?" fragte Hatora.
"Ein weiser Mann aus dem Waldland, der alle Völker unter seine Herrschaft bringen wird," antwortete Artron.
"Oh, antwortete Hatora, der gute Rincobal scheint mir von Sinnen zu sein und Deinen Geist gleich mit verwirrt zu haben."
Wütende Rufe kamen aus den Reihen der Askaden und einige Bögen wurden auf sie gerichtet. Mikkel hob blitzschnell seinen Schild und stelle sich vor Hatora. Überrascht schob sie ihn wieder etwas zur Seite, doch sein Verhalten gefiel ihr sehr.
"Oh ich sehe, Ihr habt einen neuen Beschützer, der gut mit dem Bogen umgehen kann und feige von hohen Mauern auf seine Angreifer schiesst." Artron hob seine verletzte Hand in die Höhe. "Nun, wenn er ein so guter Kämpfer ist, mache ich Euch ein Angebot, Hatora. Ihr wisst, ist der Anführer der Askaden tot, würden die Truppen abziehen. Es ist Gesetz bei uns, dass in diesem Fall jeder Kampf sofort abgebrochen wird. Euer junger Freund kämpft gegen mich - Mann gegen Mann - Waffen nach seiner Wahl - auf Leben oder Tod. Verliert er, übergebt Ihr uns die Stadt. Gewinnt er, ziehen unsere Truppen ab. Nun, was sagt Ihr dazu?"
Hatora zögerte. Sie wollte Mikkel nicht gegen diesen kampferprobten Barbaren kämpfen lassen. Es musste einen anderen Weg geben. Da drehte sich Mikkel zu ihr um. Sein Blick und etwas in seinen Augen liess sie stutzen. Sie nahm ihn plötzlich zwanzig Jahre älter wahr und wusste, dass dies ein Zeichen war.
"Herrin, sagte Mikkel, ich bitte Euch. Dies ist mein Kampf. Mein Kampf für Euch und für die Kristallstadt. Ich werde Euch bestimmt nicht enttäuschen. Vertraut mir."
"Er ist sehr stark Mikkel und sehr gerissen und.....es steht sehr viel auf dem Spiel," warf Hatora ein.
Mikkel legte seine rechte Hand auf ihren Arm und schaute in ihre Augen. "Ich werde ihn besiegen, Herrin. Vertraut mir. Das Blut eines einzelnen Mannes, anstatt das Blut vieler tausend Menschen."
Schliesslich willigte Hatora ein. Mikkel verbeugte sich vor ihr und schritt nach vorn. Ein Horn der Askaden ertönte und ein grosser Kreis wurde gebildet. Die Krieger schafften Platz für die Kämpfer.
"Nun junger Lichtkrieger, welche Waffen sind die Deinen,? fragte Artron mit hähmischem Blick.
"Was ich brauche habe ich bei mir," antwortete Mikkel knapp.
"Es wird ein kurzer Kampf werden, Lichtkrieger. Allerdings wirst Du am Ende Deinem Kopf verlieren," spottete Artron unter dem Gelächter seiner Mannen.
Bengolf und Alturin waren heran gekommen. Sie wollten ihrem Schüler nahe sein beim Kampf. Links und rechts von Hatora hatten sie sich plaziert. Das Askadenhorn ertönte abermals. Der Kampf begann.
Mikkel hielt sein Schwert mit dem Griff vor seinem Bauch an den Körper. Die Spitze zeigte in den Himmel. Dann stürmte Artron wie ein Wilder mit lautem Geschrei auf ihn zu. Laute Schreie der Anfeuerung aus den Reihen der Askaden begleiteten seinen ersten Ansturm. Mikkel packte seinen Schild ganz fest und hob sein Schwert. Artrons Aufprall auf Mikkel war heftig. Er hatte sich mit seiner ganzen Körperkraft und seinem breiten Schild gegen Mikkel geworfen und liess nun Schwerthieb um Schwerthieb auf Mikkel niedergehen. Mikkel wurde so mit seinen schweren Schwerthieben eingedeckt, dass er kaum Gelegenheit zu einem Gegenschlag hatte. Die Wunden die Mikkel ihm mit seinen Pfeilen zugefügt hatte, schienen Artron nicht zu bremsen.
Der Hagel von Schwerthieben riss nicht ab. Doch Mikkel verteidigte sich gut. Er blieb stets aufmerksam, wie er es gelernt hatte. Geschickt wich er vielen Hieben aus und sorgte so dafür, dass Artrons Schläge im Nichts verpufften. Der Kampf dauerte nun schon einige Zeit, doch Artrons Kraft und Ausdauer schien ungebrochen. Mikkel wollte ihn an den bereits verwundeten Körperstellen treffen, um ihn dadurch weiter zu schwächen, doch seine verletzte Hand war hinter seinem Schild und somit nicht erreichbar. Blieb noch sein Fuss....
Bei Artrons nächstem Schwerthieb änderte Mikkel seine Taktik und ging aus seiner Verteidigungshaltung zum Gegenangriff über. Er warf sich Artron entgegen und knallte ihm seinen Schild vor den Körper. Für einen Moment war sein Unterkörper ungeschützt. Mikkel ergriff seine Chance und schlug blitzschnell auf Artrons verletzten Fuss ein.
"Aaahhh." Der Schmerzschrei Artrons erfüllte den Kampfkreis. Seine Männer wurden stiller. Artron jedoch schäumte vor Wut. Sein Stiefel war aufgerissen und Blut lief aus der wieder geöffneten Wunde heraus.
"Und nun stirb, Du elender Hund," schrie er aus Leibeskräften und stürmte wie ein Berserker auf Mikkel zu. Mikkel rannte nun ebenfalls mit fest gepacktem Schild und erhobenem Schwert gegen Artron an und mit lautem Knall prallten sie aufeinander. Die Wucht riss beide zu Boden. Mikkel war schneller wieder auf den Beinen und deckte den noch knienden Artron nun seinerseits mit einer Flut von Schwerthieben ein. Ein Raunen ging durch die Reihen der Askaden. In einer solchen Lage hatten sie ihren Anführer noch nie gesehen. Immer heftiger wurden Mikkels Hiebe und Artron bekam keine Gelegenheit, sich wieder zu erheben.
Dann warf Mikkel seinen Schild zur Seite und packte sein Schwert mit beiden Händen. Mit ungeheuerer Kraft schlug er auf den Schild Artrons ein und spaltete ihn in zwei Hälften! Wieder ging ein Raunen durch die Menge. Mikkel stand vor dem knieenden Artron, dem nun nur noch sein Schwert blieb. Doch Mikkel verhielt im Kampf. Er trat ein paar Schritte zurück, bückte sich nach seinem Schild und forderte Artron auf, sich zu erheben. Ein schmachvoller Moment für Artron. Wut blitzte in seinen Augen auf.
Blitzschnell langte er plötzlich in seinen Stiefelschaft, zog ein Messer heraus und schleuderte es auf Mikkel. Die scharfe Klinge fand seinen Körper und drang tief in seinen linken Oberarm ein. Überrascht und mit vor Schmerz verzehrtem Gesicht liess Mikkel seinen Schild sinken. Blut quoll aus der tiefen Wunde. Siegesgeschrei der Askaden branndete auf. Hatora, Alturin und Bengolf blickten starr vor Schreck auf die Szene.
"Du feiger, hinterhältiger Hund," rief einer der Lichtkrieger aus den hinteren Reihen Artron entgegen. Doch Artron blieb unbeeindruckt.
Schwert und Schild waren als Waffen ausgemacht. Dass Artron nun ein Messer gezogen hatte, war gegen die Regeln. Entrüstet blickten die Drei in den Kampfkreis und beobachteten Mikkels Reaktion.
Artron hatte sich wieder erhoben und stand bereit. Mikkel zog unter Schmerzen das Messer aus seinem Arm. Blut rann aus der tiefen Wunde. Dann rannte Artron brüllend mit erhobenem Schwert auf den verletzten Mikkel zu. Er führte eine Hälfte des zerschlagenen Schildes mit sich, den er zuvor aufgehoben hatte. Unter grossen Schmerzen riss Mikkel seinen Schild hoch. Als Artron etwa einen Meter vor ihm war und der drohende Schwerthieb auf Mikkel nieder zu gehen drohte, warf er seinen Schild Artron entgegen und drehte sich geschickt zur Seite. Artron lief völlig überrascht ins Leere. Mikkel war hinter ihm. Sein Schwert war schon unterwegs. Das Letzte was Artron wahrnahm, war das Zischen des herannahenden Schwertes. Dann wurde es dunkel.
Mit beiden Händen hatte Mikkel sein Schwert gepackt und mit all seiner Kraft zugeschlagen. Artrons Kopf schlug auf dem Boden auf. Dann erst fiel sein Körper....
Kein Wort kam aus den Reihen der Askaden. Erschöpft und auf sein Schwert gestützt stand Mikkel als Sieger im Kreis.
Der Kampf war entschieden......