Nach einer Weile verzog sich der Nebel und was Nerre dann sah machte ihn sprachlos. Eine riesige Stadt machte sich am Horizont breit. „Willkommen in Glatal.“ Sagte Vedimir und lächelte. Und auch Nerre lächelte, geblendet durch die weiße Schönheit der Stadt. Die Stadt in Worte zu fassen war Nerre schwer. Die Behe hatten den Berg von einer Seite natürlich gelassen, aber wenn man um ihn herum ging, kam man auf eine gerade Fläche, die komplett bebaut mit weißen Häusern aus Marmor und weißen Holz war. Die Straßen sind gepflastert und wunderschöne Gärten, kleiner als das was er gewohnt war, dafür sehr gepflegt, erstreckten sich vor den meisten Häusern. Die Stadt war riesig, man hatte den ganzen Berg benutzt. Die Seite vom Berg, die noch natürlich von selber stand, war nur eine dünne Mauer, wo ein Palast hinein gebaut wurde und in den Berg kleine Fenster, damit man alles überblicken konnte. Die Luft die die Stadt umgab war so rein, man fühlte sich gleich viel gesünder, wenn man einmal tief ein- und ausatmete. Vedimir unterbrach Nerre in seinem Staunen: „Im Palast wohnt unser Fürst, Gnar Adele. Über 5600 Behes zählen wir hier. Ich führe dich zu einer Taverne, wo reisende oft unterkommen. Folge mir.“ Während Nerre und Vedimir durch die Straßen zogen kam Nerre nicht mehr aus dem Staunen raus. Alles was er sah, war so anders, neu und faszinierend. Er sah kleine Läden, von Nahrung bis hin zur Kleidung wurde alles verkauft. Auch einen kleinen Kräuter- und Blumenladen sah er, wo er stehen blieb. Das Schild fiel ihm sofort auf, denn es zeigte eine seltene Pflanze, die, gerade bei medizinische Tränke, sehr hilfreich sein kann. „Ob sie die wohl hier haben?“ murmelte er vor sich hin. Er schaute durch das Fenster hinein und sah zwei junge Behes die durch den Laden streiften und die Blumen richteten und Kräuter verarbeiteten. Er musterte den Laden und verlor die Behes aus den Augen. Plötzlich bemerkte er eine Hand auf seiner Schulter. Eine der beiden Behes war raus gekommen und lächelte ihn nun an. „Ein Balasik, hab ich Recht?“ „J-ja!“ stotterte Nerre und richtete sich dann stolz auf. „Dann ist es kein Wunder, dass du hier reinschaust. Du darfst auch rein kommen und dich umsehen, wir beißen für gewöhnlich nicht!“ Nerre kicherte. „Später, wir müssen zur Taverne.“ Vedimir hatte einen Tonfall drauf, der keine Einsprüche zulassen würde. So verbeugte sich Nerre und die Behe winkte ihm zum Abschied zu, ehe sie hinein zu ihrer Freundin ging und weiter ihrer Arbeit nach kam.
Nicht weit von dem kleinen Laden entfernt lag die Taverne. Von außen wirkte sie sehr rustikal und nicht sehr einladen. Ein Mann kam gerade heraus, als sie davor standen und stammelte leise vor sich hin. Nerre verstand nicht alles, doch hörte er das Wort Schuldeneintreiber und war verdutzt. Denn die Miene des Mannes sah verängstigt aus, als er raus und Richtung Gasse lief. „Komm, keine falsche scheu!“ sagte Vedimir, bevor er hinein tritt. Nach kurzem Zögern folgte Nerre ihm. Das innere der Taverne wirkte ganz anders als erwartet. Alles war aus Marmor und weißem Holz gefertigt. Die Bezüge der Kissen und die Vorhänge waren aus reinster Seide und in einem leichten braun Ton. Alles wirkte sehr stimmig und sorgte für eine ruhige Atmosphäre. Hinter einer großen Theke stand ein recht kleiner Behe, mit kurzen schwarzen Haaren, der die Nase rümpfte, als er Vedimir sah. „Guten Tag van Neusen. Wollen Sie Herrn Nagle sprechen?“ „Ich bitte drum.“ Sagte Vedimir in gelassener Stimme. Der Mann hinter der Theke verschwand durch eine Tür, die Nerre gar nicht aufgefallen war. Dies gab ihm die Gelegenheit, sich noch mal genauer umzuschauen. Die Bilder die an der Wand hingen, zeigten Landschaften, von voller Schönheit, die er nicht erkannte. Bis auf eins, das von Niteka, dass gefiel im am besten. Durch die Fenster konnte man in den Hof schauen, wo Kinder Ball spielten. Im Hof selber war noch eine kleine Terrasse, mit Stühlen und Tischen und wenn man wollte, gab es sogar einen kleinen Badeteich. Umrandet war der Hof von einem Zaun aus Gebüschen, hoch genug, dass Niemand spannen konnte. Das gefiel Nerre. Er hatte es schon immer gehasst wenn die Nachbarn ihn seinen Garten starrten.
Plötzlich schwang die Tür hinter der Theke auf und ein großer Behe, größer als Vedimir, mit kurzen schwarzen Haaren auf dem Kopf stand vor uns. Auch sein Schweif war geziert durch dunkles Haar. Seine Augen schimmerten blau-grün und geziert war sein Gesicht mit einer Brille, die er durch ein Finger stupsen wieder in die richtige Position drückte. Er war recht blass, seine Haut wirkte fast Schneeweiß, das hatte Nerre bis jetzt noch an keinem Behe gesehen. Vedimir zum Beispiel hatte leicht bläuliche Haut mit vielen dunklen Mahlen. Der Mann der hinein kam aber wirkte, als habe er keine Mahle, oder sie waren so hell, dass sie einem nicht auffielen. „Vedimir! Was treibt dich her?“ freudig umarmte der Fremde Vedimir und klopfte ihn auf die Schulter. Seine Stimme war tief und angenehm, dennoch störte Nerre etwas an ihm, was ihn bei Vedimir nicht störte. Bei Vedimir klangen die Gefühle echt und bei ihm wirkten sie gespielt und unberechenbar. „Ich habe einen Freund dabei, der auf meine Kosten hier so lange wohnen soll, wie es ihn beliebt.“ Sagte Vedimir und zeigte dabei mit einer Hand auf Nerre. „Oh nein, nein! Ich kann selber Zahlen!“ Protestierte Nerre. Aber Vedimir lächelte bloß. „Keine wieder rede.“ Nerre grummelte vor sich hin, als plötzlich der andere Behe ihm die Hand entgegenhielt. „Ich bin Zenix. Zenix Nagle. Der Besitzer der Taverne. Freut mich ihre Bekanntschaft zu machen. Ich dachte immer Balasiken gehen nicht vor die Tür!“ Er lachte. Nerre aber schüttelte seine Hand und musste sich einen zynischen Kommentar verkneifen. Stattdessen stellte er sich vor: „Nerre Aladig, aus Neugost. Freut mich.“ Dann nickte er und zog die Hand wieder zurück. „Freut mich auch! Herr Nodgar, zeigen sie unserem Gast sein Zimmer. Sie haben eine kleine Wohnung mit Küche.“ Zenix grinste Nerre an und dieser nickte wieder und sprach dann zu Vedimir: „Vielen Dank, alter Freund. Ich hoffe wir sehen uns bald wieder?“ „Ich denke nicht.“ Sprach Vedimir mit leichter Trauer im Wort. „Morgen reise ich schon wieder nach Neugost.“ „Schade. Kannst du mir dann einen gefallen tun? Einen Brief mitnehmen für meinen Freund Geisal? Ich werde ihn hier an der Theke für dich hinterlegen.“ „Natürlich! Wir werden uns bestimmt noch mal irgendwann sehen, alter Freund.“ Vedimir hielt Nerre die Hand hin, dieser erwiderte den Händedruck und verabschiedete sich dann auf sein Zimmer.
Nerres Zimmer lag im zweiten Stock von insgesamt dreien. Als er die Tür öffnete bemerkte er einen beißenden Geruch im Zimmer, welche vom Reinigungsmittel stammte. Der Behe Nodgar meldete sich mit einem leichten Räuspern zu Wort. „Einmal die Woche, Vormittages, Dienstags kommt ein Reinigungsteam, welches sie nicht in Anspruch nehmen müssen, aber können. Geben Sie mir einfach Bescheid, wenn sie es nicht erwünschen gestört zu werden von unserem Personal. Sollten Sie noch Fragen habe, so ist immer wer an der Theke für Sie da. Schönen Abend noch!“ Er machte nach seiner Ansprache eine Verbeugung und ehe sich Nerre versah, war er schon verschwunden. „Lustiges Kerlchen.“ Murmelte Nerre, bevor er eintrat und hinter sich die Tür schloss. Er drehte sich, stellte seine Tasche ab und schaute sich um. Er stand in einem Flur, wo rechts eine Tür zu einem kleinen geräumigen Bad mit Badewanne war. Links war ein Schrank in die Wand eingearbeitet. Dieser bot mehr als genug Platz für seine Kleider, viel hatte er ja nicht mehr. Als er in das Wohnzimmer kam, welches mit einer kleinen Theke versehen war, direkt an der Wand zu seiner linken. Hinter der Theke war eine kleine Küche. Nerre würde einen Hocker brauchen um alles benutzen zu können, dass bemerkte er sehr schnell, denn die Inneneinrichtung war für Behes geeignet, nicht für Balasiken. So also schnappte er sich den Mülleimer und funktionierte ihn um als Hocker. Im Wohnzimmer standen bequeme Möbel, so auch das Sofa, welches zum Ausziehen war und als Schlafcouch fungierte. Begeistert war er nicht, kein eigenes Bett zu haben, so wie früher, aber er war ja auch auf Reisen, da muss man Abstriche machen, dachte er sich. Vor seiner Couch war ein kleiner Glastisch und hinter ihm verborgt sich ein Kamin. Auch ein großes Bücherregal, direkt neben dem Kamin, fand Platz. Auch ein paar Bücher waren drin, welche er dankend zu lesen vermochte. Und auf der anderen Seite des Kamins war ein Schreibtisch, mit kleiner Leselampe. Generell war alles wie in der Eingangshalle mit weißen Marmor geschmückt und doch wirkte die Wohnung bunter und fröhlicher, durch kleine farbliche Akzente an den Stoffen und am Holz. Wenn er aus dem Fenster schaute so sah er wieder den Hof und alles was da hinter lag. Viele Häuser konnte er sehen und den Nebel am Horizont. Nerre war begeistert von diesem Anblick und verlor sich selber für ein paar Minuten in den weiten der Stadt. Ein Kinderlachen von Draußen erweckte ihn aus seiner Trance. Ihm fiel ein, er wollte ja einen Brief schreiben. Also kramte er in seinem Rucksack, den er nachher auspacken wollte, Briefpapier, Tinte und eine Feder heraus. So setze er sich an seinen Schreibtisch und fing an einen Brief an seinen alten Freund Geisal zu schreiben. So erzählte Nerre in dem Brief alles was passiert war. Von dem Wesen im Niteka, welche von den Baumgeistern aufgehalten wurde, davon das er Vedimir als guten Freund gewann und er ihm eine Kette schenkte aus Pugno, welches nun sein nächstes Ziel, nach einer kleinen rast hier in Glatal, sein würde. Und er erzählte von der langen Treppe, gefolgt von dem umwerfenden Ausblick und wie die Stadt aussah beschrieb er auch im kleinsten Detail. Zu Letzt erwähnte er, wo er wohne und auch den kleinen Kräuterladen erwähnte er. Schon bald hatte er viele Seiten geschrieben, unterschrieben und eingepackt. Sein Wachssiegel verschloss den Brief. Freudig sah er sein kleines Meisterwerk an. Vielleicht blieb er ja lang genug, so dass Vedimir eine Antwort bringen konnte. Er beschloss den Brief unten abzugeben, sich dann wieder in sein Zimmer zu begeben und ein kleines Schläfchen zu halten, denn jetzt wo er zur ruhe kam, merkte er, wie geschafft er war. So legte er sich nach getaner Arbeit hin und verschlief den ganzen restlichen Abend und wachte erst im Morgengrauen wieder auf.