31. Juli 2999
Ich fliege so schnell wie der Wind. Mein Atem ist in den Sturm übergegangen und meine Gedanken zucken wie Blitze.
Ich spüre die Hitze in der Luft. Rauch füllt die Atmosphäre.
Das Feuer kommt. Es verschlingt die Welt. Funken fliegen. Und ich fliege mit ihnen, Botschafter der Flammen.
Ich bin noch schwach von meinem Schlaf unter der Erde. Immer wieder muss ich landen. So hoch ich mich auch mit dem Wind schwingen kann, es kostet Kraft. Ich habe keine Flügel, also muss ich mein Gewicht allein mit Magie tragen.
Es kostet fast so viel Kraft, als würde ich mich selbst tragen, oder ein vergleichbares Gewicht. Angst und die Hitze in meinem Nacken treiben mich immer weiter. Ich keuche.
Ich weiß, dass ich rechtzeitig kommen muss. Es ist schon viel zu spät. Die Erde bebt, tief im Inneren. In meinem Versteck habe ich es gespürt.
Der Mantel zieht schwer an mir, will mich am Boden halten. Ich widersetze mich seinem Gewicht, widersetze mich der Natur.
Alle Geister des Windes rufe ich zu meiner Hilfe. Ein Sturm trägt mich. Der Donner drängt mich zur Eile.
Das Ende kommt. Es beginnt, genau jetzt. Es ist kurz vor Mitternacht. Der Mond ist von Sturmwolken verdeckt.
Ich spüre die Spannung in der Luft. Die Hitze des Feuers lässt neue Stürme erzittern.
Ich bin bereits über dem Ödland. Unter mir versinken kurze, braune Grashalme immer tiefer in der trockenen Erde. Dann wird die Erde sandig und dunkelrot.
Die rote Wüste: Der trockenste und heißeste Ort der Welt. Das, was von Australien übrig ist, seit die Sommer unbarmherzig wurden.
Einmal gab es hier Leben. Viel Leben, meist giftig. Selbst Menschen haben hier gewohnt. Jetzt ist Australien ein verbrannter Felsen im Meer. Um den schwarzen Sand schlagen die Wellen hoch, doch im Landesinneren wird es sandig, rot und leer.
Tornados toben über der tödlichen Ebene, bevor die Sandwüste beginnt. Dort herrschen erst Sandstürme und dann drückende, unbewegliche Hitze.
Jetzt bewegen sich die trägen Luftmassen zum ersten Mal seit langer Zeit. Ich fahre in sie wie ein Blitz in eine alte Eiche.
Und ich entzünde sie.
In Sturm und Beben lande ich vor einem geduckten Haus, dass einsam mitten im Niemandsland steht. Ich kann förmlich spüren, wie die Stunde Null näher rückt.
Vor dem Haus haben sich sechs Menschen versammelt. Es scheint, als hätten sie mich erwartet. Aber der Jahrhundertsturm, mit dem ich ankomme, ist auch nicht zu übersehen.
Ich lande und mustere die sechs. Zwei kenne ich bereits, die Zwillinge der Erde. Das Mädchen hat überlebt. Das ist tröstlich.
Daneben stehen noch zwei, die Geschwister sein müssen. Sie haben beide helle Haut und blonde Haare, das Mädchen hat helle Augen,d er Junge sehr düstere. Ein blasses Mädchen mit hellblauen Augen klammert sich an den Arm eines Jungen in einem grauen Mantel.
„Ich nehme an, ihr seid die Kinder?“, frage ich.
Sie nicken, ohne ein Wort zu sagen.
„Schön, dass du es geschafft hast“, sagt das Erdmädchen und lächelt mir schwach zu. Ihr Zwillingsbruder wirft mir einen düsteren Blick zu und knurrt wortlos.
„Ich bin Arved. Mein Element ist die Luft“, stelle ich mich mit einer Verbeugung vor. Ich kann Demetia nicht in die Augen sehen.
Die blonde Frau lacht: „Das haben wir gesehen. Willst du reinkommen?“
Sie versucht das Eis zu brechen. Ich schiebe dem einen Riegel vor: „Wir haben keine Zeit.“
„Warum? Weißt du, wann es beginnt?“, gespannte Erwartung zeigt sich auf den Gesichtern. Angst. Besorgnis.
„Das Ende?“, frage ich, „Ja, das weiß ich. Es beginnt jetzt.“
Und wie aus ein Stichwort tauchen Flammen am Horizont auf. Ich spüre die Hitze bis hierhin. Und ich spüre die Welt beben.
So fängt also das Ende der Welt an.