Auf den hoch aufragenden Eisenbergen, dem höchsten Gebirge ganz Korr’dais, erhebt sich die Stadt Akijama. Der wandelbare Palast, der auf dem wie ein mahnender Finger gen Himmel aufragenden Gipfel des höchsten Berges steht, ist eines der großen Weltwunder. Dabei ist das größere und wertvollere Wunder tief in seinen Eingeweiden verborgen: Die gewaltige Bibliothek von Akijama.
Hier haben die Elfen der Tori’Nai-Berge, die Eisenelfen, alles Wissen der Welt zusammengetragen und sammeln es noch bis zu diesem Tage. Es ist kein Wunder, dass mich meine Reise hierherführte, denn wer Wissen zu finden wünscht, kann keinen besseren Ort finden als die Bibliothek der Kristalldrachen.
Getrieben von einem Traum, zu dem sich bereits neue Visionen gesellten, fand ich in diesen Räumlichkeiten nicht nur die Antworten auf die Frage, wer der Graf von Amrais war. Im Keller des Gebäudes, tief in den Stein gehauen, die Wände von geschickten Handwerkern mit all den Edelsteinen besetzt, die im Fleisch der schlummernden Berge ruhen ... in dieser unterirdischen Halle unter Akijama fand ich das Hyphurion.
Es lag auf einem Pult von Obsidian, in schmiedeeiserne Ketten gelegt, umringt von flammenden, ewigwährenden Kerzen. Als ich die Stufen erklomm, rührte es sich und die Seiten raschelten. Das Buch war geöffnet und lag wie eine Einladung da. Die Luft schien von goldenem Licht erfüllt und mir war, als würde ich Bedeutung und Schicksal atmen, als ich schließlich die Finger ausstreckte und über das Pergament strich, das, wenngleich es auch alt und spröde erschien, sich den Händen weich und freundlich anbot.
Kein Text füllte die Seiten, denen ein Glanz wie von Gold innewohnte. Der Einband war von purpurnem Leder, geschupptem Drachenleder, das nicht von den mystischen Kristalldrachen stammt, deren Erbe den Reichtum der Eisenberge begründen soll, sondern von giftigen und grausamen Feuerdrachen, wie es sie nur noch an weit entfernten Orten der Welt geben soll.
Als ich die Hand von den Seiten zurückzog, verspürte ich plötzlich ein Gewicht um meinen Hals. Verwundert sah ich an mir hinab und dort, auf meiner Brust, ruhte mit einem Mal ein goldener Schlüssel, gehalten von einem schwarzen Band. Und ich spürte die Macht des Schlüssels, spürte zum ersten Mal die Magie in meinem Herzen vibrieren. So hatte mich diese Macht doch auserwählt, und hier war es, mein Amulett. Kein Wunder, dass niemals jemand die Gestalt der Zauberkraft in meinem Herzen erkannte, nicht einmal ich selbst, bis ich unvermittelt vor meinem Schicksal stand.
Ich nahm den Schlüssel und löste die Ketten um das Buch. Ein Tintenfass stand neben den Seiten, doch war es leer, bis ich die Spitze der schwarzen Feder hineintauchte und eine Flüssigkeit, rot wie Blut, das Gefäß füllte. Jeder Herzschlag sagte mir, dass ich hierauf mein ganzes Leben gewartet hatte, dass dies meine Bestimmung war: Ein Magier, doch kein Elementarmagier, kein Zukunftsdeuter, nicht einmal ein Seher war ich, obwohl meine Gabe die Sicht auf Vergangenheiten mit sich brachte.
Nein, ich war etwas, dass die Welt zuvor noch nicht gesehen hatte, womit kein Lehrer oder Meister rechnete, als er nach meinem Potenzial suchte.
Ich bin der Chronist. Und dies ist das Hyphurion.
Mobu Cajatoshija