Der Verlorene, kehrt zurück
„Ich danke dir," sprach Benjamin an Malek gewandt. „Du hast mir das Leben gerettet." „Danke mir nicht," erwiderte dieser „ich wollte nur das wieder gut machen, was ich dir angetan habe und doch ist es sehr wenig, im Gegensatz zu dem, was ich sonst alles angerichtet habe. Noch weiss ich nicht, wie ich diese grosse Schuld wieder sühnen kann, doch vielleicht gelingt es mir, den Frieden irgendwann zu finden, wenn ich euch bei eurer Mission behilflich bin." „Wir werden um deine Hilfe bestimmt froh sein." antwortete Benjamin.
„Ich werde tun, was ich kann," versprach der Zauberer „aber zuerst, will ich dieses düstere Schloss und seine Umgebung, etwas gastfreundlicher gestalten. Alle im Umkreis sollen sehen, dass Malek wieder verwandelt worden ist!" Mit diesen Worten, hob er die Arme und sprach einen Zauberspruch. Fassungslos vor Erstaunen, sahen die Geschwister, wie sich die Mauern und Säulen des Palastes veränderten! Sie wurden heller und viel freundlicher. Die dämonischen Fratzen und die Totenköpfe, verschwanden und machten wunderschönen Schnörkeln, Reliefs und Ornamenten Platz. Die schweren Vorhänge vor den Fenstern, wurden hinweggerissen und die Geschwister sahen den offenen Himmel dahinter. Malek rief mit lauter Stimme: „Finsternis weiche von hier und lass das Licht der Sonne, an deine Stelle treten!" In diesem Augenblick, wurde die eigenartige Dunkelheit, welche das ganze Land überschattet hatte, wie eine Leinwand zusammengerollt und die Strahlen einer goldenen Sonne, liessen die Umgebung erstrahlen. Alle Mächte der Finsternis flohen zurück in die Unterwelt und machten der Güte und Schönheit Platz, die nun unter dem wärmenden Licht der Sonne neu aufkeimten. Blumen begannen wieder zu blühen, grünes Gras überdeckte die Erde und Bäume, schossen aus dem Boden. Die Feen, Elfen, Gnome und sonstigen Lebewesen kehrten zurück an den Ort, der einst ihre Heimat gewesen war und nahmen dort erneut Wohnung. Jubel und Freude erfüllte Maleks Reich nun wieder. Das Schloss aber, stand in neuer Pracht auf dem Gipfel des Berges! Seine Mauern, waren elfenbeinfarben. Die Türme erhoben sich mächtig, über das Land. Ihre Dächer, waren aus reinstem Perlmutt gefertigt, welches in allen Farben schillerte. Die nun lichtdurchfluteten Innenräume waren mit herrlichen Verzierungen geschmückt. Im Speisesaal prangte ein mächtiges Mosaik, das Vögel und Blumen-ranken zeigt. Die Decken, waren allesamt mit Gold und Erdfarben bemalt. die Giebel zierten wunderschöne Schnitzereien. Pia und Benjamin, blickten sprachlos um sich. Die Monster und die finsteren Vögel, welche das Schloss bisher bewacht hatten, flohen vor dem hellen Schein, der einen neuen Morgen ankündigte. Malek aber...stand da und war endlich, nach einer ewig scheinenden Zeit, wieder einmal richtig glücklich.
Auf einmal hörten die drei laute Rufe und Jubelschreie. Sie gingen hinaus auf den grossen Balkon des Schlosses. Am Fusse des Berges, hatte sich eine riesige Masse von allerlei Geschöpfen angesammelt. Den Geschwistern kam es vor, als ob ein mächtiger Ameisenhaufen unter ihnen hin und her wogen würde. Sie hörten die Worte, die zu ihnen empor drangen, denn sie widerhallten an den Felswänden: „Wer hat unserer Welt wieder die Sonne zurückgebracht?" „Wir wollen unsere Helden sehen!" „Wer hat Malek vernichtet?" „Wir wollen ihm Ehre erweisen!" Der Zauberer wich zurück, er wagte nicht, sich zu zeigen. Zuviel hatte er diesen Wesen angetan. „Bitte sprecht für mich!" flehte er. „Ich… kann es noch nicht. Sie würden mir nie glauben." „Wir werden es ihnen erklären," anerbat sich Benjamin. „Nur keine Angst, es wird alles wieder gut." Mit diesen Worten ging er zum Rande des Balkons. Sofort schwieg die Menge gebannt und der Junge hob an, während die Magie Maleks seine Stimmer verstärkte: „Ihr Leute, hört mich an! Malek ist nicht vernichtet worden. Nein! Er wurde nur wieder verwandelt, durch das Feuer der ewig, göttlichen Liebe. Er selbst hat die Finsternis verbannt und das Land in neuem Glanz erstrahlen lassen. In Zukunft will er wieder nur dem Lichte dienen und er bereut aus tiefstem Herzen seine Sünden!"
Als er das gesagt hatte, begann das Volk zu toben. Laute Schreie waren zu hören, wie: „Malek muss sterben! Kein Wort glauben wir davon! Malek kann sich gar nicht ändern, er ist mit dem Herrn der Finsternis im Bunde!" Der Zauberer, fiel unter den zornigen Rufen immer mehr ins sich zusammen. Eine Mattheit und Hoffnungslosigkeit übermannten ihn. Er hatte das Gefühl als würde seine Kehle zusammengeschnürt und kalter Schweiss, drang aus seinen Poren. Natürlich glaubte das Volk nicht, dass er wieder zum Guten verwandelt worden war, zu sehr hatten alle unter ihm gelitten. Was war nur mit ihm geschehen. Er konnte es nicht mehr begreifen, seit das heilige Feuer ihn berührt hatte. Benjamin empfand Mitleid mit Malek und erhob seine Stimme erneut. Es war jedoch schwierig, sich unter den Schreien der Menge, Gehör zu verschaffen. So kam ihm Pia zu Hilfe. Gemeinsam schafften sie es, die Aufmerksamkeit des Volkes wieder auf sich zu lenken. Benjamin sprach: „Was ich sagte, ist wahr! Meine Schwester und ich, haben selbst das Feuer der ewig, göttlichen Liebe hierher gebracht. Seine Macht hat Malek wieder verwandelt. Er ist nun wieder derselbe wie früher, als er mal ein Schüler des weisen, gütigen Magiers Ululala gewesen ist. Ich bezeuge, dass Malek nicht mehr jener ist den ihr kennt. Er hat mir vorhin sogar das Leben gerettet. Wenn ihr ihm die Möglichkeit gebt, selbst zu euch zu sprechen, werdet ihr merken, dass ich recht habe.“
„Dann lasst ihn sprechen!" schrie jemand im Volk und kurz darauf, stimmten auch andere in diesen Ruf mit ein. Benjamin und Pia wichen zur Seite und sahen Malek an, der zitternd in seiner Ecke stand. Ihm war plötzlich schlecht geworden. „Komm und sprich mit ihnen!" forderte Pia ihn auf. „Ich kann das nicht." „Doch du kannst!" Mit diesen Worten nahm sie Malek an der Hand und zog ihn zum Rand des Balkons. Gleich darauf drangen wieder wilde Schreie an ihre Ohren. Einige Stimmen klangen sehr feindselig und Malek fühlte sich immer elender. Andere im Volk jedoch, bezeugten ihr Interesse an den was er zu sagen hatte. Durch sie wurde der Zauberer daran gehindert endgültig zusammenzubrechen. Er nahm seinen ganzen Mut zusammen und rief: „Ich verstehe wirklich, wenn ihr mir nicht vertraut, doch ich schwöre beim allmächtigen Schöpfer, dass ich ein anderes Geschöpf geworden bin. das Feuer der ewig, göttlichen Liebe hat mich vor der Verderbnis befreit. Ich selbst, bin zutiefst erschüttert, über das was ich getan habe. Ja, ich war mit dem Herrn der Finsternis im Bunde, doch nun will ich aller Bosheit entsagen. Ich weiss, dass mein Leben wohl kaum ausreichen wird, um all die Sünden, die ich an euch und anderen begangen habe wieder gut zu machen, doch ich werde alles in meiner Macht stehende tun, um Sühne zu leisten. Ich bitte euch, gebt mir eine Chance!" Er stiess diese Worte voller Inbrunst aus. Einen Augenblick lang, schwieg die Menge, doch dann begann sie erneut zu toben. Einige beschimpften den Zauberer weiterhin, doch viele reagierten auch mit Verständnis. Jemand rief: „Ich glaube ihm! Er könnte nicht beim allmächtigen Schöpfer schwören, wenn er noch mit der Finsternis im Bunde wäre!" Eine andere Stimme schrie: „Ich glaube ihm auch! Denn er hat offen zugegeben, dass er mit dem Herrn der Finsternis im Bunde gewesen ist. Wir sollten ihm eine Chance geben!" „Ja, das wollen wir!" stimmten nun immer mehr Leute ein. Schliesslich bildete fast die ganze Menge einen einheitlichen Chor. Malek atmete schwer. Pia und Benjamin traten zu ihm und schoben beide ihre Hände in jene des Zauberers. Der Junge schrie laut: „Alle Macht dem Lichte, alle Macht der Liebe und Güte!“ Und laute Jubelschreie waren die Antwort.
Als es Abend wurde, gingen Pia, Benjamin und Malek zu Bett. Die Kinder wurden sofort von der Müdigkeit übermannt und schliefen sogleich ein. Der Zaubere jedoch, warf sich nervös auf seinem Lager hin und her. In ihm war eine Unruhe, wie er sie noch nie zuvor erlebt hatte. Er fürchtete sich und glaubte, das in jedem Schatten des Zimmers, etwas auf ihn lauerte. Seine Gedanken kreisten wild in seinem Kopf. Immer wieder tauchten vor seinem inneren Auge schreckliche Bilder und Dämonenfratzen auf. Er wusste, dass der Herr der Finsternis ihn irgendwann nochmals heimsuchen würde und er hatte schreckliche Angst davor.
Als er dann endlich in einen unruhigen Schlaf fiel, begannen seine Ängste tatsächlich auf unheimliche Weise Gestalt anzunehmen. Plötzlich befand er sich in einer düsteren Kammer. Mit Schrecken sah er, wie sich der Boden vor ihm auftat und dann... stand der Herr der Finsternis plötzlich vor ihm!! Das erste Mal, sah Malek ihn in voller Grösse und er wurde von Entsetzen gepackt. Voller Furcht wich er ein paar Schritte zurück, doch der Blick des finsteren Herrschers, haftete unbarmherzig auf ihm. Sein Körper sah aus wie rotes Leder. Er besass Ziegenfüsse, einen langen Schwanz, welcher den Boden peitschte und hatte schwarze, zottelige Haare. Sein gehörnter Kopf war bullig und seine roten Augen funkelten böse.
Der Zauberer wollte weglaufen, doch etwas hinderte ihn. „Lass mich in Frieden!" schrie er von Panik ergriffen. " Ich will nichts mehr mit dir zu tun haben!" Wieder erklang die unheimliche Stimme, die der Magier nur zu gut kannte: „Ach ja? Glaubst du tatsächlich, dass du so einfach von mir loskommst? Du Narr! Du gehörst mir, ob es dir passt oder nicht." „Nein! Ich habe mich von dir abgekehrt. Ich werde in Zukunft nur noch dem Lichte dienen." „Hahaha, wie bist du doch naiv! Du wirst niemals von deinen Sünden befreit werden!" „Doch! Ich werde alles daransetzen, meine Fehler wieder gut zu machen." Der Herr der Finsternis lachte hämisch und sagte: „Du machst dir da was vor. Bei allem, was du getan hast, wirst du nie Vergebung finden." „ Doch!" schrie Malek voller Verzweiflung. „Nein!" „Doch!!" „Niemals!" brüllte der Böse nun so laut, dass der Magier fast zu Boden geschleudert wurde. Dieser nahm jedoch seine ganze Kraft zusammen und blieb stehen. Die Augen des finsteren Herrschers, funkelten voller Zorn und er befahl: „ Knie nieder und flehe um Vergebung! Vielleicht werde ich dich dann noch einmal verschonen." „Nein! Nie wieder falle ich vor dir auf die Knie!" schrie Malek und sein Herz klopfte bis zum Hals. „Ich bin fertig mit dir! Ich verstehe nicht, wie ich mich überhaupt einst auf dich einlassen konnte. Du hast meine damalige Schwäche ausgenutzt und mein Herz in Stein verwandelt. Dabei war ich früher ein guter Mann. Ich will wieder dieser Mann sein und darum wende ich mich von dir endgültig ab. Glücklicherweise sind diese Jugendlichen mit dem Feuer der ewig, göttlichen Liebe zu mir gekommen, sonst hätte es für mich wirklich bald keine Hoffnung mehr gegeben. Nun jedoch wurde ich wieder verwandelt und fange ein neues Leben an!" „Das wird dir niemals gelingen!" donnerte der Herr der Finsternis nun noch zorniger. „Du bist für immer verloren. Deine Seele wird nie Frieden finden. Ich werde dich Tag und Nacht peinigen!" Mit diesen Worten machte er eine drohende Gebärde auf Malek zu. Schweiss drang dem Magier aus allen Poren und die Furcht liess ihn fast ohnmächtig werden, doch er nahm all seine Kräfte zusammen und hielt stand. Der dunkle Herrscher beugte sich nun zu ihm hinunter, als wolle er ihn augenblicklich verschlingen.
In diesem Moment wurde der Raum um sie herum mit warmem Licht erfüllt! Der Herr der Finsternis erstarrte bei dieser Erscheinung beinahe zu Stein. Abwehrend hob er seine behaarten Arme. Das wundersame Licht wurde immer heller. Malek blickte sich erstaunt um. Plötzlich vernahm er eine Stimme: „Lass diesen Zauberer im Frieden! Er hat sich von dir abgekehrt, um wieder dem Lichte zu dienen. Das Göttliche stösst niemanden zurück, der seine Vergebung sucht. Du hast verloren. Malek steht nun unter dem Schutz des Allmächtigen. Weiche!" Bei diesen Worten stiess der Herr der Finsternis ein furchtbares Gebrüll aus und löste sich einfach auf. Schweissgebadet erwachte der Magier. Doch sein Herz war von Frieden erfüllt. Noch immer glaubte er das warme, himmlische Licht zu sehen, es zu fühlen. Der ganze Raum schien davon durchleuchtet zu sein. Tränen liefen über seine Wangen und er dankte dem Ewigen aus dem tiefsten Grunde seiner Seele. Er wusste nun, dass er eine neue Chance bekommen hatte und er würde sie nutzen.