ARON
Ich beobachte Mona, wie sie mit einigen unserer ehemaligen Klassenkameraden spricht. Ich selbst habe mich bis vor einigen Minuten noch mit Christoph, Patrick und Manuel unterhalten, höre jetzt aber gerade deren Gespräch zu.
Ich selbst habe Mona vorgeschlagen, dies ebenfalls zu tun. Schließlich war das letzte Klassentreffen viele Jahre her und wer weiß, ob und wann es wieder eines geben wird. Daher sollten wir beide die Gelegenheit nutzen und nicht nur aneinander kleben. Auch wenn es mir schwerfällt. Aber es gelingt mir, nicht zu offensichtlich herüber zu starren, sondern lasse meine Augen immer wieder wie zufällig in ihre Richtung schweifen.
Sie selbst ist darin nicht so geschickt, wie ich amüsiert bemerke. Immer wieder trifft mich ihr Blick, den ich auch spüre, wenn ich mich nicht in ihre Richtung drehe. Ich muss mir ein zufriedenes Schmunzeln verkneifen und tue so, als bemerke ich es nicht.
Es ist mittlerweile drei Stunden her, seit wir uns beide den anderen zugewandt haben, und das Grillfest neigt sich dem Ende zu. Die ersten sind bereits gegangen, und auch bei den noch vorhandenen Gästen macht sich eine gewisse Aufbruchstimmung breit. Adressen werden bereits ausgetauscht und bald wird man anfangen, das eigene Geschirr aufzuräumen, da bin ich sicher.
Die Männer unterhalten sich gerade über Trump und fachsimpeln über die Folgen für uns in Deutschland.
„Befürchtest auch du Auswirkungen für dich und deine Firma, Aron?“ fragt mich Christoph.
„Nicht direkt. Ich hoffe es zumindest“. Ich verzichte darauf, ihn darauf hinzuweisen, dass ich zusammen mit Lars die Firma betreibe. Sie alle kennen meinen Bruder als Hallodri und können sich nicht vorstellen, dass er auch durchaus eine andere Seite hat, zuverlässig, kreativ und fleißig sein kann. Manchmal ist er da sogar engagierter als ich, wenn er von einer Sache begeistert ist. Mein Bruder war schon immer ein Mann der Extreme und konnte sich in eine Sache richtig hineinsteigern – vorausgesetzt, sie interessierte ihn.
Ich hatte mich mit Christoph früher eigentlich ganz gut verstanden, wenn wir auch nicht richtig befreundet gewesen waren. Ich bin mal neugierig, ob wir Kontakt halten werden. Unsere Adressen haben wir auf jeden Fall schon einmal ausgetauscht.
Wir unterhalten uns noch einige Zeit über Amerika und Europa, bis schließlich eine allgemeine Unruhe um sich greift. Immer mehr fangen an, ihre Teller und Schüsseln einzupacken. Wir lassen uns anstecken und beginnen ebenfalls, unser Zeug zusammenzutragen. Von meinen Kisten mit den Getränken, die ich großzügig verteilt habe, ist noch etwas mehr als die Hälfte übrig. Netterweise haben alle ihre leeren Flaschen wieder mitgebracht, so dass mir keine fehlt.
Ich packe rasch alles auf meinen Bollerwagen und schaue mich nach Mona um. Ich kann sie nirgends entdecken und vermute, dass sie schon in Richtung Auto unterwegs ist. Ich hätte ihr gerne geholfen aber es passt zu Monat, dass sie das nicht möchte.
Wirklich verändert scheint sie sich nicht zu haben. Im Gegensatz zu mir.
Was sie bald merken wird.
Ich setze mich mit meinem Gefährt Richtung Parkplatz in Bewegung. Da muss sie mir über den Weg laufen.
Mit quietschenden Reifen komme ich nach wenigen Minuten an. Mona war gerade dabei ihr Auto zu beladen und hat mich natürlich gehört.
Unsere Blicke treffen sich und ein freudiges Lächeln umspielt ihre Lippen. Ich unterdrücke den Impuls, zurückzulächeln und nähere mich stattdessen gemächlich ihrem Auto. Etwas verwirrt starrt sie mich an.
„Weshalb hast du dir nicht von mir helfen lassen, Mona?“ will ich wissen. Ich weiß, dass ich sie trotz meiner ruhigen Stimme irritiere, aber ich kann es nicht ganz vermeiden, sie ein wenig aufzuziehen. Ich kenne Mona und bin ihr nicht wirklich böse.
„Bist du sauer, Aron?“ möchte sie leise wissen.
„Natürlich“ antworte ich trocken.
Ich sehe, dass sie angesichts meiner Antwort schlucken muss und amüsiere mich köstlich darüber.
„Da ich dir helfen möchte, muss ich jetzt noch extra zurücklaufen“ ergänze ich schließlich, warte einen kurzen Moment, ehe ich lächle.
Sie stockt einen Augenblick, dann bemerkt sie, dass ich sie gerade ein wenig an der Nase herumgeführt habe.
‚Aron!“ ruft sie empört und boxt mich leicht in die Seite. „Was soll das denn?!“
„Ach Mona. Ich wollte dir ein wenig helfen und du machst mir das nicht gerade einfach, wenn du einfach so zum Auto rennst“.
„Rennen wohl nicht, bei all den Schüsseln“ kontert sie. „Und du sollst mich nicht bemuttern“.
Statt direkt zu antworten, schlage ich vor: „Ich lade jetzt meine Utensilien hier ein und dann helfe ich dir, einverstanden?“
Sie seufzt leise. „Einverstanden, Aron. Aber das hier lässt du mich jetzt noch in den Kofferraum räumen, oder?“
„Äußerst ungern“. Ich weiß, dass ich sie jetzt so richtig frech angrinse. „Aber einverstanden“.
Ich sage nichts weiter und wende mich ab. Wir sind nicht die einzigen hier und ich beeile mich, zu meinen KFZ zu kommen und alles wieder einzuladen. Lange brauche ich dazu nicht. Kaum fertig, eile ich zu ihr hinüber. Sie lehnt an ihrem Auto und wartet.
Ich selbst deute eine Verbeugung an und biete ihr meine Armbeuge. Sie schaut mich kurz überrascht an, dann hakt sie sich bei mir unter.
Es verlangt mir alle Selbstbeherrschung, ruhig zu bleiben. Ich unterdrücke die aufkommende Erregung, damit „Klein- Aron“ auch klein bleibt. Glücklicherweise gelingt mir das auch. Eine Beule in meiner Hose wäre mir jetzt äußerst peinlich. Was würde Mona dann von mir denken? Nachher hält sie mich noch für einen Lustmolch.
Diese Frau fühlt sich einfach wunderbar an, obwohl wir uns ja lediglich untergehakt haben. Fast ein wenig stolz führe ich sie zum Grillplatz zurück. Schade, dass es nur wenige Meter sind und löse mich nur widerwillig von ihr.
„Wo hast du noch etwas von dir rumstehen?“ erkundige ich mich.
„Da drüben auf dem Tisch. Nur noch den Korb“. Sie deutet auf den Tisch rechts von uns.
„Warte hier ich hole ihn“ weise ich sie an
„Dann möchtest du dir also tatsächlich einen Korb von mir holen?“ meint sie schlagfertig.
„Ich möchte alles von dir“ antworte ich leise, bevor ich mich rasch entferne. Sie hält überrascht den Atem an. Wieder einmal lasse ich mir nichts anmerken.
Ich weiß, dass ich sie gerade etwas ratlos stehenlasse. Aber ich kann gerade nicht anders. Mona geht mir viel zu sehr unter die Haut.
Ich habe nicht gelogen – ich möchte wirklich alles von ihr.
Der Korb ist wirklich randvoll, was mir bei unserer ersten Begegnung einige Stunden zuvor gar nicht aufgefallen ist. Ich sehe eine Küchenrolle, ihr benutztes Geschirr inklusiv Becher und Getränke. Sie hat noch andere Dinge dabei, die ich allerdings nicht erkennen kann, da sie durch zwei Küchentücher verdeckt sind. Da ich ihr vorher etwas von meinen Getränken angeboten- naja, wohl eher aufgenötigt – habe, ist der Korb doch noch recht schwer, mit den vollen Flaschen.
Ich greife mir den Henkel ihres Korbes mit der rechten Hand und kehre betont lässig zu ihr zurück. Da ich regelmäßig trainiere, ist das kein Problem. Und, zugegeben, möchte ich natürlich auch ein wenig Eindruck bei ihr schinden. Sie hat ja vorher schon meinen Körper bewundert und ich möchte ihren positiven Eindruck verstärken.
So versuche ich, ein verschmitztes Lächeln aufzusetzen, als ich sie erreicht habe und nun vor ihr stehe. Am liebsten würde ich ihre Hand ergreifen, aber dazu ist es noch etwas zu früh. So biete ich ihr erneut meinen Arm an, und sie hakt sich ohne Zögern erneut ein.
Äußerst zufrieden führe ich sie zu ihrem Wagen zurück. Ich fürchte, ich habe gerade ein ziemlich dümmliches Grinsen im Gesicht. Nicht sehr cool, aber das ist mir im Moment ziemlich egal.
Als wir am Ziel angekommen sind, lass ich sie ihren Kofferraum öffnen und stelle den Korb rechts neben ihre Plastikschüsseln.
„Was hast du denn da unter den Tüchern?“ frage ich neugierig.
Sie zuckt mit den Schultern. Sie scheint ein wenig verlegen zu sein. „Ach - nichts“
„Nichts?“ Ich schaue sie ungläubig an.
„Nichts Wichtiges“. Es ist ihr offensichtlich unangenehm. „Und nun starre mich nicht so an“.
Ich nicke. „Entschuldige bitte, das war nicht meine Absicht“. Diesmal gebe ich nach.
Der Parkplatz füllt sich zusehends. Immer mehr Männer und Frauen kommen, um alles zu verstauen und sich zu verabschieden.
„Bitte verschwind nachher nicht einfach, sondern warte auf mich“ kann ich ihr noch rasch zuraunen, bevor einige meiner Bekannten auf mich zukommen, um Lebewohl zu sagen.
Irgendwie scheinen es plötzlich alle eilig zu haben, nach Hause zu kommen. Ich verteile noch hier und da meine Visitenkarten – vielleicht ergibt sich ja doch noch der eine oder andere Kontakt, egal ob beruflich oder privat. So ganz kann ich wohl nicht abschalten, einmal Firmeninhaber, immer Firmeninhaber, wie es aussieht.
Nicht lange, und ich habe mich von allen verabschiedet. Wagentüren werden geöffnet und zugeschlagen, die letzten Kofferräume beladen, gekichert und gelacht, bevor Autos verschiedenster Marken und Größen gestartet werden und gemächlich den Waldweg zurück in Richtung Alltag rollen.
Bald sind nur noch wir beide übrig. Etwas verlegen schauen wir uns an.
„Das war es dann wohl?“ fragt sie etwas unsicher.
„Wir sollten uns noch ein wenig unterhalten. Wir hatten trotz allem nicht wirklich die Gelegenheit dazu“ erkläre ich. Es ist keine Frage, sondern eine Aufforderung, wenn sie auch indirekt ausgesprochen wurde.
Mona nickt – sie scheint es zu spüren und macht nicht einmal den Versuch, mir zu widersprechen. Nicht zum ersten Mal kommt mir der Gedanke, dass sie devot veranlagt sein könnte. Zwar nicht offensichtlich, aber den Eindruck habe ich von ihr.
Ich sollte auf jeden Fall aufpassen. Sie würde sicher auch meinem Bruder gefallen. Wir stehen auf dem gleichen Typ von Frauen, und wenn es mag, sich zu unterwerfen, könnte das auch Lars Jagdtrieb ansprechen. Und er kann sehr überzeugend sein, wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hat.
„Ich habe auf dem Weg hierher eine Kneipe gesehen, nicht weit entfernt. Was hälst du davon, wenn wir dahinfahren? Dann könnten wir in Ruhe noch ein wenig miteinander reden?“
Zu meiner Freude nickt Mona sofort. „Ja, natürlich Aron. Das ist eine gute Idee“.
„Dann folge mir bitte“. Ich zwinkere ihr noch mal zu, ehe ich in mein Auto steige. Ich starte und fahre langsam los.
Währenddessen schaue ich ständig in den Rückspiegel um sicherzugehen, dass sie mir auch folgt.
Ja, das tut sie. Alles andere hätte ich auch gewundert.
Langsam – sie soll mich ja nicht aus den Augen verlieren – folge ich diesem furchtbaren Waldweg. Lars würde ich hier mit seinem Sportwagen nicht langfahren lassen, er würde mit zu hohem Tempo über all die Wurzeln und Schlaglöcher fahren und es gäbe dann sicher einen großen Reparaturposten für unsere Firma, die wir begleichen müssten.
Aber auch, als wir uns wieder auf der normalen, geteerten Straße befinden, bemühe ich mich um einen gemäßigten Fahrstil, immer in den Rückspielgel schauend. Ich habe mir bereits Monas Nummernschild eingeprägt, nur für alle Fälle.
Als ich nach etwa einer Viertelstunde vor der Bar anhalte, folgt sie mir immer noch und parkt rechts neben mir.
Ich muss zufrieden zugeben, dass Mona doch ein braves Mädchen ist.
Ich steige gleichzeitig mit ihr aus dem Wagen.
„Und, was meinst du? Zufrieden mit meiner Wahl?“ Ich fixiere sie mit meinen Augen.
„Ja, ich denke, das passt. Sieht gemütlich aus“.
„Dann komm“. Ich platziere meinen Arm um ihre Schultern, während wir beide in Richtung Eingangstür gehen. Mit meiner freien Hand öffne ich – ich möchte einfach meinen Arm nicht von ihr lösen.
Wir suchen uns einen kleinen Tisch etwas abseits im Halbdunkeln, links hinten an der Wand, aus. Sofort komme eine Bedienung.
Ja wunderbar. So etwas kann ich gar nicht leiden, wir sitzen ja nicht mal richtig.
Etwas unwirsch schicke ich sie weg und studiere die Karte.
Ich entscheide mich für ein alkoholfreies Hefe, schließlich muss ich ja noch fahren.
Mein Bruder bevorzugt auch dieses Getränk. Weshalb nur spukt er mir die letzten Minuten ständig in meinem Kopf herum?
Vielleicht weil ich weiß, dass er total auf sie abfahren wird, wenn er ihr begegnet? Insbesondere, sollte sie tatsächlich devot veranlagt sein.
Ich schiebe den Gedanken beiseite und blicke in Richtung Bedienung. Sie eilt sofort zu unserem Tisch. Mona entscheidet sich für einen alkoholfreien Cocktail.
Wir müssen nicht lange warten und wie bekommen unsere Getränke.
Ich hoffe nur, diese Kellnerin lässt in ihrem Eifer etwas nach und fragt nicht ständig, ob wir weitere Wünsche haben. Ich möchte mich schließlich im Ruhe mit Mona unterhalten können.
Wir prosten uns zu.
„Mona…“
„Aron…“
Wir beide fangen gleichzeitig an zu reden und verstummen nun. Kurz darauf müssen wir beide lachen.
„Du zuerst“ schlage ich, ganz gentlemanlike, an.
Sie streicht sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht hinter das Ohr, ehe sie neugierig in meine Augen blickt. „Du bist so anders, wie ich dich in Erinnerung habe“.
„Ich weiß. Du denkst an den dicken Jungen mit den vielen Pickeln“.
Sie errötet verlegen. „Aron“.
„Das passt schon“ beruhige ich sie. „Wir wissen beide, dass ich das war“. Ich berühre kurz ihre Hand, dann fahre ich fort: „Ich hatte mir vorgenommen, etwas zu ändern. Ich war natürlich auch nicht zufrieden mit meinem Aussehen. Gegen meine Pickel konnte ich natürlich erst mal nichts machen, allerdings waren sie schon gegen Ende meiner Schulzeit wesentlich besser. Das hast du aber wahrscheinlich nicht mitbekommen. Und so habe ich beschlossen, endlich meinen Körper zu verbessern“.
Nun lege ich meine Hand auf die ihre und lass sie kurz darauf ruhen, ehe ich zu meinem Glas greife.
„Ich habe angefangen, EDV zu studieren und gleichzeitig eine Mitgliedschaft in einem Fitnessstudio abgeschlossen“.
Mona sagt nichts, sondern hört mir interessiert zu.
„Parallel habe ich meine Ernährung umgestellt“ fahre ich fort.
„Das war sicher nicht einfach“ antwortet sie mitfühlend.
„Ja, aber nicht so wie du jetzt denkst“. Ich muss lachen, als ich ihr verständnisloses Gesicht sehe.
„Mein Bruder hatte mich unter seine Fittiche genommen“ erkläre ich ihr „Das war manchmal ganz schön hart“.
„Das kann ich mir vorstellen“. Sie schaut mich fast ein wenig mitleidig an.
Ich habe keine Ahnung, wie oft sie meinen Bruder gesehen hat. Aber sie kannten sich kaum, da bin ich mir sicher. Und er wirkte vermutlich mit seinen kurzen Haaren nicht sonderlich attraktiv für sie, zumindest hoffe ich das.
„Bisweilen schon“ gebe ich zu. „Aber du siehst ja, dass er Erfolg gehabt hat“.
„Ja. Aber ich mochte dich immer, Aron. Ich war nur damals nur einfach nicht an Jungs interessiert“.
„Ich weiß“ antworte ich mit ruhiger Stimme. „Du warst nur auf das Lernen konzentriert, wir verrückten unreifen Kerle hätten dich da ja wohl nur abgelenkt“.
„Ja, das stimmt“. Sie wirkt nachdenklich.
„Auf jeden Fall habe ich es dann wie du gemacht: mich aufs Studium und Lernen konzentriert – neben meinem Sport“.
„Und sicher erfolgreich abgeschlossen“ mutmaßt sie.
„Natürlich. Ich habe auch noch BWL draufgesattelt“. Nach einer kurzen Pause fahre ich fort: „Mein Bruder hat ebenfalls studiert und währenddessen ist uns die Idee mit einer gemeinsamen Firma gekommen“.
„Du bist unglaublich, Aron“.
Ich zucke nur mit den Schultern. „Ich denke, ich hatte einfach Glück“.
Ich streichle erneut kurz ihre Hand, ehe ich erneut meinen Arm um ihre Schultern lege. Vielleicht nicht sehr einfallsreich, immer das gleiche zu tun, aber ich folge meinem Impuls. Und diesmal werde ich den Arm nicht mehr so schnell wieder wegnehmen.
„Aber kommen wir zu dir“. Ich nehme einen Schluck. „Weshalb hast du mit dem Malen aufgehört? Ich dachte immer, du träumst davon, das zu deinem Beruf zu machen?“
Sie blickt mir nicht in die Augen, malt aber mit ihrem Glas kleine Kreise auf den Tisch. Nachdenklich antwortet sie schließlich: „Du sagst das schon richtig, ich träumte davon. Ich musste sehr bald erkennen, dass meine Bilder wohl doch nicht so gut sind wie gedacht“.
„Sag das nicht“ befehle ich. Mir gefällt es gar nicht, dass sie ihr Talent so unter den Scheffel stellt. „Erzähle lieber, was passiert ist. Weshalb bist du dieser Meinung?“
Sie schlürft an ihrem Cocktail, ehe sie das Glas etwas von sich schiebt und loslässt. Vorsichtig lehnt sie sich ein wenig zurück gegeben meinen Arm, ehe sie fortfährt: „Das übliche. Anzeigen geschaltet, Ausstellungen, Anrufe bei Galeristen, und so weiter. Das alles mir mäßigem Erfolg. Die Besucher fanden meine Bilder zwar gut, aber keiner wollte etwas dafür bezahlen und sie käuflich erwerben. Internet war damals noch nicht verbreitet, wenn du dich erinnerst“.
„Natürlich erinnere ich mich“. Ich genieße es, dass sie sich vertrauensvoll zurücklehnt. „Und dann hast du dich für einen sicheren Job bei der Pharmaindustrie entschieden“ schlussfolgere ich.
„Sozusagen. Finanziell ist der Job attraktiv und ich hoffte, dass meine Gemälde mit der Zeit vielleicht doch Käufer finden würden. Und mit gesichertem Einkommen war das dann doch wesentlich entspannter. Mit den Jahren habe ich dann erkannt, dass ich auch langfristig nicht davon leben kann und kaum Nachfrage besteht“.
„Oft liegt so etwas auch an den fehlenden Kontakten“ denke ich laut nach. „Was hälst du davon, mir einige deiner Bilder zu zeigen? Ich könnte mir auch vorstellen, sie in meiner Firma aufhängen und so nebenbei Werbung für dich machen“.
„Wirklich?“ Mona strahlt mich an. „Das würdest du für mich tun?“
Ich blicke ihr fest in die Augen, ehe ich meine freie Hand mit ihrer rechten fest umschlinge. „Natürlich. Für dich mache ich alles, Mona“.
Vorsicht beuge ich mich zu ihr herüber und berühre ganz sanft mit meinen Lippen die ihren. Wir berühren uns hauchzart.
Unser erster Kuss.
Ich bin überzeugt, dass dies nicht der einzige bleiben wird.
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