Noch vor den Ereignissen am Zwiekschen Kessel im Königreich Flemerim, genoss eine kleine Gruppe der Söldnergemeinschaft Saeghir jeden Sommer zusammen an einem der zahlreichen Seen im sogenannten dritten Seenland, nördlich der Grausichelebene. Die Klinge Wille (Eigentlich heißt sie Faenne) und die angehende Schützin Vanti schlugen den Weg dorthin über den Preyer Weg ein, nachdem sie ihre Aufträge unweit der Grausichelebene abgeschlossen hatten. Schlächter Kyrillian (Kyso) reiste extra aus Nordkreuz an, wohin ihn die Saeghir zuvor wegen eines Banditenproblems entsandten. Ein wenig Aufschub schadete bestimmt nicht. Gald zog von der Burg Malt Fallon aus los an den See, denn es gab wenig Arbeit für einen Späher in Friedenszeiten. Wie durch eine fremde Hand erzwungen, kamen sie alle zur gleichen Zeit am See an.
»Gald, es gibt nicht einen Fleck Sand?«, stellte Wille nach der Begrüßung verwundert fest und schaute zu mir auf. Ihre blonden Haare trug sie wieder zu einem Zopf geflochten und ein daumenbreites grünes Band verlängerte diesen bis über die Brust. Sie trug einen viel zu großen Strohhut, durch dessen kleine Löcher Sonnenstrahlen ein verspieltes Muster aus Licht und Schatten auf ihren zierlichen Oberkörper malten. Das hohe Gras reichte ihr bis zum Bauch, weswegen sie mich vorschickte, um ihr einen Weg zu trampeln. Als das Gras zum See hin etwas niedriger wurde, überholte sie mich und wollte schon in Richtung eines Sandufers laufen.
»Steht nicht so herum, sondern lasst uns endlich ins Wasser gehen, ihr Mauerstampfer!«, rief Kyso, schubste mich an Wille vorbei und nahm große Schritte auf den See zu.
Zwei dunkelhäutige Arme schlangen sich um meinen Oberkörper und einige seidene schwarze Haare fielen über meine Schulter, welche nicht meine eigenen waren. Die Hände der Arme drehten meinen Kopf in Richtung See. »Seht nur, die glatten Felsen! Es gibt doch nichts schöneres, als warmer glatter Stein, der sich an deinen Körper schmiegt«, hauchte Vanti, biss mir in die Wange, kicherte und steuerte mit katzenhafter Anmut auf die Felsen am See zu.
»Au«, machte ich monoton.
Wille stand immer noch da und sah mich aus ihren großen grünen Augen an.
»Wille, was soll ich sagen? Wir gehen jeden Sommer an einen anderen See. Manchmal gibt es dort Sand und manchmal ... nur Gras und glatten Stein. Und am Watusee gibt es anscheinend keinen Sand.«
Sie seufzte nur und trottete in Richtung Vanti. Ich nahm dieselbe Richtung.
Die Sonne stand hoch am Himmel und Schatten machte sich rar. Während Kyso also bereits das Seewasser genoss, rackerte ich mich mit einem Sonnensegel ab, welches ich den weiten Weg von Malt Fallon bis hierher schleppte. Ein großflächiges, dünnes Stück Stoff, welches ich einfach an einem Baum und zwei Stöcken befestigte, sodass es genug Platz und Schatten für jeden von uns gab. Die Kämpferinnen lagen auf einem der glatten Felsen und sahen mir bei der Arbeit zu. Sie trugen diese knappe Kleidung namens ›Bikini‹, die Vanti aus ihrer Heimat, Garrakai, kannte und zuvor ablehnte, da ›Frauen in diesen Fetzen auf den Marktplätzen verkauft werden‹, aber vermutlich erkannte sie in Flemerim einen neuen Nutzen für das Kleidungsstück und fertigte sogar eigens diese umfunktionierte Sklavenkleidung für Wille und sich selbst an. Da sie in Flemerim keinerlei Furcht vor Zorn aus Garrakai zu erleiden hatte, fiel ihr diese Anpassung relativ leicht. Sie musste bei aller Ablehnung selbst zugeben, dass die Kombination aus wenig Stoff und viel Sonne auf der Haut zu verlockend war.
»Endlich gibt es genug Schatten für alle!«, verkündete ich Stolz und wies auf mein Sonnensegel hin.
»Wir sind hier, um die Sonne zu genießen und nicht, um im Schatten herumzuliegen!«, rief Vanti, auf deren dunkler Haut sich ein durchgehender Streifen sonniger Glanz bildete. Einer dieser Streifen, dessen Lage sich je nach Blickwinkel des Beobachters veränderte. Ich mochte dieses Lichtspiel auf dunkler Haut. Nicht, dass ich ständig hinter Vanti hin und her lief, aber wenn ich hinter ihr vorbei ging, achtete ich auf diesen einen reflektierenden Wanderstreifen, den die Sonne auf ihre nackte Haut zauberte.
Ich ließ mich im Schatten auf den Rücken fallen und schloss die Augen. Eine Abkühlung vor der Abkühlung. Außerdem musste ja irgendjemand das mühsam errichtete Sonnensegel ausprobieren. Ich streckte mich und gähnte. Eigentlich war ich viel zu erschöpft für einen Tag am See nach dieser anstrengenden Reise. Ich seufzte, verschränkte die Arme hinter dem Kopf, lauschte dem Vogelgezwitscher und achtete auf das Gras, welches mir in Nacken und Ohren piekte. Hin und wieder hörte ich ein Kichern von Vanti oder Wille, die sich unterhielten oder Kyso, wie er im See plantschte.
»He! Kommt endlich rein! Das Wasser ist wunderbar!«, rief Kyso.
Ich gähnte nur. Es war nicht so, dass ich keine Lust auf Wasser hatte, aber der Tag war noch lang und die Sonne hatte den Zenit gerade erst überschritten. Ich hörte nackte Füße auf Stein tapsen und dann einen Satz ins Gras. Die Stimmen der Damen entfernten sich von mir. Wenn ich doch noch ins Wasser gehen wollte, war dieses schattige Plätzchen ein verhängnisvoller, aber süßer, Fehler. Selbst das Ferne aufkreischen von Wille wegen zu kaltem Wasser und Kysos Gegröle hielten meine Erschöpfung nicht auf. Die letzte Nacht war kurz und ich wollte nur etwas Schlaf nachholen. Nur ein bisschen die Augen schließen und dem heißen Sommer entfliehen.