Ich war noch nie so der Typ der gerne Partys machte, ausging um zu feiern, oder seinen Geburtstag feierte. Warum sollte ich auch? Dann war ich halt ein Jahr älter. Warum sollte das ein Grund zum Feiern sein? Ein Tag näher am Grab. Das nennt ihr pessimistisch? Mag sein. Doch sein wir doch mal ehrlich. Sterben tun wir alle. Manche feiern nur jedes Jahr, in dem es noch nicht soweit war. Im Endeffekt läuft es aber aufs Selbe hinaus. Du bist tot und verrottest in irgendeinem Grab. Das heißt nicht, dass ich nicht gerne lebe. Ich bin einfach nur realistisch. Auch wenn alle anderen sagen, ich wäre ein Schwarzseher. So ärgere ich mich wenigstens nicht dauernd darüber, wenn etwas nicht so läuft, wie erwartet. Und, ja, das habe ich im laufe meines Lebens gelernt. Habe keine großen Erwartungen. Dann kannst du auch nicht enttäuscht werden. So ist es einfacher. Allerdings bringt dir das auch nicht gerade viele Freunde. Tja, selbst wenn ich also meinen Sechsundzwanzigsten hätte feiern wollen, so hätte ich das nicht gekonnt, weil ich keine Freunde hatte, mit denen ich feiern könnte. Ich hatte nur Kevin. Ja, ich weiß, beim Namen Kevin denken die meisten Menschen an irgendeinen Deppen ohne Hirn und Schulabschluss, aber so ist Kevin nicht. Er studiert sogar. Ja, er ist nicht sehr gut darin, aber er ist wirklich klug. Hat echt was im Köpfchen. Vielleicht sind wir deshalb so gut befreundet.
Er sieht mehr in mir als einen Pessimisten. Er sieht mir in die Seele und weiß, dass ich meine Gründe dafür habe alles schwarz zu sehen. Und keine Partys zu machen. Ich trinke nicht gerne. Alkohol ist nicht nur für meinen eigenen Körper kacke. Also ich meine damit, dass ich alkoholisierte Menschen nicht ausstehen kann. Ein Bier? Dann verschwinde lieber gleich. Betrunkene Menschen machen dumme Sachen. Dinge wie Typen abschleppen die voll hässlich sind, oder sich ohne Kondom vögeln lassen. Tja, wenn ihr mich fragt, die haben ne fiese Geschlechtskrankheit verdient. Nicht sowas wie HIV. Was harmloseres. So fies bin ich dann auch wieder nicht, aber trotzdem. Verdient haben sie es. Wo war ich noch gleich? Ach ja. Geburtstage und ob man sie feiern sollte. Um endlich zum Punkt zu kommen und damit ich mich nicht wieder in Rage rede: Ich feiere meinen Geburtstag nicht. Ist ja nicht mal nen runder. Nicht, dass das ein Grund wäre ihn zu feiern. Ich wollte es nur mal erwähnt haben. Sechsundzwanzig zu werden ist keine große Sache für mich. Einen Tag näher... Na ihr wisst schon. Dass ich nicht feiern werde, weil ich es nicht ausstehen kann weiß Kevin. Kevin weiß nämlich alles über mich. Immer hin ist er ja mein bester Freund. Seit Kindertagen. Und ich weiß auch alles über ihn. Auch Dinge, die niemand anderes weiß.
Zum Beispiel, dass er immer noch manchmal popelt. Wie früher als Kind mit sechs Jahren. Und, dass ich ihn so zum Lachen bringen kann, dass seine Blase versagt und er sich einpisst. Das versuche ich allerdings zu vermeiden. Schwerfallen tut mir das aber schon. Oft schaukeln wir uns beim Lachen gegenseitig so hoch, dass er plötzlich aufspringt und zum nächsten Klo rennt. Wir lachen ziemlich viel miteinander. Manchmal auch übereinander. Nicht auf fiese Weise natürlich. Kevin ist der einzige der mich je so zum Lachen gebracht hat, dass ich Bauchschmerzen bekommen hab. Viel gelacht habe ich generell nie. Auch nicht als Kind. Ich war wohl immer schon eher melancholisch veranlagt. Da ist lachen nicht so drin. Zumindest bei mir. Trotzdem bin ich generell fröhlich und genau das mag Kevin wohl so sehr an mir. Ich bin ein Schwarzseher, der trotz melancholischer Tage, und davon gibt es viele in meinem Leben, immer fröhlich ist. Ein Sonderling eben. Die meisten Menschen verstehen mich und meine Art durchs Leben zu gehen einfach nicht. Nur Kevin, der versteht mich. Und ich verstehe ihn. Kevin ist ein Spaßvogel. Immer einen Witz parat. Schon in der Grundschule war er echt ein Clown. Regelmäßig wurde er des Klassenzimmers verwiesen, weil er den Unterricht mit irgendeinem Blödsinn, wie Popelschnippsen, gestört hat.
Ohne Kevin hätte ich die wohl schlimmste Zeit meines Lebens nie überstanden. Dann wäre ich wohl irgendwann an meinen Depressionen zu Grunde gegangen und hätte mir die Pulsadern durchtrennt. Aber dazu kam es nicht, denn immer wenn ich dachte, ich kann nicht mehr, war er da. Selbst wenn ich ihn dafür hasste, weil ich allein sein wollte und er mich nicht ließ. Kevin ließ sich nicht abschütteln. Manchmal machte ich einfach die Tür nicht auf. Dann setzte er sich davor und klopfte so lange, bis ich sie doch öffnete. Oder ein Nachbar die Polizei rief. Dann kam er auch irgendwann in meine Wohnung. Gott sei dank, ist diese schlimme Zeit vorbei und im Nachhinein betrachte ich es als ein Wunder, dass Kevin immer noch an meiner Seite ist. Er musste viel mit mir durchmachen. Ich habe ihn angeschrien. Getobt. Ihn angegriffen. Sowohl mit Worten, als auch mit Schlägen und Tritten. Jeder andere wäre gegangen. Spätestens dann. Aber Kevin war geblieben. Uns verband eine Freundschaft, die tiefer war, als Liebe es je sein konnte. Wir hatten alles zusammen erlebt. Die guten und die schlechten Zeiten. Das auf und Ab des Lebens.
Die Schulzeit hatten wir in einer Klasse überstanden, auch wenn es manchmal zum Kotzen war. Wir haben uns gegenseitig getröstet, wenn einen der Partner verlassen hatte und man am Boden war. Wir haben Freundschaften kommen und gehen sehen. Hatten gemeinsam Urlaub gemacht. In Italien, Spanien und Frankreich. Hatten beide die Ausbildung überstanden und uns gegenseitig beim Lernen unterstützt. Wir waren für einander da. So war es schon immer gewesen. Kevin hatte allerdings eine Sache an sich, die mich wirklich störte. Ich konnte sie ihm verzeihen. Immerhin gab es sonst kaum Dinge, die mich an ihm störten. Er feierte gerne. Er gehörte zu den Menschen, die am liebsten jedes Wochenende Party machten, sich besaufen gingen und um die Häuser zogen. Ein Mal hatte ich mitgemacht, Ein Mal. Das war der Auslöser für meinen Hass auf Alkohol gewesen.
Wir waren beide betrunken gewesen und kamen erst spät zu mir nach hause. Meine Wohnung war näher dran als seine und mit dem Auto konnte keiner von uns in unsrem stark alkoholisiertem Zustand noch fahren. Klar würde Kevin bei mir auf dem Sofa pennen. Jedenfalls war das der Plan gewesen. Am Ende allerdings war ich der jenige, der auf dem Sofa lag und Kevin schnarchte in meinem wunderbaren Bett vor sich hin. Natürlich hatte ich es nicht lange auf dem alten Zweisitzer ausgehalten und war, immer noch gut alkoholisiert, ins Schlafzimmer getappt, um mich in mein warmes, weiches Bett zu legen. Mein Gehirn funktionierte allerdings noch nicht so gut und vergaß natürlich, dass sich ja schon eine Person in dieser schönen Schlafstätte befand. Ich hatte mich also einfach dazugelegt, bemerkt, dass ich nicht alleine war und mich einfach an den warmen Körper vor mir gekuschelt. Kein Problem, könnte man jetzt denken und in meinem Zustand dachte ich damals nicht anders, doch dann drehte Kevin sich mit dem Gesicht zu mir, gab mir einen dicken Kuss auf die Lippen, drehte sich wieder um und schlief einfach weiter, als wäre es das normalste von der Welt. Natürlich war ich mit einem Schlag hellwach gewesen. Die restliche Nacht hatte ich kein Auge mehr zugemacht. Zu sehr hatte mich dieser Kuss, der natürlich nur durch die typische Saufbirne zustande gekommen war, durcheinander gebracht. Er hatte mein Herz dazu gebracht Purzelbäume zu schlagen und den Alkohol fast augenblicklich aus meinem Körper vertrieben.
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