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Die Schatten hingen tief und schwarz zwischen den gebeugten Grabsteinen. Friedhöfe bei Nacht waren immer unheimlich, doch diesen umgab eine ganz besondere Aura. Nebel kroch aus tiefen Grüften, die Grabsteine beugten sich wie sterbende Bäume über die verwilderten Gräber und ihm blassen Mondlicht bewegten sich die abgestorbenen Pflanzen, die vor längst vergessener Zeit als Grabschmuck gedient hatte, im Hauch einer kalten Brise.
Schnee lag auf den verwitterten Steinen und dem überwachsenen Weg. Raureif machte das tote Gras steif, doch brach es nicht unter den leisen Schritten der Gestalt.
Vereinzelt heulten Wölfe in der Ferne, doch die Person in dem schwarzen Mantel, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, achtete nicht darauf.
Aus dem Schatten der Kapuze leuchteten zwei helle, gelbe Augen und suchten die tiefen Schatten auf dem Friedhof nach Bewegung ab. Ein lautes Atemgeräusch entstand, als die Person offenbar die Luft einzog und den kalten Wind auf dessen Geruch prüfte.
Langsam drehte sie den Kopf zur Seite und fixierte einen Punkt in der Ferne, der für normale Augen weit außer Sicht war.
Genau dort, beinahe am anderen Ende des riesigen Friedhofes, quietschte das gusseiserne Tor, als zwei paar Hände es mit alles Gewalt aufdrückten.
„Ich weiß nicht“, sagte das Mädchen leise zu ihrem Freund. „Ist das wirklich eine gute Idee?“
Beide trugen schwarze Kleidung, die mit Nieten und Ketten verziert war. Das Mädchen hatte schwarze Haare, die zu dunkel für ihre blasse Haut und damit höchst wahrscheinlich gefärbt waren. Sie hatte viel Schminke aufgetragen, die jedoch nicht über den ängstlichen Ausdruck in ihrem Vollmondgesicht hinwegtäuschen konnte.
„Ach, komm schon, Evelyn. Das wird schaurig und romantisch!“, antwortete der dürre Junge, dessen Haut unter Tattoos und Piercings kaum zu erkennen war – allerdings musste er frieren in der ärmellosen Weste, da seine Hände und Arme nur von fingerlosen Handschuhen und ein paar Ketten bedeckt waren. Seine schwarze Hose war absichtlich zerrissen und steckte in hohen Schnürstiefeln. Förmlich half er seiner Begleitung mit ihren hohen Absätzen die verfallene Treppe herunter, die auf den Kiesweg führte.
„Das ist der beste Ort für das erste Mal“, versicherte er ihr: „Das wirst du nie vergessen.“
Bleiche Finger mit langen, schwarz lackierten Fingernägeln krallten sich in seinen Arm. Irgendwo heulte ein Wolf.
„S-sind wir hier sicher?“, fragte Evelyn.
Ihr Freund lächelte großspurig: „Der ganze Friedhof ist von einem Zaun umgeben – das kommt noch aus dem Mittelalter, wo man Angst vor der Zombieapokalypse oder so hatte. Jedenfalls kommen die Wölfe nicht hier rein, die sind irgendwo in den Wäldern. Und wenn doch – ich habe ein Silbermesser!“, stolz zückte der Junge einen großen, verzierten Dolch, dessen Griff in Form zweier schwarzer Drachen gehalten war.
Die Wölfe vergessend griff das Mädchen nach dem Messer: „Ist der echt?“
„Ich hab den aus einem Laden. Sie verkaufen die stumpf, aber ich habe ihn geschärft – Vorsicht!“, rief der Junge.
Aber Evelyn hatte bereits die Spitze berührt und starrte jetzt auf den dünnen Schnitt in ihrem Finger, aus dem ein Tropfen Blut austrat. „Oh“, sagte sie.
Ihr Freund nahm ihre Hand und umschloss die blutende Wunde sanft mit den Lippen, um ihr Blut aufzusaugen: „Vertrau mir, Evelyn“, sagte er dann liebevoll: „Ich beschütze dich.“
Das kleinere Mädchen lächelte zaghaft zurück und schmiegte sich dann eng an den mutigen Jungen mit der Waffe.
Nicht mehr ganz so weit entfernt, wie es den Zweien vielleicht lieb gewesen wäre, stand eine hoch gewachsene Gestalt im Schatten einer Engelsstatue, deren Kopf abgeschlagen ein paar Meter weiter lag. Der schwarze Mantel bewegte sich leicht im Wind, doch war er so schwarz, dass er sich nicht von dem tiefen Schatten neben dem Stein unterschied. Helle, gelbe Augen reflektierten das ferne Licht der dünnen Mondsichel.
„Müssen wir so weit gehen?“, fragte Evelyn nervös.
Sie hielten an, ihr Freund sah auf sie herunter: „Hey, Schätzchen. Wenn wir es schon um Mitternacht auf dem Friedhof machen, dann richtig, okay? Vertrau mir einfach, ich kenne einen guten Platz. Es ist nicht mehr weit.“
Er wollte weiter gehen, doch Evelyn blieb stehen und hielt seinen Arm fest: „Stuart – ich weiß nicht, ob ich das durchziehen will.“
Stuart drehte sich um, sah sie an und zog sie dann nah an sich. Er beugte sich zu ihrem Gesicht herunter: „Wir haben jetzt ein halbes Jahr gewartet, bis wir einen Freitag, den 13. haben, und dann hast du zu viel Angst? Wir haben nicht einmal Vollmond, Evelyn, aber ich will dich, heute – ich kann nicht länger warten.“
Sein intensiver Blick ließ auch Evelyns Ängste verstummen. Langsam senkte er sein Gesicht und küsste sie. Mit geschlossenen Augen erwiderte sie die Geste.
„Komm“, sagte Stuart dann und hielt ihr die Hand hin: „Wir sind fast da.“
Vertrauensvoll ließ Evelyn sich von ihm über den alten Friedhof ziehen.
„Hier ist es“, verkündete Stuart stolz und deutete auf den Platz. Evelyn hielt den Atem an: Ein umgefallener Grabstein lag hier, umgeben von zerbrochenen Steinresten und hohen Bäumen, auf einer kleinen Lichtung. Wilde Rosen wuchsen um den Stein herum. Stuart hatte den Platz bereits vorbereitet: Schwarze Tücher lagen über den Stein gespannt, und Kerzen in rot und schwarz waren auf der Lichtung verteilt. Aus seiner Hosentasche zog Stuart eine Streichholzpackung und zündete nacheinander jede Kerze an.
Evelyn wartete und sah sich besorgt um. Das Licht der Kerzen würde weithin zu sehen sein. „Wir uns auch Niemand bemerken?“, fragte sie Stuart.
„Wir sind weit genug von der Stadt weg“, antwortete er: „Niemand wird das Licht sehen.“
Evelyn war sich nicht sicher, ob sie das beruhigte. Doch als Stuart zu ihr trat und sie umarmte, ließ sie es zu, dass er nach dem Verschluss für ihr Korsett suchte.
Sie hatte sich auf diesen Tag vorbereitet. Sie trug ein wunderschönes, schwarzes Kleid mit Spitze, rote Handschuhe, die bis zu ihren Ellbogen gingen, eine wunderschöne, teure Netzstrumpfhose und ihre besten Schuhe. Dazu kam die Spitzenunterwäsche, die sie schon seit einer Weile unangenehm zwickte. Inzwischen vermutete Evelyn, dass die Unterwäsche nicht wegen ihres Aussehens so aufreizend war, sondern weil die Frauen diese schnell loswerden wollten.
Stuart fand endlich die Schleife, die das Korsett hielt, und löste das Lederband. Als das enge Kunstleder um ihre Mitte verschwand, atmete Evelyn tief durch. Ihre Nervösität schwand, und sie gab sich Stuart in einem sanften Kuss hin, zog spielerisch mit ihren Zähnen an seinem Zungenpiercing und erkundete seinen Mundraum.
Stuart ließ das Korsett fallen und drängte Evelyn rückwärts, bis sie gegen einen Grabstein stießen, wo sie ihm nicht mehr entkommen konnte. Er löste sich aus dem Kuss, um ihr neckend in den Hals zu beißen. Dann hob er den Blick und fragte grinsend: „Etwas Musik, werte Herrin der Nacht?“
Evelyn atmete schwer durch den Mund und konnte nur nicken. Sie traute ihrer Stimme nicht. Das Kribbeln in ihrem Bauch hatte sich gesteigert und war immer tiefer nach unten gewandert, bis sie jetzt eine warme, erwartungsvolle Feuchte verspürte.
Sie folgte Stuart, der auf seinem Handy ein Lied suchte und strich über den Rücken ihres Freundes. Evelyn war ein wenig unsicher. Langsam umarmte sie den größeren Jungen, strich mit den Händen über seine Brust und zog ihm dann langsam die Lederweste aus.
Das Kleidungsstück sank auf den Boden, gefolgt von Stuart T-Shirt. Dann stand er ohne Oberteil vor ihr, und sie zeichnete mit dem Finger den Verlauf seiner Muskeln nach. Drei Ketten hingen ihm um den Hals, mehrere Ohrringe, Tunnel und Piercings durchbohrten seine Ohren. Piercings staken auch in seinen Augenbrauen und in seiner Lippe, sodass sein Gesicht im Mondlicht wie mit silbernen Tränen übergossen aussah. Das Lied auf seinem Handy begann, über Lautsprecher zu spielen.
Schon als die ersten Töne des Liedes erklangen, kroch ein Lächeln auf die dünnen Lippen, die das einzige waren, was man von der Gestalt im schwarzen Mantel erkennen konnte. Aber die Gestalt erkannte das Lied als „The lost Children“ von Blutengel. Was für ein treffender Titel!
Mit einer blassen Zunge fuhr sich das Wesen über die schmalen Lippen. Zwei spitze Eckzähne blitzen auf, bevor die spitze Zunge wieder hinter den Lippen verschwand.
Auf bloßen Füßen, schneeweiß, als wären sie erfroren, schlich die Gestalt immer näher. Die Kerzen leuchteten hell zwischen die Baumstämmen hindurch. Mit dünnen Fingern strich das Wesen der Nacht wie beiläufig über die Grabsteine, an denen der Weg es vorbei führte. Die Finger waren weiß, mit blutroten Krallen statt Fingernägeln.
Das breite Lächeln voller Vorfreunde verschwand nicht.
Enjoy the night, lick the holy blood from our hands
You're something special and it's time to understand
Don't feel insecure, there's no way back
Darkness is your friend and your friend wears black.*
Stuart drückte Evelyn langsam auf den mit Tüchern bedeckten Stein. Er kroch über sie, glitt mit dem Gesicht dicht über dem Stoff des Kleides nach oben, küsste ihre Kehle und dann ihre Lippen. Eine Hand schob er ganz langsam unter ihr Kleid und streichelte ihre Beine.
Evelyn lag fast reglos da und nahm Stuarts Brustwarze zwischen zwei Finger, um den Piercing zu drehen, bis Stuart mit einem leisen Schmerzlaut das Gesicht verzog. Evelyn ließ los und nahm sich die andere Seite vor. Stuart schob sich noch ein Stück nach oben, und Evelyn umfasste das kühle Metall mit ihren Lippen. Ihre Hände wanderten über die kalte Haut von Stuarts Rücken.
Wenn sie ausatmeten, entschwebte ihr Atem als Dampf in den Sternenhimmel. Stuart griff jetzt unter Evelyns Kleid und zog langsam ihre Strumpfhose nach unten. Schließlich musste er aufstehen, und ihr zuerst die Schuhe aufbinden. Während er zu ihren Füßen kniete, setzte Evelyn sich auf und fuhr durch seine gestylten Haare.
Stuart löste die Schuhe und glitt mit den Händen über ihre Beine, ihr Stück für Stück die Strumpfhose aus ziehend. Evelyns Härchen stellten sich bei der Berührung seiner kalten Fingerspitzen auf. Die Strumpfhose glitt über ihre Füße und die Kälte der Nacht drang zu Evelyn vor.
Stuart stand wieder auf und drückte sie zurück auf den Stein. Mit einer Hand stützte er sich über ihr ab, mit der anderen fuhr er ihr unter das Kleid. Seiner Finger näherten sich unaufhaltsam der Stelle, wo sich Evelyns Hitze konzentrierte.
Sie spürte, wie seine Hüfte über ihren Oberschenkel strich und nahm die deutliche Wölbung wahr. Mit einer Hand fasste sie in Stuarts Nacken und zog seine Lippen zu sich herab, mit der anderen streichelte sie die Wölbung und suchte nach eine Lücke zwischen seinem Bauch und der von Gürteln gehaltenen Hose. Doch mehr als ein paar Finger bekam sie nicht hinein.
Stuarts Atem war brennend heiß, im Gegensatz zu der späten Nacht. Er erwiderte Evelyns Kuss hungrig. Als sie die Augen für einen Moment öffnete, sah sie die Gier in seinem Gesicht.
Wie ein richtiger Vampir, fuhr es ihr durch den Kopf. Doch dann wurde sie abgelenkt, denn Stuart Finger erreichten ihre Unterhose und glitten darunter.
Er nutze zwei Finger, um erst sanft über ihre Klitoris zu reiben und dann in sie einzudringen. Evelyn schob ihre Beine zur Seite und gab ihm mehr Platz. Prüfend rieb Stuart über ihre warme Vagina, dann riss er ihr ungeduldig den Schlüpfer nach unten. Evelyn schob das Stoffstück weiter nach unten, bis sie es ausgezogen hatte. Stuart hörte nicht auf, nach dem Punkt ihrer höchsten Ekstase zu suchen, bis er ihn fand.
Mit einem heiseren: „Ja!“ drückte Evelyn sich ihm entgegen. Sie fühlte sich fiebrig, gleichzeitig war es furchtbar kalt. Stuart befriedigte sie mit konzentriertem Blick, die Lippen fest zusammen gepresst. Er machte weiter, bis Evelyn beinahe kam, dann hielt er plötzlich inne und zog seine Hand zurück.
„Mach weiter!“, jammerte Evelyn leise.
Stuart lächelte: „Sofort.“
Er öffnete seine Hose. Evelyn folgte seinen Händen, und halft ihm, sein Gemächt aus seinem engen Gefängnis zu befreien. Sie nahm sein Glied in die Hand und streichelte es. Auf der Spitze standen bereits einige Tropfen einer durchsichtigen Flüssigkeit. Unter Evelyns Fingern wuchs Stuarts Penis noch einmal ein Stück, bis er so groß war, dass Evelyn sich fragte, wie sie das jemals in ihre Scheide bekommen sollte.
Sie konnte trotzdem nicht mehr aufhören. Mit beiden Händen erkundete sie Stuarts Schwanz, jede Falte, von der Eichel bis zu den Hoden. Stuart schob ihr derweil das Kleid hoch, bis es über ihrer Hüfte war. Er liebkoste ihre Brüste durch den schwarzen Stoff und und strich über ihre eng anliegende Kreuzkette. Für einen Moment umfasste er ihren Hals, als wolle er sie würgen. Evelyn erzitterte.
Stuart beugte sich über sie und fasste mit einer Hand seinen Schwanz. Seine Hüfte kam ihrer Hüfte näher, und er tastete nach dem warmen Eingang.
Dann war Stuart plötzlich weg. Nur einen dumpfen Schrei gab er von sich, der klang, als hätte er einen Schlag in den Magen erhalten. Verwirrt blieb Evelyn eine Sekunde liegen, bevor sie sich aufsetzte: „Stuart?“
Weit und breit war Niemand zu sehen. Die von Kerzen erhellte Lichtung war menschenleer.
„Stuart!“, rief Evelyn lauter und stand auf. Schnell strich sie ihr Kleid nach unten. Sie überlegte, ob sie ihre Schuhe und Unterwäsche anziehen sollte, oder lieber doch eine Waffe suchen.
„Das ist nicht witzig“, schimpfte sie mit dünner Stimme.
Sie tastete nach einem Ast oder etwas Vergleichbaren.
Ein Lachen antwortete ihr. Es war nicht Stuarts Lachen, sondern das hohe, helle Kichern einer Frau. Ein solches Geräusch, triefend vor Bösartigkeit, hatte Evelyn noch nie gehört – und sie bewegte sich oft unter denen, die sich die Kinder der Nacht nannten.
Die Frau in dem schwarzen Mantel kicherte noch immer, als sie in den Lichtschein der Kerzen trat. „Das ist witzig. Das ist sogar sehr witzig“, verbesserte sie Evelyn. Das Mädchen im schwarzen Kleid, mit den schwarz gefärbten Haaren und dem Kreuztattoo auf dem Handgelenk, ein wenig zu pummelig für den Stil, dem sie sich verschrieben hatte, starrte die Gestalt voller Schrecken an.
Mit blassen Händen, die schneeweiße Haut mit Blut gesprenkelt, warf Ifrit van Nox ihre Kapuze zurück.
Sie war bleich wie der Tod. Ihr Gesicht war knochig, mit hohen Wangenknochen und tiefen Schatten um die Augen. Das Lächeln war spitz und die gelben Augen klein und schmal, doch ansonsten gab es nicht viele Unterschiede zu einem Totenkopf. Blutrote Haare waren zu einem Dutt aufgetürmt, doch eine wahre Flut ergoss sich immer noch über ihren dünnen Rücken. Einzelne Locken fielen um den dünnen Hals der Vampirin. Über den Schläfen brachen gewundene, pechschwarze Hörner wie die eines Widders aus der Haarpracht. Die Spitzen endeten neben dem blassen Lächeln des Monsters. Eine dünne Blutspur rann aus einem Mundwinkel und über das helle Kinn.
„Was hast du mit Stuart gemacht?“, kreischte Evelyn panisch. Sie spürte Tränen aufsteigen, währen die fremde Frau den Blick über ihr Kleid wandern ließ und an einer sehr unangenehmen Stelle verweilen ließ, bevor sie antwortete: „Ich habe ihn beseitigt. Er soll ja nicht deine Jungfräulichkeit vor der Zeit verderben, Leckerchen.“
Mit weichen Beinen wich Evelyn um den gespaltenen Grabstein herum zurück. Die Kerzen um sie herum flackerten und schlugen in die Höhe. Voller Angst umfasste Evelyn die enge Kreuzkette – und sie bemerkte, dass auch die blasse Frau mit den Hörnern eine solche Kette trug. Der schwarze Umhang wurde nur von einer Brosche in Form eines Dolches gehalten, und darunter konnte Lizzy ein rotes Kleid erkennen, dessen weiter Ausschnitt den Blick auf Etwas frei gab, was die blasse Frau nicht besaß.
Der Saum des Oberteils war tiefgelegen und gerade, vermutlich ließ es auch die Schultern frei. Und auf dem knochigen Brustbein lag eine schmale, silberne Kreuzkette auf. Die Haut darunter war rot verfärbt, wie eine alte Brandwunde.
„Was bist du?“, keuchte Evelyn. Die Kälte machte sich ihr jetzt doppelt bemerkbar. Ihr Atem wich wie Nebel aus ihrem Mund. Die blasse Frau hatte keine solche Wolke.
„Ich bin ein Vampir. Und ein Dämon“, antwortete die Frau lächelnd: „Aber in erster Linie – bin ich dein Tod!“
Die Kerzen flackerten und erloschen dann alle auf einmal, als hätte ein starker Windzug sie ausgeblasen. Mit einem Kreischen drehte Evelyn sich um und rannte blindlings los.
Sie spürte knochige Finger über ihr Gesicht gleiten, ihre Haut aufschneidend. Vielleicht waren es auch nur Äste, doch Evelyn würde nicht stehen bleiben, um es heraus zu finden.
„Lauf!“, flüsterte ein eisiger Windhauch in ihr Ohr: „Lauf, so weit du willst. Du kannst nicht entkommen.“
Mit nackten Füßen, die Hände schützend vor das Gesicht gehalten, stürmte Evelyn durch das Gebüsch. Äste und Dornen zerrissen das teure Kleid und schnitten zahllose Kratzer in ihre Arme und ihr Gesicht. Kleine Steine bohrten sich in ihre Füße.
Jeder Atemzug klang wie ein kleiner Schrei, solche Angst hatte Evelyn. Sie lief über den Kiesweg und sprang über Gräber hinweg. Sie überquerte Wiesenflächen und tauchte in ein Labyrinth aus Gruften ein.
Sie hatte keine Ahnung, in welche Richtung sie lief. Sogar die Wölfe waren verstummt, und das Geheul konnte ihr keine Hinweise mehr geben, in welcher Richtung Wald und in welcher Richtung die Stadt lag.
Nach einer halben Ewigkeit musste Evelyn anhalten. Keuchend stützte sie sich auf ihren Knien ab und rang nach Atem. Sie hatte Seitenstiche. Während sie sich auf dem dunklen Friedhof umsah und keinen Grabstein wieder erkannte, versuchte sie, über dem Rauschen des Blutes in ihren Ohren etwas anderes zu hören.
Sie konnte keine Schritte ausmachen und keine Bewegung sehen. Hatte sie die Frau am Ende abgehängt? Elend kauerte Evelyn sich in den Schatten einer Gruft, achtlos direkt neben den Eingang, und vergrub das Gesicht in den Händen.
Sie trug nicht mehr als ihr Kleid und die Kette mit dem Kreuz daran. Sie fühlte sich so verwundbar. Ängstlich schlang sie die Arme um die Knie und kauerte sich zusammen.
„Stuart“, flüsterte sie leise – als könnte er sie hören! - „Stuart, bitte rette mich.“
„Evelyn!“, hörte sie ein Flüstern. Erschrocken fuhr sie auf und lauschte.
„Evelyn, komm her. Ich bin hier!“
Die Stimme kam aus dem Eingang der Gruft. Zögernd kroch Evelyn auf die erste Stufe und setzte dann die nackten Füße auf die zweite Stufe.
„Stuart?“
„Komm her, Eve. Bitte.“
Evelyn wollte weiter nach unten kriechen, als ihr der Gestank in die Nase stieg: Blut, Tod und Rauch. Sie zitterte vor Angst und wagte kaum, zu atmen.
„Worauf wartest du, Evelyn?“, fragte die Stimme, die nicht Stuart sein konnte.
Evelyn sprang auf und wirbelte herum.
Die blasse Frau stand direkt hinter ihr. Ein siegessicheres Grinsen, Augen, die voller Hunger leuchteten.
Evelyn war wie gelähmt. Sie konnte sich nicht rühren, als die Frau mit eiskalten Händen über ihren Hals fuhr und die Finger nach unten gleiten ließ. Über ihr Brustbein. Zu ihren Brüsten.
Direkt über dem Herzen verharrten die Finger. Kälte kroch in Evelyns Brustkorb hinein, tödlich und leise.
„So viel Leben“, hauchte die Frau bewundernd: „Und das mit dem süßen Blut einer Jungfrau.“
„Nein!“, mit einem Schrei schlug Evelyn die dürre Hand weg und rannte wieder los. Ifrit blieb stehen und sah ihrem Opfer hinterher, ohne sich zu bewegen. Sie folgte dem ungeschickten Lauf des Mädchens aus gelben Augen. Sie sah, wie Evelyn fiel, sich aufrappelte und weiter floh.
„Sehr gut, mein Mädchen“, flüsterte Ifrit: „Lauf nur weiter den Weg entlang. Flieh! Blut schmeckt nicht, wenn es nicht aufgekocht wurde in Verzweiflung und Hoffnung.“
Ifrit schlenderte der Rennenden hinterher. Sie nahm die Abkürzung über das Gras. Sie hatte es nicht eilig.
Immerhin konnte sie die panischen Gedanken des Mädchens hören.
Mit kurzen Atemzügen hetzte Evelyn sich über den Friedhof, bis ihr schwindelig wurde. Sie stolperte und brach auf dem kalten Gras zusammen, irgendwo.
Sie konnte nicht sagen, wohin sie gelaufen war. Tränen liefen über ihr Gesicht.
Sie wünschte sich, alles wäre nur ein Traum. Aber warum konnte sie dann nicht aufwachen?
Ihr Lebenswille kehrte zurück und Evelyn drückte sich vom Boden hoch. Die kalte Luft brannte in ihren Lungen. Ihre Augen tränten.
Dann sah sie hoch und bemerkte einen unförmigen Gegenstand in dem Baum vor sich. Mit zitternden Händen tastete sie in der versteckten Tasche ihres Kleides nach ihrem Handy. Doch es war fort. Es musste wohl aus ihrer Tasche gefallen sein...
„Suchst du das hier?“, fragte eine spöttische Stimme hinter ihr.
Evelyn drehte sich um und sah die blasse Frau, die mit dem schwarzen Smartphone winkte.
„Nei-hei-hein!“, heulte Evelyn und schlug die Hand vor ihren Mund.
„Oh, keine Sorge. Ich kann dir Licht machen, Schätzchen“, sagte die Frau freundlich und schnipste mit den blassen Fingern.
Neben Evelyn schlugen auf beiden Seiten Flammen in die Höhe. Evelyn machte einen Satz in die Luft und kreischte vor Angst auf.
Doch die Flammen waren wenigstens weit genug weg, um sie nicht zu verbrennen. Dafür sah sie jetzt, was sich in dem Baum befand.
Es war Stuart. Auch, wenn der Junge vor lauter Blut kaum zu erkennen war. Seine Kehle war aufgerissen, und Blut sprudelte wie ein Wasserfall über seinen Körper. Ein spitzer Ast ragte aus seiner Brust – man hatte ihn in den Baum gehängt wie eine makabere Verzierung.
Doch das Schlimmste war, dass seine Augen sich bewegten. Er lebte noch!
Evelyn stieß einen lauten, jammernden Schrei aus und taumelte zurück, doch plötzlich waren auch hinter ihr Flammen. Sie war mit dem sterbenden Stuart in einem Ring aus Feuer gefangen.
Die Frau stand ungerührt jenseits der Flammen. Als sie Evelyn Verzweiflung sah, hob sie den Kopf und zog die Nachtluft tief ein.
„Jetzt bist du soweit“, flüsterte sie und machte Anstalten, auf Evelyn zu zugehen.
Evelyn zweifelte nicht eine Sekunde daran, dass ihr das Feuer keinen Schutz bieten würde. Sie wich zurück, bis sie neben Stuart Füßen stand. Tränen liefen über ihre Wangen. Das alles hatte niemals passieren dürfen! Es hatte doch nur ihr erstes Mal werden sollen, im richtigen Umfeld, so unheimlich, wie Stuart es nur machen könnte.
Das hier war ein paar Stufen Unheimlich zu viel.
Dann fiel Evelyn ein, was Stuart ihr am Anfang des Spazierganges erzählt hatte: Dass er sie beschützen würde, und zwar mit einen Silbermesser!
Aufgeregt drehte Evelyn sich um und griff nach Stuarts Gürtel. Die Hose hing noch in Stuarts Kniekehlen. Doch das Messer war dort!
Evelyn ergriff den Griff, der durch die schuppigen Leiber der Drachen geriffelt war. Sie schauderte, als ihr Blut auf die Hände tropfte, doch sie drehte sich mit dem Dolch als Waffe um.
Evelyn hatte Recht gehabt. Die blasse Frau ging unberührt durch das Feuer. Ihr schwarzer Mantel fing Feuer, doch die Flammen leckten über den schwarzen Stoff, ohne ihn zu versengen und erloschen, als die blasse Frau im Inneren des Ringes angekommen war.
Evelyn zitterte vor Angst, hob den Dolch und warf.
Das Messer landete direkt in der dünnen Brust der blassen Frau. Die Klinge drang bis zum Griff in die weiße Haut ein.
Und dann lachte die Frau einfach. Evelyn sank mit einem jammernden Laut auf die Knie, als die Frau seelenruhig den Dolch ergriff und aus der Wunde zog. Schwarzes Blut trat durch den Schnitt aus, tropfte auf den Boden. Doch noch während Evelyn hin sah, schloss sich die Wunde. Der Silberdolch wurde achtlos auf den Boden fallen gelassen.
„Das … war nicht sehr höflich“, sagte die blasse Frau langsam und bedrohlich: „Ich fürchte, du hast mich wütend gemacht.“
Sie sah Evelyn in die Augen, und die gelben Schlitzauge mit den katzenartigen Pupillen verfärbten sich dunkel, bis sie blutrot waren: „Das war ein Fehler“, knurrte die blasse Frau, plötzlich mit sehr viel tieferen Stimme. Als ob Eve das nicht selbst gemerkt hätte!
Sie bewegte sich schnell, schneller, als Evelyn sehen konnte. Plötzlich umfassten dürre Hände mit einer erstaunlichen Kraft ihren Kopf und zerrten ihn an den Haaren zurück. Mit weit aufgerissenem Mund stürzte sich die Frau auf Evelyns ungeschützte Kehle.
Der Schmerz ließ Evelyn schreien. Sie schlug blind mit den Händen zu, doch sie konnte nichts ausrichten. Die blasse Frau dränge Evelyn zurück, bis ihr Rücken gegen etwas Warmes, Weiches stieß. Es war Stuarts Bein. Evelyns Kopf war genau auf der Höhe seiner Hüfte, und mit in den Nacken gezogenem Kopf konnte sie seine erschlaffte Männlichkeit sehen. Am Rande ihre Blickfeldes sah sie noch seinen Kopf und den traurigen Blick seiner gebrochenen Augen. Er war tot, verblutet, während sie noch gekämpft hatte.
„Stuart!“, röchelte sie. Tränen stiegen in ihre Augen. Spitze Zähne rissen die Haut an ihrem Hals auf und Blut sprudelte heraus. Evelyn spürte, wie ihre Kräfte sie verließen.
Hilflos schlug sie gegen die dünne Frau, doch in dem schmächtigen Körper stecke erschreckend viel Kraft. Evelyn hatte nicht den Hauch einer Chance.
Während ihre Augen langsam zu fielen, riss die blasse Frau ihr das Kleid auf. Kalte Hände strichen über Evelyns Körper. Wehrlos sank Evelyn auf den Boden, und ihre Mörderin bettete sie sanft auf die Reste ihres Kleides, bevor sie ihre Hand auf Evelyns linke Brust legte.
Dann bohrten sich die spitzen Finger in Evelyns Haut. Neues Blut drang aus den Wunden. Die kalten Finger tauchten immer tiefes in Evelyns Fleisch hinein, bis sie ihr Herz berührten.
Jeden Schlag spürte Evelyn voller Schmerzen, während spitze Krallen die Wände ihres lebenswichtigen Muskels durchstießen. Dann trafen eiskalte Lippen auf Evelyns Mund.
Ein Sog entstand, die blasse Frau entriss Evelyn nun auch den Atem. Und mit einem Gefühl, als würden ihre Lungen reißen, wurde ihr noch etwas anderes genommen.
Ihre Seele.
Die Augen halb geschlossen fühlte Evelyn sich, als würde sie schweben. Ihr war nicht heiß und auch nicht kalt. Nur müde war sie. Ganz langsam fielen ihr die Augen zu. Das Licht der Sterne war das Letzte, was sie sah.
Und sie fühlte sich leer, während ihr Blut langsam in ihr Kleid und in den Waldboden sickerte. Sie war nur noch eine Hülle, während die blasse Frau frenetisch lachend neben ihrem Körper stand.
Ifrit van Nox hatte den PIN-Code aus dem Gedächtnis der dummen Sterblichen. Sie saß im Schneidersitz auf einem Grabstein, der Mantel wehte um sie wie Rabenflügel, von jedem leichten Windzug hochgewirbelt.
Der Neumond stand schwarz und schweigend am Himmel, wie auch die Wölfe voller Angst schwiegen. In Nächsten wie diesen, wo kein einziger Sonnenstrahl, auch nicht gespiegelt vom Mond, auf die Erde drang, war die Macht von Ifrit am Größten.
Sie tippte eine Nummer in das schwarze Handy, schaltete es auf laut und legte es dann auf ihrem Knie ab, um mit dem fortzuführen, was sie die ganze Zeit machte: Sie füllte Blut aus einem großen Kanister in mehrere Plastiktrinkflaschen.
Das Handy tutete dreimal, dann wurde abgenommen.
„Asmodai van Nox am Apparat“, grummelte eine tiefe Stimme aus dem Hörer: „Wer ruft so spät am Morgen noch an?“
„Ich bin's, Bruderherz“, flötete Ifrit. Aus dem Hörer drang ein genervtes Stöhnen: „Was willst du? Du weißt, ich ertrage dich nur an Vollmonden“, jammerte Asmodai.
„Ich wollte mich für dein Rezept bedanken. Hab es gerade mal ausprobiert, schmeckt ausgezeichnet.“
„Welches Rezept?“, stöhnte Asmodai.
„Na, für die Jungfrau“, sagte Ifrit und begann, an den Fingern aufzuzählen: „Junge Liebe, unheimliche Umgebung, Verzweiflung, Panik, -“
„Ja, ja, schon gut. Ich erinnere mich“, unterbrach Asmodai sie genervt: „Warum hat das nicht Zeit bis Morgen Nacht? Die Sonne geht bald auf.“
„Oh, Entschuldigung, Mister Frühimbett“, gab Ifrit spitz zurück: „Ich wollte nur meinem lieben Bruderherz zwei frische Menschenherzen anbieten.“
„Halbbruder“, korrigierte Asmodai sie unwirsch: „Ich ruf dich beim nächsten Vollmond an, und wir sehen, was für Sprüche du dann noch schwingst.“
„Verzeih mir, ich sollte daran denken, dass du Neumonds immer deine Tage hast, Wölfchen“, sagte Ifrit: „Willst du das Herz, oder nicht?“
„Ja, bring's vorbei“, antwortete Asmodai: „Und keine Umwege über die Disko.“
„Mal sehen“, sagte Ifrit und legte auf. Dann warf sie das Handy zur Seite weg.
Es landete mit einem schmatzenden Geräusch in dem aufgerissenen Brustkorb von Evelyn.
*(„The Lost Child“, Blutengel)