Gwydyon hatte alle Hände damit zu tun, sein frisch geborenes Kind, welches innerhalb weniger Tage zu einem 5- jährigen, hübschen, elfenhaften Jungen mit schwarzem, dichtem Haar und eher bleicher, leicht lila eingefärbter Haut, herangewachsen war, zu betreuen. Dessen grosse Kinder- Augen, leuchteten in einem hellen, grünblauen Licht. Oben am Kopf spriessten kleine Hörner, etwas das Gwydyon immer an seinen Fehltritt mit der Sukkubus Vilevere erinnern würde. So war auch die Beziehung zu seinem Sohn eher angespannt. Er liebte ihn zwar schon, aber er hegte auch eine gewisse Abscheu, gegen dieses Halbdämonen- Kind. Dennoch gab er sich Mühe seinem Sohn, den er mittlerweile Linus nannte, so viel Liebe wie möglich zu geben. Für jemanden wie ihn, der seine Freiheit und Eigenständigkeit über alles geliebt hatte, war das gar nicht so einfach. Er hatte auch keine Erfahrung mit solchen Dingen und Kinder waren ihm früher immer auf die Nerven gegangen. Wenigstens gab es noch seine Schwester Balduraya und ihre Freundin Tyrande, die sich recht gut mit dem kleinen Racker verstanden.
Die junge Blutelfin mit dem rotblonden Haar, führte den kleinen Linus an ihrer Hand. Seine Hörner, hatte sie mit einer Mütze getarnt. Sie zeigte ihm ganz Ogrimmar und erzählte ihm Geschichten der grossen Helden Azeroths. Sie versuchte dem Jungen möglichst viel Gutes zu zeigen und ihn für die Schönheit und Macht des Lichtes zu begeistern. Linus wuchs sehr schnell und hatte eigentlich wenig Zeit zum Lernen. So sollte das was er lernte auch den lichtvollen Teil seiner Seele anregen. Bisher hatte Balduraya damit scheinbar Erfolg. Denn der Junge war erstaunlich höflich und liebenswürdig. Allerdings gab es Momente, da übermannte ihn seine dunkle Seite. Wenn er z.B. sehr wütend war, weil er vielleicht von andern Kindern geärgert wurde, die ihn wegen seines Andersseins oft verspotteten, oder wenn er etwas unbedingt wollte, aber es nicht kriegte. Dann verfinsterten sich seine Augen, verloren einen grossen Teil ihres Leuchtens und er konnte dann richtig furchterregend wirken. Mittlerweile hatten viele den anderen Kinder Angst vor ihm. Heute allerdings war Linus gut gelaunt und benahm sich wie ein ganz normales Kind. Er war begeisterungsfähig und an manchem interessiert. Munter hüpfte er der jungen Blutelfin voraus, in seiner kleinen Hand einen roten Ballon, der die Form des Hordenwappens besass. Er schaukelte im Wind und der Kleine hatte seine Freude daran. «Tante Raya?» frage er auf einmal: «Warum leben Horde und Allianz eigentlich nicht in Frieden miteinander? Du sagtest doch, dass die Herrscher des Lichts, Gewalt und Feindschaft zwischen den Geschöpfen verabscheuen.» «Ja, so ist es auch. Es gibt auch viele Leute die gerne in Frieden mit der anderen Fraktion leben würden. Leider sind die hummanoiden Völker noch nicht so weit. Es gibt noch viel zu viel Hass und Misstrauen, einander gegenüber. Der grosse Kriegshäuptling Thrall, hat sich immer sehr um Eintracht bemüht, doch nun ist er leider schon seit einiger Zeit nicht mehr in der Stadt und Garrosch Höllschrei scheint einiges weniger um Frieden zwischen den Fraktionen bemüht.» «Das ist schade,» sprach Linus und ehrlicher Kummer spiegelte sich auf seinem Gesicht.
Balduraya sprach: «Dennoch können wir alle unseren eigenen Beitrag zum Frieden leisten, immer und überall, wenn wir uns Mühe geben und uns nicht von Hass und Misstrauen und Furcht zerfressen lassen. Wir Paladine beten immer für den Frieden in der Welt und versuchen auch stets den Weg des Friedens und der Liebe zu gehen. Doch manchmal müssen wir auch kämpfen, um das Leben anderer und unser eigenes Leben, zu schützen. Es gibt böse Wesen, die nach Chaos und Vernichtung trachten, gegen sie muss man sich wehren.» «Ja…» sprach Linus «z.B. gegen die Dämonen, wie meine Mutter einer ist.» Bitterkeit schwang in seiner Stimme mit. «Manchmal merke ich wie ihre Verderbtheit mich vergiftet Raya, ich habe Angst davor, weil ich doch gut sein will.» «Du bist auch gut mein Süsser,» sprach die Blutelfin tief im Herzen berührt und legte den Arm um Linus. «Du hast es selbst in der Hand, was du aus deinem Leben machst. Du hast den freien Willen und wenn du gut sein willst, dann wirst du auch gut sein.» «Aber manchmal will ich auch böse sein, dagegen kann ich dann oft auch nichts machen. Es ist dann wie eine Dunkelheit die über mich fällt. Wenn ich wütend bin z.B. oder sehr traurig.» «Wir alle haben dunkle Seiten in uns Linus, sie als Teil von uns zu erkennen, ihnen jedoch nicht zu viel Macht über uns zu geben, ist ein ständiger Prozess.» «Aber für mich ist das noch schwieriger als für dich Raya. Du weisst, ich habe Dämonenblut in mir und ein Teil meiner Seele ist dämonischen Ursprungs.» «Doch du hast auch einen lichtvollen Ursprung Linus und dieser kann immer mehr an Leuchten gewinnen, wenn du ihm genug Raum gibst.» «Kann ich denn auch Paladin werden wir du, Raya?» «Das wäre sicher möglich, wenn du dem Licht von Herzen dienen willst und du all die Tugenden die dazu gehören wahrhaftig pflegen kannst: Wie Mitgefühl und Nächstenliebe z.B.» Der Junge nickte nachdenklich. Den Rest des Weges bis zum Gasthaus in dem sie und ihre Begleiter untergebracht waren verbrachten sie schweigend jeder in seinen eigenen Gedanken vertieft.
Tyrande kam ihnen in der Gaststube entgegen. Sie wirkte erhitzt und aufgeregt. «Gerade ist eine Nachricht von Varunna gekommen. Er hat sich bereits auf den Weg ins Eschental gemacht. Wir reisen Morgen ebenfalls ab.» «Was hat er denn nur gemacht die letzten Tage?» fragte Balduraya. «Er schrieb einfach, dass er auf der Mondlichtung gewesen sei. Warum genau, werde er uns dann noch erzählen.» «Ja hoffentlich, sein plötzliches Verschwinden kam mir schon seltsam vor. Ich dachte einen Moment lang, er lasse uns im Stich.» «Aber nicht Varunna, er ist ein sehr guter Freund, er würde uns nie im Stich lassen, ausser etwas überaus Dringliches käme dazwischen, doch das müsste wirklich sehr, sehr dringlich sein…» Auf einmal stieg den beiden jungen Frauen leichter Verwesungsgeruch in die Nase. Balduraya wurde kurz von der Hoffnung ergriffen, Dabog geselle sich zu ihnen und fuhr darum etwas zu schnell herum. Doch es war «nur» Aeternias, der Untote, der Dabog begleitet hatte. «Hallo Aeternias!» freute sich Linus, der aus irgendeinem unerfindlichen Grund einen Narren an dem Untoten gefressen hatte, der ihn, jedoch mit kaum einer Regung, ebenfalls begrüsste. Den Kleinen schien die Unnahbarkeit des Verlassenen jedoch nicht sonderlich zu stören. «Bringst du mir heute nochmals etwas das Kämpfen bei?» fragte er ihn. Aeternias erwiderte: «Heute wohl nicht, aber es gibt sicher bald wieder eine Gelegenheit.» Linus nickte eifrig. Doch Balduraya sprach mit vorwurfsvollen Unterton in der Stimme: «Kämpfen ist aber nicht das, was Linus in erster Linie lernen sollte Aeternias.» «Wenn er es ein wenig kann, kann ihm das sicher nicht schaden,» erwiderte der Untote. «Es gibt doch einige Gefahren die in Azeroth auf ihn lauern könnten, das sollte er sich schon wehren können.» «Ja,» kam Tyrande Balduraya zur Hilfe und zog den kleinen Linus unbewusst etwas zu sich herüber. «aber er sollte das Kämpfen nicht übertreiben». Sie warf dem Untoten einen vielsagenden Blick zu.
Aeternias wusste mittlerweile, dass die Lebenden oft auch nonverbal kommunizierten und er hatte gelernt, ihre verschiedenen Gesichtsausdrücke mehr oder weniger richtig zu deuten. Allerdingst hiess das nicht, dass er mehr Einfühlungsvermögen besass. Es war mehr ein Wissen, dass er aus Erfahrung gewonnen hatte und das in seinem, doch noch recht scharfen Verstand, abgespeichert worden war. Diesmal wollte ihm Tyrande wohl zu verstehen geben, dass ein Halbdämonenkind, nicht zu viel mit dem Kämpfen konfrontiert werden sollte, da Kämpfen ja aus Sicht der Lebenden und der lichtvollen Mächte (zu denen er allerdings nicht wirklich Zugang hatte), nicht so förderlich für die Seele war. Der Kleine hatte leider eine sehr dunkle Dämonenseite in sich, die man jedoch nicht unbedingt fördern wollte. Aeternias scherte sich weder um Gut, noch um das Böse. Beides berührte ihn gleichermassen, nämlich gar nicht. Darum war es aus seiner Sicht auch ziemlich egal, ob der Kleine nun seine Dämonen- oder seine Blutelfenseite, mehr entwickelte. Das kam schlussendlich auf das Gleiche heraus für den Verlassenen, da er selbst eh keine Seele mehr besass, die vor irgendeiner Verdammnis bewahrt werden musste. Doch aus eine gewissen Loyalität seinen Begleitern gegenüber, respektierte er Tyrandes Wunsch und sprach:
«Jetzt habe ich sowieso keine Zeit zum Kämpfen, wie ich bereits sagte. Ich wollte euch einfach noch informiere, dass ich nochmals in die Stadt gehe.» «Wie geht es eigentlich Dabog?» fragte Balduraya. «Ich habe ihn so gut es ging zusammengeflickt und einer der Untoten Apotheker in der Stadt, kümmert sich nun ebenfalls um ihn und fördert die Heilung von innen heraus. Der nekromantische Geist muss neu gestärkt werden. Aber irgendwann werden wir wohl oder übel einige Ersatzteile auftreiben müssen um den Körper wieder ganz herzustellen. Doch bald ist Dabog wieder fit genug und er wird uns sicher nach Darnassus begleiten.» «Wir reisen aber Morgen schon ab,» gab Tyrande zu bedenken und versuchte sich ihre Abscheu, dem Treiben der Untoten gegenüber, nicht allzu sehr anmerken zu lassen. «Schafft er das?» «Er wird noch nicht ganz im Schuss sein und kämpfen kann er nur eingeschränkt, aber reisen kann er schon.» «Du sagst sein nekromantischer Geist müsse neu gestärkt werden, aber… wird es dann für seine Seele nicht wieder viel schwieriger, in ihren alten Körper zurück zu kehren?» fragte Balduraya. Trauer ergriff die junge Blutelfin plötzlich. Sie vermisste Dabog, aber den Dabog, der wohl nun wieder irgendwo verloren im Smaragdgrünen Traum herumwandelte. «Ja, das könnte dann schon wieder etwas schwieriger werden,» gestand Aeternias ein «Dennoch, tun wir es nicht, wird sein Gefäss, nicht in der Lage sein, ihn wieder in sich aufzunehmen, weil es zu beschädigt ist. Die Hexenmeister in Desolace und ihre Helfer, haben ihm böse zugesetzt, wie ihr wisst.»
Aeternias hatte Recht, wie nur konnte er glauben, dass Balduraya das jemals vergessen könnte. Dabog hatte Gwydyon mehrfach das Leben gerettet und ihm und seinem frischgeborenen Sohn die Flucht ermöglicht. Allerdings, war er dann selbst so schwer verletzt, oder eben beschädigt worden, dass ihn schlussendlich Gwydyon zurück nach Schattenflucht bringen musste. Dabog war kaum noch ansprechbar und halbtot, hätte man das bei einem sowieso untoten Mann überhaupt sagen können. Als man ihn verätzt, verbrannt und aufgeschlitzt auf eine Bahre vor Baldurayas Füssen niedergelegt hatte, da spürte die junge Frau einen unendlichen Schmerz in sich und Tränen liefen ihr in Strömen über die Wangen. Sie legte die Hand auf Dabogs zerschlagenes Haupt und tatsächlich, schaute er sie einen Augenblick lang an. Sein Blick war jedoch zu kühl, in seinen Augen konnte sie kein wirkliches Leben erblicken. Dabogs Seelen- Ich, hatte sie wieder verlassen und sie wusste nicht, ob es jemals wieder den Weg zurückfinden würde. Nun da der nekromantische Zauber erneuert wurde, bestand dazu eine noch viel geringere Chance.
Schnell wandte sie sich deshalb ab, um die Tränen die sich erneut Bahn brachen, vor den anderen zu verstecken. Aeternias sprach davon unberührt: «Also dann geh ich dann mal in die Stadt, man sieht sich….oder auch nicht,» flüsterte er für die anderen unhörbar vor sich hin. Denn er würde nicht mehr in dieses Gasthaus zurückkehren. Niemals mehr…