Trojanas erging es da eher schlechter. Mit schmerzendem Kopf erwachte er, nach ein paar Stunden der Bewusstlosigkeit, in einem dunklen Kerker. Dieser war nur mit einigen Fackeln beleuchtet und bestand aus rohem, kaum behauenen Stein. Etwas Stroh bedeckte den kahlen Boden. Als Trojanas sich erheben wollte, durchzuckte der Schmerz in seinem Kopf ihn wie tausend Messerstiche. Er hatte einen schweren Schlag erwischt, wer diesen geführt hatte, wusste er nicht, aber er vermutete, dass es Taumanas gewesen war. In dieser Annahme wurde er noch bestätigt, als er aus dem Halbschatten des Kerkers, jenseits der Gitterstäbe, eine spöttische Stimme vernahm. „Sieh an, sieh an, der grosse Trojanas ist also endlich erwacht. Du siehst mitgenommen aus. Habe ich etwas zu heftig zugeschlagen?“ Sein Halbbruder trat nun näher, so das Trojanas sein Gesicht sehen konnte. Irgendwas Seltsames lag in den dunklen Augen von Taumanas, ganz ähnlich wie in der letzten Zeit bei Solianas. Er war ein unberechenbarer, sadistischer Irrsinn, der Trojanas tief erschütterte. Er liess es sich jedoch nicht anmerken und erwiderte kalt. „In hinterlistigen Angriffen warst du schon immer meisterhaft…Bruder… Das war schon als wir noch klein waren so. Du solltest dich mir mal in einem fairen Kampf stellen und dann würden wir ja sehen, wer von uns als Sieger hervorgeht.“ Taumanas lachte auf: „Tja, wie es aussieht, bist du diesmal eindeutig der Verlierer und ich der Sieger. Und das…hast du dir ganz selbst zuzuschreiben…Bruderherz…“ Das letzte Wort triefte vor Sarkasmus und Trojanas durchströmte Ekel und Abscheu. Wie nur konnte es sein, dass er und Taumanas so verschieden waren, da sie doch eigentlich denselben Vater hatten? „Nenn mich nicht so!“ zischte er wütend und ging näher an die Gitterstäbe heran. Taumanas wich vorsichtshalber etwas zurück, einen Moment lang zeichnete sich ein wenig Furcht in seinem Gesicht ab, doch nur kurz, dann setze er wieder seine spöttische Miene auf. „Tja, wir standen uns ja wirklich nie sehr nahe, nicht wahr? Vater hat dich auch immer bevorzug, keine Ahnung warum, dabei wäre ich ihm viel treuer ergeben gewesen. Du jedoch hast ihn tief enttäuscht. Es…hat ihn sehr getroffen, dass du ihn verraten hast.“ „ich habe ihn nicht verraten, ich habe ihm nur eine andere Möglichkeit unterbreitet, welche den Frieden zwischen den geflügelten Völkern hätte fördern und erhalten können. Wir schulden das der Göttin, denn wir haben sie durch unser Leben und unser Handeln beleidigt. Vater schert sich nicht um die Göttin, das wird ihn einst teuer zu stehen kommen.“ Taumanas Augen verengten sich. „Wie Vater sagte, du bist nicht mehr bei klarem Verstand Bruder, sonst würdest du nicht solchen Schwachsinn erzählen.“ „Es ist kein Schwachsinn! Es ist die Wahrheit und irgendwann wird sich das zeigen!“ „Sollte das wirklich mal passieren irgendwann, was ich allerdings nicht glaube, wirst du es sicher nicht mehr erleben. Ich werde mir Freuden deinen Platz einnehmen und sobald Vater stirbt, werde ich König.“ „Darüber ist das letzte Wort noch nicht gesprochen“, erwiderte Trojanas ruhig. „Taumanas lachte auf. „oh doch, das ist es. Viel Vergnügen noch in deinem…“ er schaute sich etwas angewidert in den Kerkern um „neuen zu Hause. Lange wirst du hier ja nicht mehr verbringen, du wirst des Hochverrats angeklagt und dafür hingerichtet werden. Geniesse noch deine letzten Stunden!“ Taumanas wandte sich ab und ging davon. Trojanas blieb allein zurück, nun konnte er nur noch abwarten…
Er musste nochmals kurz eingeschlafen sein, als ihn auf einmal seltsame Geräusche weckten. Hoffnungsvoll öffnete er die Augen, jemand machte sich am Schloss seines Gefängnisses zu schaffen. Doch was er sah, erstaunte ihn. Es war eine ganze Gruppe Feminas, welche von der seltsamen Seherin, die ihm einst das mit der Verdunkelung der Sonne prophezeit hatte, angeführt wurde. Sie und die andren Frauen trugen dunkle, wenn auch eher einfache Rüstungen. Ihre Gefieder waren zum grössten Teil in Rot und Orangetönen. Wären sie mehr mit schwarz durchzogen gewesen, dann hätte er sie beinahe für Harpyas gehalten. Ihre Blicke waren entschlossen und sie trugen alle verschiedenste Waffen, wie Schwerter, Beile und Bogen bei sich. Als sie sah dass er wach war, huschte ein leises Lächeln über das Antlitz der Anführerin. „Wir holen dich hier raus, Trojanas. Wie wissen, dass du vor hast unsere Welt zu verändern. Die Unterstützung der Frauen hast du jedenfalls.“ „ Was ist…mit den Wachen?“ „Wir haben sie alle zum Schweigen gebracht.“ „Aber…sind denn keine Männer bei euch?“ „Nein, wir kamen allein.“ „Aber…Feminas äh Frauen, können doch nicht kämpfen!“ „Das denken auch nur die Männer. Wir haben kämpfen gelernt, ganz im Stillen, denn es war unser Ziel uns sehr bald gegen das Regime von Solianas aufzulehnen. Die Zeit ist reif, dass sich einiges hier verändert. Ich bin froh, dass du das erkannt hast…mein…Sohn.“ Sie sagte das letzte Wort in seltsamem Tonfall. Es klang wirklich…als wäre Trojanas… „Ich…bin dein Sohn?“ fragte er ungläubig. „der Sohn…einer Seherin?!“ „Ja. So ist es. Du bist tatsächlich mein Sohn, “ erwiderte sie, während das Schloss des Kerkers sich knirschend öffnete und das Tor zurück schwang. Einen Moment lang schauten Trojanas und seine Mutter sich an. Der junge Mann war wie paralysiert, von den Neuigkeiten, die er gerade erfahren hatte. „Aber…“ mehr brachte er gerade nicht heraus. Die Seherin lächelte und meinte verständnisvoll: „Wir können ja später über alles reden! Jetzt wird es Zeit, dass wir dich hier rausbringen und…wenn möglich auch die Lunarierinnen. Ich weiss, wo sie sind, aber…es wird nicht einfach sein. Hast du noch einige Getreue, die zu dir halten?“ „Ja, ich habe sie noch alle aufgesucht, bevor ich mit Vater sprach…“ sein Blick verfinsterte sich einen Moment lang. „Dein Vater…er hatte schon immer etwas den Hang zum Wahnsinn, Trojanas. Bisher…ist das noch nicht so zu Tage getreten, aber nun…da sich die Sonne verfinstert hat, du dieser Harpya geholfen hast und er von seinen ganzen schrecklichen Erinnerungen übermannt wurde, ist der Wahnsinn endgültig ausgebrochen. Solianas kann nicht mehr klar denken und…er will keinesfalls seine Macht verlieren, oder aufgeben. Er ist deshalb blind für andere Wege und er…hasst alle Frauen.“ Trojanas wollte eine Frage stellen, aber er liess es bleiben, denn es war gerade nicht der richtige Zeitpunkt dafür. „Es wäre jetzt an der Zeit, deine Getreuen zu versammeln“, fuhr die Seherin fort. „Bist du sicher, dass sie alle über jeden Verdacht erhaben sind?“ „Ja, die die ich aufgesucht habe schon. Sie haben mir einen Eid geschworen. Vermutlich hätten sie mich auch bald hier raus geholt. Allerdings…waren diesmal die Frauen eindeutig schneller, “ grinste er. Seine Mutter lächelte erneut. Es war ein schönes, liebevolles Lächeln, das in ihm seltsame Gefühle der Geborgenheit und Wärme weckte. Bisher hatte er sich nie über seine Mutter Gedanken gemacht, darüber, was eine Mutter für ein Kind eigentlich bedeutete, doch jetzt verstand er immer mehr. „Du hast dich verändert, mein Sohn“, sprach sie. „wenn ich da an unser letzes Gespräch denke…“ „Reden wir lieber nicht mehr davon! Ihr wisst also wo sich die Lunarierinnen befinden?“ „Ja, doch wir könnten schon noch einige gebrauchen die uns zur Seite stehen.“ „Aellia und ich haben da einen Plan entworfen…“ Trojanas berichtete, dass die Lunarier es erst mal mit Verhandlungen probieren wollten. Einerseits um Zeit zu gewinnen, damit ein Teil des lunarischen Heers sich in die Stadt schleichen konnte, um im Notfall ihre Frauen, zusammen mit Trojanas und seine Getreuen zu befreien, andererseits in der Hoffnung, dass alles doch noch einen friedlichen Ausgang nahm. „Ich wollte Vater eigentlich zu einem Zweikampf herausfordern, aber er hat gesagt ich sei dessen nicht würdig, weil…ich geistig umnachtet und ein Hochverräter sei.“ Die Seherin schnaubte verächtlich. „Welch ein Feigling! Er wusste genau, dass er dich niemals besiegen könnte.“ „Ja, das vermute ich auch. Nun…vielleicht lässt sich das ja noch nachholen. Sonst haben wir einen alternativen Plan.“ Er erzählte den solianischen Frauen alles, was Aellia und er sonst noch besprochen hatten.
„Das klingt nach einem guten Plan. Ich hoffe es funktioniert. Dann also los!“ Sie wollte sich abwenden und den Kerker verlassen, doch Trojanas hielt sie nochmals auf. „Ich kenne deinen Namen noch nicht einmal…Mutter.“ „Ich heisse Dyandra“, gab sie zur Antwort. „Siehst du eigentlich wie unsere Chancen stehen?“ „Ja, wenn auch nur verschwommen. Es sieht gut aus für uns, doch wir müssen sehr auf der Hut sein. Nun komm aber!“ Trojanas folgte der Gruppe von Frauen und zusammen verliessen sie den Kerker.