(Béilo)
Die ganze Nacht und den darauf folgenden Tag blieb ich Arnuk auf der Spur. Sie wollte offensichtlich tatsächlich in den Wald zurück. Ich hatte gerade die Felder vor Olim hinter mir gelassen und befand mich vor dem Wald. Auf dem weichen Boden zeichneten sich ihre Fußabdrücke deutlich ab. Aber da war noch etwas. Ein Stern mit fünf Zacken, ein Bannmahl, war mit Steinen markiert. Vermutlich für die Nachreisenden hinterlassen. Das alles war noch fast frisch, vielleicht eine halbe Stunde alt. Also war ich ihr schon ganz nah! Mein Herz tat einen Hüpfer. Mit schnellen Sprüngen verschwand ich im Wald. Doch an jedem Baum hing Geruch von ihr, kein Hinweis zeigte mir, wo sie lang gelaufen war und schon bald irrte ich hilflos umher. Es wurde immer düsterer, je weiter ich in den Wald eindrang. Dann brach Dunkelheit herein über mich und selbst mit meinen Katzenaugen war nur wenig zu erkennen. Meine Ohren nutzten mir auch nicht viel bei den tausend Tierstimmen und Blätterrauschen die der Wind vermischte. Schließlich gab ich es auf nach ihr zu suchen. Mir blieb nichts übrig, als auf den Tag zu warten um wenigstens ein bisschen erkennen zu können. Im Schneidersitz versuchte ich zu schlafen. Nach längerer Zeit des Dösens hörte ich es plötzlich. Kampfgeräusche. Zischen von Fußtritten und Schlägen, Kriegsgeschrei und Gegurgel und Gequietsche. 'Gremlins beim Revierkampf', dachte ich unbeteiligt und döste schon fast wieder ein.
"Autsch, Mistvieh!" Schlagartig riss es mich hoch. Ein ekelhaftes Klatschen war zu hören. 'Nun klebt das "Mistvieh" am nächsten Ast' schaudernd folgte ich gebannt den Geräuschen. Auf einer kleinen Lichtung fiel ein wenig Mondlicht, so dass wieder etwas zu erkennen war. Und da sah ich sie und roch sie... wieder spielten alle meine Sinne verrückt. Dabei war sie eingehüllt in einen schwarzen Mantel und trug diese seltsame Menschenkleidung. Die Gremlins, die sie eingekreist hatten, stürzten immer stärker giftig geifernd auf sie ein.
"Ich habe jetzt keine Zeit für euch! Hebt euch eure Rache gefälligst für später auf!" keifte Arnuk die wütende Meute an. Da erkannte ich meine Chance. Wie der Wind zischte ich an ihr vorbei und zog die Gremlins, die ihr gefährlich wurden aus dem Kampf. Die letzten fünf tötete sie alleine.
"Wer bist du?" fragte sie, nachdem sie die ûrkait bei dem Anführer ausgeführt hatte. 'Ein sniftisches Ritual...' diese endgültige Gewissheit beruhigte mich.
"Mist, jetzt hast du mich doch bemerkt." zischte ich aus meinem Versteck in der Baumkrone über ihr.
"Natürlich, du Schnecke! Jedes Baby ist schneller als du. Außerdem wäre ich auch alleine zurecht gekommen!" zeterte Arnuk.
"Uh, ich mag Frauen, die stolz sind." lachte ich. "Kein Zweifel, du hättest es auch ohne mich geschafft," schwindelte ich. "Aber mir war langweilig und schließlich wollen wir ja alle unseren Spaß, nicht wahr?"
"Ich frage dich noch einmal, wer bist du?" Mehr Neugier als Wut war nun zu hören, doch ich ließ sie zappeln.
"Nur ein Freund von starken Frauen. Aber wer bist du? Bist du wirklich, was du vorgibst zu sein? Eine Menschenfrau mit Hang zum Nahkampf? Oder ist das nur ein Versteckspiel, Gremlintod?"
Lange blieb es still und schon kam in mir der Verdacht auf, sie wäre heimlich verschwunden, doch dann kicherte sie leise:
"Wer von uns versteckt sich denn hier, hm, du Feigling?" Mir war ihre Absicht klar. Ich tat ihr den Gefallen und ließ mich hervorlocken.
"Ha!" rief sie, als sie mich mit Kapuze und Mantel vor sich sah. "Du wagst es, mir vorzuwerfen ich würde mich verstecken?! Fass dich mal an deiner eigenen Schnauze..." Stille. Geschockt über ihre Unachtsamkeit hielt Arnuk inne. Eine leise Genugtuung veranlasste mich, sie noch weiter in die Enge zu treiben:
"Schnauze? Meinst du nicht Nase?" betonte ich und ging zwei Schritte auf sie zu, die sie sofort zurück trat.
"Ich meine gar nichts! Hey, lass mich los!" Sie wollte davonlaufen...
"Nein."... aber ich hielt sie fest.
"Nein? Lass sofort mein Handgelenk los!" So heftig sie sich auch wehrte, so sehr drückte ich sie an mich.
"Niemals. Ich lass dich nie wieder gehen, Káilanba." Die Überraschung stand ihr in den Augen und auch wehrte sie sich nicht mehr. Die Snift zog mir die Kapuze runter, ich ließ es zu, gespannt, wie sie reagieren würde.
"Das gibt es doch nicht..." stammelte sie verwirrt. "Diese Ohren." "Aua!" Sie zog daran, als ob sie deren Echtheit prüfen wollte. "Die Augen, die Schnurrhaare, die Schnauze! Alles da." Ihr sonst so scharfer Blick verschwamm, ganz wie in Trance tastete sie mich ab. Diesen Moment würde ich nie vergessen, doch da war ein Rascheln hinter mir und plötzlich stürzte ein Schatten über uns.
"Vorsicht!" knurrte ich und warf sie beiseite... "Ah!"*
(Flash)
Noch bevor die Sonne aufgegangen war, weckten uns die Zwergenbrüder mit Höllenlärm auf.
"Jetzt hört endlich mit diesem Geschepper auf!" brüllte der Boss wütend. "Was, zum Gehörnten Tions ist denn in euch gefahren?"
"Im Wald geht was vor!" zeterte Eray.
"Da drin is was faul. Ich spür's in meinem linken kleinen Zeh!" stimmte Emre ihm zu.
"Wie bitte!? Ihr veranstaltet hier so ein Theater, weil Emres kleiner Zeh juckt?" "Wahrscheinlich hat ihn nur ne Ameise angepisst!" grollten die Menschenzwillinge. Wie zum Zweikampf bereit stellten sich die Brüderpaare gegeneinander auf.
"Los creo. Hay una cosa muy peligrosa entre los árboles." brummte Pedro.
"Was sagt er? Elias! Übersetz bitte mal!" forderte Usongu den Elben schroff auf.
"Du weißt, dass ich kein catalan kann, Boss. Aber so wie ich das sehe, findet Pedro Emres Körperleiden nicht so unbedeutend wie du. Er hat ganz offensichtlich Angst." erklärte der Elb gelassen.
"Und was sagst du dazu?" fragte Usongu ihn.
"Ich glaube seine Angst ist berechtigt. Die Pflanzen hier sind böse und durchtrieben. Etwas ist geschehen, dass sie vor Schadenfreude richtig aufblühen lässt, das gefällt mir nicht, Boss."
Vogelgekreische und Flügelschlagen waren auf einmal zu hören und ein großer Schwarm schwarzer Krähen stieg aus den Baumkronen auf.
"Was geht da bloß vor...?" grummelte Marselion. "Usongu, was ist wenn Arnuk etwas zugestoßen ist?"
"Das glaube ich nicht. Dafür ist sie viel zu geschickt." winkte der Boss ab.
"Wo ist denn nun dieses kleine Vieh wieder hin!?" schimpfte Chase, während er aufgebracht zu den Streithähnen dazu kam.
"Wovon redest du?" wollte ich wissen.
"Na von Gothank, der Mistbiene! Gestern Abend lag er noch gefesselt auf dem Stein und heute finde ich nur noch das hier!" Er hielt ein Seil hoch, das von kleinen Zähnen durchgenagt worden war.
"Die Ratte? Die ist heute Nacht in den Wald verschwunden." schnaufte Marselion. "Wär ein nettes Betthupferl gewesen, aber zum Jagen hatte ich keine Lust."
"Dein Glück. Béilo hätte dich umgebracht." murmelte ich leise.
"Lager abbrechen! Wenn sogar dieses kleine Tier die Gefahr gespürt hat, muss etwas passiert sein. Und ich will wissen was!" rief Usongu und in Windeseile waren alle Sachen auf den Pferderücken verstaut und das Feuer gelöscht. Simon streute rote Erde, zum "Spuren verwischen", wie er sagte, über die Brandstelle und an allen Stellen wo jemand gelegen, gesessen oder gestanden hatte.
Die Reittiere waren nun fertig beladen und alle waren in Zweierreihen zusammengebunden worden, wie Zugpferde einer Kutsche. So brauchten sie nur wenig Platz und würden besser durch den Wald kommen. Aber wie? Ließen die Gewächse uns überhaupt ein?
"Auf in den Wald!" grölten Eray und Emre, machten jedoch Usongu Platz. Die Bäume wichen vor ihm zurück. Er hatte die Handschuhe abgelegt und sobald eine Pflanze den Weg nicht freigab, berührte er sie einen Moment lang. Da verrottete sie auch schon. Nun verstand ich auch, warum Relkúag Usongus Namen nicht laut aussprechen hatte wollen. Die Wesen dieses Waldes mussten eine Wut und Panik gegenüber diesem Mann haben, die unsere Vorstellung weit übersteigt.
Beinahe konnte man hören, wie sie schrieen und starben. Man könnte meinen, dass sie nach einiger Zeit vielleicht klüger wären und uns durchließen, doch je weiter wir vorankamen desto dichter wurde die Mauer aus Grün vor uns.
"Das hatte ich befürchtet..." Der Boss zog sich nun den Mantel und die Weste vom Leib und legte seine Arme auf die Pflanzen, die wütend zischend zu Staub zerfielen. Nur langsam kamen wir voran und der schwere Dunst der Bäume vernebelte unsere Sinne. Ich erinnerte mich an das erste Mal, als ich dieses Gefühl hatte.
"Boss, ich denke es wird Zeit für die Pfirsiche." schlug Riko vor.
"Gut, verteilt sie." befahl er barsch und rieb sich die Arme. "Pedro. Meine Arme schmerzen." Er zeigte dem Dunkelhäutigen seine Arme und verzog das Gesicht. Pedro nickte und holte eine Salbe, mit der er Usongus Arme massierte. "Danke." Der Catalane verstand. Er deutete auf die neu erstandene Wand aus Blättern und Ästen vor uns. Dann zog er einen kleinen Dolch aus seinem Stiefel und zerschnitt symbolisch ein paar Blätter.
"Gute Idee. Wir könnten ein bisschen weitermachen, Boss." meinte Karsten.
"Ja, ruh dich aus, Boss. Wir erledigen das für dich." stimmte Torsten seinem Zwilling zu.
"Nur zu, versucht es. Mir ist jede Pause recht." Also stachen, säbelten, prügelten und schnitten sich die Beiden mit Kraft, Ausdauer und ihren Langschwertern durch das Gestrüpp. Sie kamen aber nicht weit und schnauften bald mehr als zuzuschlagen.
"Hoffnungslos, Boss, *HH* wir kommen *HH* einfach nicht durch." schnaubte Torsten angestrengt.
"Trotzdem danke, Freunde."
"Boss, ich höre etwas." bemerkte Relkúag.
"Was?"
"Nur sehr leise, vielleicht hört ihr es noch nicht, aber jemand weint. Und zwar direkt vor uns..."