Mitten in der Nacht, es mochte vielleicht so um ein Uhr sein, erwachte Nathalie, weil sie neben sich eine Bewegung wahrgenommen hatte. Sie öffnete die Augen und tastete nach Jonathan, dessen Körper sie bisher auf wunderbare Weise gewärmt hatte. Sie hatte ein Gefühl tiefer Geborgenheit dabei gespürt und sie wusste...dass sie sich bisher noch nie so auf einen Mann eingelassen hatte, wie sie es bei ihm getan hatte.
Doch diesmal spürte sie Jonathan nicht mehr neben sich liegen. Erstaunt schaute sie sich nach ihm um. Sie sah ihn am kleinen Fenster sitzen und in die glasklare Nacht hinausstarren. „Warum bist du nicht im Bett?“ fragte sie leise. „Kannst du nicht schlafen?“ Er lächelte sie etwas gequält an, sie spürte das mehr, als dass sie es sah. Langsam erhob er sich, setzte sich auf den Bettrand und nahm liebevoll ihre Hand. Das silberne Mondlicht, welches durch das Dachfenster flutete, erleuchtete seine ebenmäßigen Züge. Wieder staunte Nathalie welche Sanftheit von ihm ausging. Leise sprach er: „Es stimmt ich konnte nicht schlafen. Vieles beschäftigt mich zu Zeit. Ich dachte darüber nach, dass du nur noch eine gute Woche hier bist und dann...verlässt du mich wieder. Wir haben viel zu wenig Zeit.“ „Aber ich werde schon bald zurückkehren, das verspreche ich dir. Wir werden auch stets Kontakt halten.“ „Ja. Doch...das ist nicht dasselbe. Ich werde dich sehr vermissen. Gerade fand ich eine neue Liebe und dann... muss sie auch schon wieder gehen.“
„Ich muss nochmals zurück in die Schweiz, meine ganze Familie und meine Freunde sind dort. Ausserdem arbeite ich noch im Museum. Ich kann nicht einfach von heute auf Morgen aufhören. Es gibt da noch eine Kündigungsfrist von drei Monaten. Doch ich werde ganz bestimmt hierher zurückkommen und will auch mal an diesem Ort leben. Ich weiss nun, dass ich den Pfad der Animal Riderin gehen will.“ Die Augen von Schwarzes Pferd leuchteten im Mondlicht auf. „Du hast dich also tatsächlich dafür entschieden?“ „Ja. Dies ist mein Weg, meine Berufung. Ich will aber nichts überstürzen. Da gibt es einfach noch Dinge, Verpflichtungen daheim, die ich erst erfüllen muss. Ausserdem muss ich mir hier dann ja eine ganz neue Existenz aufbauen. Wie das genau aussehen soll, weiss ich noch nicht.“ „Du kannst bei uns leben, bei Weisser Feder und mir.“ „Das weiss ich natürlich zu schätzen, doch ich will es allein schaffen. Ich brauche doch einen Job und alles.“ „Du kannst Pferdetrainerin sein.“ „Ich weiss nicht, ob dies wirklich das ist, was ich machen sollte. Ausserdem glaube ich kaum, dass dein Boss mich so einfach fest einstellen würde. Ich habe ja gar keine Basis.“ „Ich unterweise dich.“ Nathalie lächelte und streichelte zärtlich sein Gesicht. „Ich weiss dass du das alles für mich tun würdest. Aber...ich glaube einfach, dass ich als Animal Riderin einen andren Auftrag habe. Einer der noch näher bei den Menschen ist. Doch das ändert nichts an meiner Liebe zu dir.“ Sie schlang die Arme um ihn und zog ihn zu sich aufs Bett. Erneut übermannte sie die Leidenschaft und ihre Körper vereinigten sich ein weiteres Mal im Strudel von Hingabe, Lust und Begehren...
Als Nathalie am nächsten Tag erwachte und feststellte, dass Jonathan immer noch neben ihr lag, fühlte sie sich geborgen und glücklich. Sie betrachtet seinen nackten, schlafenden Körper. Er lag auf dem Bauch und über die durchtrainierte Schultermuskulatur spannte sich seine Haut in bronzenem Schimmer. Er war wirklich ein schöner Mann! Sanft streichelte sie sein langes Haar, das ihn in glänzend schwarzen Wellen umspielte. Es war wunderbar weich und duftete irgendwie etwas nach frischem Harz. In diesem Moment kam Weisse Feder langsam die Leiter hoch. Sie wollte sie wohl wecken. Es war ihr und auch Wandernder Bär- William wohl nicht entgangen, dass Schwarzes Pferd nicht wie üblich in seinem Bett lag.
Als das zwölfjährige Mädchen die beide nun sah, huschte ein leises Lächeln über ihre Lippen und sie zog sich diskret wieder zurück. Nathalie lächelte und küsste Jonathan wach. „Es wird wohl Zeit fürs Frühstück“, sprach sie. Der Indianer war sofort hellwach und schaute etwas erschrocken drein. „War Weisse Feder hier?“ „Ja, doch sie war sehr diskret. Sie hatte wohl damit gerechnete dass du früher oder später in meinem Bett landest,“ scherzte Nathalie. „Nun komm aber, wir sollten uns bereit machen, die Pferde warten sicher schon auf uns.“
Nach einiger Zeit, betrat das Pärchen, nach einer Dusche und dem Ankleiden, das angenehm warme Wohnzimmer. Jonathan Tochter, auch Ellie genannt, benahm sich ganz natürlich und lächelte ab und zu verschmitzt. Nathalie war froh, dass sie so mit dieser Sache umging. Auch Wandernder Bär war sehr freundlich, aber sie fand, dass er ab und zu sehr nachdenklich wirkte. Sie spürte das intuitiv und fragte sich, was wohl in William vorging. Freute er sich nicht mit ihnen? Nein! Das konnte sie nicht glauben. Er hatte sie ja darauf aufmerksam gemacht, dass Jonathan ihr wohl den Hof machen würde und...das Ergebnis war ja abzusehen. Noch immer dachte sie an die leidenschaftliche Nacht, die sie mit dem jungen Indianer verbracht hatte, spürte noch immer seine Berührungen, seine Küsse auf der Haut. Sie legte ihm die Hand auf den Oberschenkel und er umfasste sie mit seiner. Nathalie kam sich vor wie ein turtelnder Teenager. Wandernder Bär betrachtete das Geschehen eher schweigend. War er ärgerlich? Nein, dafür blickten seine Augen zu freundlich! Es war eher etwas wie...Mitleid, Trauer oder sowas. Aber warum nur? Sie beschloss ihn später mal zu fragen.
Als die vier dann das Frühstück gegessen hatten, ging Weisse Feder als erste aus dem Haus, um noch einige Besorgungen zu machen. Nathalie und Jonathan wollten wie üblich zu den Stallungen. Doch Wandernder Bär hielt sie noch einmal zurück. „Morgen hätte ich dich eigentlich gern mal mit in die Pine Ridge Reservation genommen“, sprach er an Nathalie gewandt. „Du hast nur noch eine Woche Zeit und ich habe dir noch einiges zu zeigen und beizubringen.“ Dieser Gedanke gefiel dem Mädchen und offensichtlich auch Jonathan im Augenblick gar nicht. Jetzt hatten sie gerade die erste Nacht zusammen verbracht und nun... sollten sie sich schon wieder trennen. Schwarzes Pferd wollte widersprechen, doch sein Vater gebot ihm, mit einer eindeutigen Geste, zu schweigen. „Geh du schon mal vor!“ meinte er dann freundlich an Nathalie gewandt. „Mein Sohn und ich müssen noch kurz etwas besprechen. Er ist aber bald wieder bei dir.“ Das Mädchen zögerte einen Moment, doch dann gehorchte sie.