Das sächsische Auswärtsspiel
Wie im Blindflug wurde ich Miteigentümer eines Hauses in Chemnitz. Anfang der 2000er Jahre. Ein Haus, wie es so, es in keiner anderen Großstadt die ich kenne gab. Mitten im Zentrum von etwa 300000 Menschen, ein verlassendes Haus, zu gesperrt, schon einige Jahre und irgendwie wartend. Das Haus war bei Leibe kein Einzelfall. Die ganze Gegend war wie vergessen von irgend einer Entwicklung. Das Alte Leben hörte einfach auf und das Neue gab es nicht, jedenfalls nicht im Kiez.
Die Substanz des Hauses war noch prima. Klar, es wurde seit der Nachkriegsinstandsetzung keine einzige Mark investiert in Erhaltung oder gar Modernisierung. Es ist doch erstaunlich, wie lange solide Konstruktionen dem Sozialismus und den Wendewirren trotzen können ohne irreparablen Schaden zu nehmen. Ein Gesamtumbau mit allumfassenden Modernisierungsmaßnahmen war unumgänglich. Zuerst machten wir eine Grundlagenermittlung. In welcher Gegend steht das Haus, was für Wohnungen werden gebraucht, welche Ausstattungen sollten die Wohnungen haben und und und. Je mehr wir in Erfahrung brachten, um so mehr hätten wir am Gesamtprojekt zweifeln können. In einer Gegend die zu DDR-Zeiten ein Zentrum mit Leben und Trubel war, war nun alles vorbei. Die Sachsen fuhren lieber mit dem Auto in eins der gefühlt zwanzig Einkaufcenter oder Malls in oder am Rande der Stadt. Zurück blieben alle ohne Auto, A-A-A, Arbeitslose , Alte und Assis, nach und nach kam das nächste A, Ausländer. Denn ein Sachse lebte scheinbar lieber in einer Trabantensiedlung als mitten in der Stadt. Wohnungen brauchte schon gar keiner. Die stadteigene Wohnungsgesellschaft vermietete zum Teil für 1 € / m² und Monat, nur um weniger Leerstand zu haben. Von den Handwerkern und Nachbarn mit denen wir Kontakt hatten, bekamen wir verständnisloses Kopfschütteln und Warnungen (unser Geld hier nicht zu verschwenden). Die konnten nicht glauben was wir taten. Wir glaubten nach wie vor an unser Projekt. Wir wollten und mussten ein Teil der Wiederbelebung des Brühlviertels werden. Wir suchten uns mit einem tragfähigem Konzept eine Bank und die Verantwortlichen der Stadtsanierung, servierten uns nach einigen glücklichen Verhandlungen noch eine Extrawurst der Förderung. Die Verantwortlichen der Stadt gaben sich ordentlich mühe, unsere Mühen zu unterstützen. Im Gegensatz zum Fußvolk, kannten unsere Gegenüber bei der Stadt und in der Bank das Potenzial der Stadt (z. B. Oper, Kunstsammlungen, Uni, Baukultur), waren sich aber auch nicht unbedingt sicher , ob sie gegen den Trend der Abwanderung, Ausdünnung und was ich Versächsischung nenne, ein Mittel zu haben. Versächsischung ist für mich, mit der RTL 2 Brille durch das Leben zu gehen, Problembewusst und nicht lösungsorientiert Schuldige für ihre eigene Situation zu suchen ohne diese vorher gründlich untersucht zu haben. Es ist ja auch viel sächsischer, eh.. Verzeihung, einfacher Vorgeplappertes zu wiederholen, als selber die Birne anzustrengen. Das sie wie die Made im Speck der Welt leben, hat man vergessen ihnen in der Schule beizubringen. Und das die Ausländer, die 0,9 % der Gesamtbevölkerung, keine Gefahr sind sondern möglicherweise eine Bereicherung sind. Das diese Arbeiten machen, die kein Sachse machen möchte. Zum Beispiel der pflegebedürftigen Oma den Po abwischen, wenn sie selber gegen Ausländer demonstrieren und danach bei Ali´s Bistro einen Döner essen gehen. Für eine gesunde Restaurantkultur ist der Prolosachse auch zu geizig. Ich hoffe ich tue jetzt mit diesen Zeilen vielen Sachsen Unrecht, ich entschuldige mich sicher auch bei jedem Einzelnen, den ich falsch einschätze. Ich fürchte nur, dass ich damit nach ca. viermal Händeschütteln in dieser Stadt fertig wäre. Die immer neuen „gestriegen“ Nachrichten aus der C-Stadt geben mir wirklich recht, dass es ein breites pseudobürgerliches Bündnis der rechten Sch… gibt, welches durch verdrängen oder verkennen der Faktenlage, Unaufgeklährtheit oder schlicht weg Dummheit einen fantastischen Nährboden für die Ideologien der Nazis bereitet. Die Universallösung hab ich nicht für all diese Menschen. Aber so wie es die politisch Verantwortlichen bisher taten(drei Affen), kann es auch nicht weitergehen.
Ach ja, unser Haus wurde nach langer harter Arbeit, Anstrengungen und Entbehrungen fertig und sofort voll vermietet. Die Wohnungen wurden anders, als die Wohnungen in der Nachbarschaft, welche zu gefühlt 50% Leerstand hatten. Nicht sächsisch, kein Luxus, aber schön und nachhaltig, scheinbar könnte das eine der nötigen Lösungen für Sachsen sein.