Peters Tod hatte sich bestätigt und eine andere Streife fuhr schließlich zu Frau Muhr nach Hause, wo auch Harald gerade ankam. Die Beamtin hatte allerdings perfekte Umgangsformen und entschuldigte sich auch bei Harald für das Benehmen ihrer Kollegen.
Es sei natürlich ungewöhnlich, dass ein Geschäftsmann in den frühen Montagmorgenstunden in Arbeitskleidung auf die Drachenwand gehe und dabei tödlich verunglückt, was das Auftreten ihrer Kollegen aber nicht entschuldige... Man müsse das Ergebnis der Unfallerhebung abwarten. Auffällig sei auch, dass die beiden Bergunfälle sich innerhalb von 24 Stunden ereignet hätten. Sie bekundete nochmals ihr Beileid und verließ die Muhrs wieder. Katharina, Haralds Schwester, weinte still in sich hinein während Mutter eher verärgert schien, dass ihr Mann sich bei seinem Selbstmord nicht mehr Mühe gegeben hatte. Schließlich weiß doch jeder, dass die Versicherung bei Selbstmord nicht zahlt, dafür bei Unfalltod die doppelte Summe. Harald fühlte neuerlich Wut in sich aufsteigen.
"Und jetzt zu dir Mutter...!"
Christina hatte sich in ihre Wohnung zurück gezogen und hatte sich auf der Couch zusammengerollt. Sie würde ihr Dasein überdenken müssen. Sie war nicht nur unglücklich, sie war krank vor Sehnsucht Und hasste ihre Entscheidung Josef tatsächlich getötet zu haben. Sie hatte ihn wirklich geliebt. Doch auch wenn sie ihre Tätigkeit jetzt aufgäbe, es würde ihr Josef nicht wiederbringen und sich in einen Anderen jemals so zu verlieben hielt sie für ausgeschlossen.
Am Nachmittag kamen Leute von der Behörde auf Hansen's Baustelle und verfügten nach einer knappen Stunde bis auf weiteres einen Baustopp. Die Baustelle würde von mehreren Sachverständigen begutachtet werden. Was die über hundert Meter lange illegale Uferverbauung anbelangte, wurde bereits ein Renaturierungsauftrag überlegt...
Karl war mit Hannes ins Büro gefahren, um Einsicht in die bestehenden Projekte zu erhalten. Es war geplant, das Karl die Aufgaben von Hans weitgehend übernehmen sollte. Zu diesem Zweck mußte er sich einen Überblick verschaffen. Hannes zeigte ihm, wo die Akten und Pläne gelagert waren. Sie verstanden sich gut und konnten gut zusammenarbeiten. Hannes saß am Schreibtisch seines Vaters und öffnete dessen Lade. Er nahm einige Utensilien heraus, darunter ein digitales Diktiergerät. Siedend heiß durchfuhr Karl der Gedanke an die Worte seines Vorgängers:
"Der Brantner muß weg! Geld spielt keine Rolle! Wir legen zusammen!"
"Das waren eure Worte! Ich hab sie auf Band! Und Ihr braucht nicht zu glauben, dass ihr mich alleine hinhängen könnt, falls einer von euch kalte Füsse kriegt..."
Diese Worte waren so weit weg gewesen. Für Karl hatte diese Unterredung nicht mehr existiert, zumal Sepp ohnehin einem Unfall zum Opfer gefallen war und nicht der gedungenen Mörderin... Und jetzt, wo sich alles für ihn zum Guten wenden sollte, der Junge seines toten Freundes zu ihm aufsah, ihm sein Vertrauen schenkte und auch seine Familie, jetzt war plötzlich dieses Diktiergerät da? Karl starb innerlich tausend Tode. Er musste diese Aufnahme löschen bevor sie dieses wunderbare neue Leben zerstören konnte. Ein Leben mit Renate und ihren Kindern...