Trojanas sah befriedigt zu, wie die ersten, wirklich aussergewöhnlich ansehnlichen Frauen, zu den Löwenreitern gebracht wurden. Die meisten waren starr vor Angst und rührten sich kaum. Der Angriff war zu plötzlich gekommen und sie wussten noch kaum wie ihnen geschah. In ihren Blicken lag Furcht und Verzweiflung, Tränen glitzerten teilweise in ihren, im Zwielicht silbern schimmernden, Augen. Sie waren einfach ihren Männern und ihren Kindern entrissen worden, man hatte sie gefesselt und geknebelt und nun brachte man sie mit diesen monströsen, roten Löwen auch noch in ein fremdes Lager. Dort erwarteten sie einige Krieger, die meisten mit roten, orangen und goldenen Gefiedern, roter Haut, schwarzen und braunen Augen und Haaren. Sie trugen schreckliche Waffen, gebogene, teilweise gar zwei- klingige Schwerter, Beile und scharfen Dolche. Man pferchte die Frauen in einem grossen Zelt zusammen, musterte sie mit abfälligen, teilweise lüsternen Blicken. Diese Blicke liessen die Lunarierinnen erahnen, was sie vermutlich erwartete und es verstärkte noch ihr Entsetzen und ihre Angst.
Die Angriffe gingen währenddessen weiter und bisher war noch alles ohne Komplikationen abgelaufen. Trojanas war sehr zufrieden. Alles klappte bestens…
Aellia hatte sich in der Nacht des solianischen Überfalles, erst spät zum Schlafen niedergelegt. Es fiel ihr immer noch etwas schwer am Tag wach zu sein und in der Nacht zu schlafen, denn in ihrer Heimat war alles anders. Bestimmt würde sie auch wieder Mühe haben, sich auf den alten Rhythmus einzustellen, wenn sie…nach Hause ging. Der Gedanke daran erfüllte sie mit gemischten Gefühlen. Einerseits freute sie sich ihre Heimat wieder zu sehen, andererseits aber fürchtete sie sich auch davor und würde das Land des Silbermondes, aber vor allem Nannios sehr vermissen. Sie plante zwar bald wieder zurück zu kehren, aber man wusste nie wie sich alles noch entwickelte.
Nannios war heute Nacht nicht bei ihr. Er war gerade bei einem Patienten, welcher seine ganze Aufmerksamkeit erforderte. Er wachte diese Nacht an seinem Bett, wie er es damals bei ihr getan hatte, als sie so schwer verletzt gewesen war. So lag sie ganz alleine in ihrem Bett. Die geflügelten Völker lagen meist auf der Seite, da ihre Flügel das liegen auf dem Rücken erschwerten, einige von ihnen schliefen auch wie Vögel in sitzender, zusammengekauerter Stellung. Aellia machte das manchmal auch, aber nicht diese Nacht. Ihre Sinne blieben jedoch immer irgendwie wach, so dass sie sehr schnell auf den Beinen war, wenn irgendeine Gefahr drohte. Die Harpyas hatten das gelernt, auch durch die häufigen Angriffe der schrecklichen Gorgonas. Hier gab es zwar keine solchen Bedrohungen, aber Aellia war stets auf alles vorbereitet. Ihre beiden Dolche lagen immer in Griffweite und auch einen neuen Bogen und neue Pfeile hatte sie sich gefertigt, aus dem Holz eines der Narami Bäume. Es war gutes Holz, das man für alles Mögliche verwenden konnte.
Nach langem Wachliegen hatte sie endlich Ruhe gefunden und war eingeschlafen, als sie auf einmal etwas aufweckte! Sie konnte nicht sagen was, aber ihre Sinne waren auf einmal bis aufs Äusserste geschärft. Ihre Nackenhaare sträubten sich, ein Zeichen sich nähernder Gefahr. Sie setze sich auf und griff nach ihrem Dolchgürtel. Dann liess sie sich lautlos vom Bett herunter gleiten und duckte sich hinter den Tisch und die Stühle in ihrem Wohnraum. Ihr Blick, wandte sich dem Eingang zu, der von einer durchschimmernden, auf einen Rahmen gespannten Tierhaut, bedeckt war. Und dann auf einmal… erblickte sie sie: Schattenhafte Gestalten, die sich vor den Eingang schoben und ihn einen Moment lang verfinsterten. Mit ihren an Dunkelheit gewöhnen Augen sah sie, wie fremde Hände die Tierhaut beinahe lautlos beiseiteschoben und drei Gestalten hinein schwebten. Sie sahen aus wie männliche Harpyas, doch ihre Gefieder leuchteten in allen Schattierungen des Feuers und des Magmas. Bei sich trugen sie eindrückliche Waffen, hauptsächlich Dolche und Schwerter, einer hatte einen Schild auf dem eine goldene Sonne prangte. Sie näherten sie leise und vorsichtige ihrem Bett, fanden es jedoch leer vor und sprachen leise. „Niemand da!“ Aellia sah nun die Zeit gekommen um zu handeln. Sie ballte ihre magische Kraft wie üblich auf der Höhe ihres Herzens, ein gleissender Lichtblitz hüllte die drei Eindringlinge plötzlich ein und schleuderte sie zu Boden, wo sie reglos liegen blieben. Ein anderer der seltsamen Fremden stürmte nun ebenfalls ins Haus. „Was ist hier los!“ rief er und hielt sein gebogenes Schwert bereit. Er schaute sich im Raum um und entdeckte nun die wolfsähnlich leuchtenden Augen der Harpya. Einen Moment lang starrten sie sich an, dann stürmte er mit erhobenem Schwert auf sie zu. Doch sie war bereit. Sie wich geschickt zur Seite aus und ihr einer Dolch bohrte sich in seine Seite und schlitzte ihn auf. Er liess das Schwert mit einem glucksenden, ungläubigen Geräusch fallen und sie schnitt ihm mit einer Bewegung des zweiten Dolches blitzschnell die Kehle durch. Doch es war noch nicht vorbei. Schon kamen die nächsten Feinde, diesmal zwei. Als sie ihre toten Kameraden erblickten und dann die seltsame, schwarzgefiederte Frau mit der purpurnen Haut, konnten sie ihre Überraschung und ihr Entsetzen nicht verbergen. Sowas hatten sie nun doch nicht erwartet. Einer der Männer, ebenfalls mit zwei Dolchen ging auf sie los. Sie wich aus, sprang geschmeidig wie eine Katze über die Leichname der andern Gegner und packte den Schild mit der goldenen Sonne, damit schütze sie ihren nackten Körper und zertrümmerte ausserdem das Nasenbein ihres erstem Angreifers. Er fasst sich voll ungläubiger Überraschung an die verletzte Stelle, Blut klebte an seinen Händen und tropfte zu Boden. Die Harpya nutzte die Gunst der Stunde und stiess mit einem ihrer Dolche zu. Dieser traf den Gegner direkt ins Herz und tötete auch ihn. Der nächste Gegner, ein kräftiger Mann mit orangegoldenem Gefieder, bernsteinfarbenen Augen und goldenen halblangen Haaren, war nun vorbereitet. Er griff koordinierter an, in der Hand sein gebogenes Schwert. Er erhob sich in die Lüfte und stiess von oben auf sie herab. Sie jedoch wehrte ihn mit dem Schild und einem Dolch ab und erhob sich ebenfalls in die Lüfte. Die beiden drehten sich gegenseitig belauernd umeinander. Keiner wollte den nächsten Angriff starten. „Wer seid ihr?“ fragte sie „woher kommt ihr?“ „Wir sind Solianer und hier um neue Frauen zu beschaffen, das wir allerdings auf so eine wie dich treffen würden, damit haben wir nicht gerechnet. Du bist keine Lunarierin.“ „Nein, das bin ich nicht. Ich bin eine Harpya.“ „Von so einem Volke habe ich noch nie gehört.“ „Ich habe auch noch nie von einem Volk wie deinem gehört. Ihr seid hier also einfach eingedrungen und habt die Frauen meiner Freunde geraubt, das darf nicht ungesühnt bleiben!“ Sie liess den Schild fallen und stellte sich dem Solianer nun mit den beiden Dolchen entgegen. Mit einer unglaublichen Anmut und Geschicklichkeit schwang sie diese in ihren Händen und drang auf den Feind ein. Dieser wehrte ihre Schläge ebenfalls ziemlich geschickt ab. Dabei näherte er sich immer mehr dem Ausgang der Hütte. Als sie dort angelangt waren, vernahm Aellia, deren Rücken jetzt der Tür zugewandt war, auf einmal ein Zischen. Gerade noch rechtzeitig warf sie sich zu Seite, ein Speer hätte sie fast durchbohrt! Ihr Gegner mit dem gebogenen Schwert, nutze ihre anfängliche Verwirrung aus und verstärkte seine Angriffe noch. Schliesslich schaffte er es, sie aus der Tür hinaus ins Freie zu drängen. Dort blieb sie wie erstarrt in der Luft stehen und schaute in die Runde. Sie war umzingelt von etwa einem Duzend Männern mit kurzen Speeren, sie trugen ausserdem Speerschleudern bei sich, die auch auf weitere Entfernung sehr effizient waren. Die junge Harpya sass in der Falle. Sie musste sich schleunigst etwas einfallen lassen, wenn sie nicht bald von duzenden Speeren durchbohrt werden wollte. So gedachte sie wieder ihrer Magie. Sie wirkte einen besonderen Elementarzauber, der die Kräfte der Luft beschwor. Die Luftschichten um sie herum begannen sich zu verdichten, während die junge Frau sich immer schneller um sich selber drehte. Ein Wirbel entstand, der sie einhüllte und von jeglichen Angriffen schützte. Er wurde immer heftiger, verwandelte sich schliesslich in einen kleinen Tornado, der nun auf die perplexen Feinde zu wirbelte und sie auseinander trieb. Einige hoben ihre Speerschleudern und schleuderten ihre tödlichen Waffen gegen sie. Doch die Speere, zerbrachen oder zersplitterten an den nun harten, zusammengepressten Luftschichten, die sich um und mit der Harpya drehten. Die harpischen Zauberinnen, hatten besondere Macht über die Luft und Aellia nutze diese. Es war ein ziemlich kraftraubender Zauber, aber es ging schliesslich um das nackte Überleben. Sie liess immer wieder vernichtende weisse und bläuliche Magieblitze durch die wirbelnde Luft zucken, diese wurden durch die Beschleunigung hart wie Speere und brachten vielen Solianern den Tod. Doch langsam verliessen sie ihre Kräfte.