Silvia wandte den Blick vom Meer zu Michael, der auf sie zukam. Sie legte ihre Arme um seinen Hals und küsste ihn lang und innig. "Du hast unser Leben total verändert, Michael. Du bist ein großer Zauberer. Ich fühle mich, wie im Märchen." - "Ich freue mich so über Tommy. Ich hab mir das immer gewünscht, aber dass er einfach hergeht und mich fragt, ob ich sein Papi sein will... Ich hätt bald losgeheult." Er führte sie zu dem kleinen Tisch und öffnete die Weinflasche. Ein süffiger Rotwein nicht gerade leicht aber sehr bekömmlich wartete hier auf die beiden, die ihre Augen nicht voneinander lassen konnten. Sie saßen sich gegenüber und prosteten sich zu. Diesem wundervollen Abend würde eine sehr zärtliche Nacht folgen...
Etwa sechshundert Kilometer nördlich saß Bertl vor seinem Computer. "So, Michl, jetzt bist richtig reich, und weißt es gar nicht..." murmelte er. "Und die Säcke, die dir Böses wollten, ham an Haufm Geld in Sand gsetzt! Die Deppen! Die werd'n sich anschaun, wenns dich erpressn wolln! Du hast a weiße Westen und ihr Geld is beim Teufl, hehe... Wer Andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein! Du hast halt an gut'n Anwalt, haha!"
Er ließ den Rechner hinunterfahren und freute sich, dass ihm wieder einmal ein Geniestreich gelungen war. Aber es gab da etwas, das ihn nach wie vor belastete. Michael war deswegen noch nicht in Sicherheit. Man würde ihn nicht fälschlich der Steuerhinterziehung belasten können, das hatte er abgewendet! Aber wenn Michael sein Vorhaben, seine Erfindung patentieren zu lassen und auf den Markt zu bringen nicht überdachte, dann drohte ihm sicher Gefahr. Die Frage war, wann die Lobby mit welchem Vorschlag oder aber welcher Drohung an ihn herantreten würde.
Er mochte diesen verrückten Erfinder, mit dem er praktisch aufgewachsen war. Während Bertl selbst aus gut betuchtem Hause kam, grenzte Michaels Werdegang fast an ein Wunder. Michael hatte nie ein Jausenbrot mit in die Schule oder gar Geld dafür. Eigentlich hatte er nicht mal anständige Kleidung gehabt. Aber was der Bub gehabt hat, das war Mut, Grips, und obwohl er praktisch keinen Vater und eine blöde Kuh als Mutter hatte, bediente er sich von je her erstklassiger Umgangsformen und war absolut anständig und, ja, man möchte sagen, wohlerzogen! (Was ja gar nicht sein konnte, weil ihn ja niemand wirklich erzog!) Oft hatte Bertl mit ihm seine Jause geteilt. denn er hatte sehr bald begriffen, dass Michael ein richtig guter Freund war. Denn Bertl hatte viele "Freunde", aber wenn es um was ging, dann waren die Luschen dahin, da trennte sich die Spreu vom Weizen. Er konnte sich noch gut daran erinnern, wie sie zusammen bei Mira vor der Haustür auf der Treppe saßen, aus der Nase blutend mit je einem Veilchen und wie die gute Mira die beiden ein Wenig verarztet hatte. Alle "Freunde" waren davongelaufen als die Buben von der Fünften Klasse auf den "Anwaltsbuben" losgegangen sind. Nur Michael, der normal keiner Fliege was zuleide getan hatte, blieb. Er hatte Bertl auf Gedeih und Verderb verteidigt. "Alle auf Einen, ihr Arschlöcher ihr feigen!" hatte er geschrien. "Hörts auf, sonst helf ich zu ihm!" - "Halt dich da raus, sonst bist du der Nächste!" - "Aber so lang wart ich nicht!" rief er und mischte mit Bertl die Großen dermaßen auf, dass sie sehr schnell das Weite suchten.
Aber genau diese Unbeugsamkeit, diese Zielstrebigkeit konnte ihm jetzt zum Verhängnis werden, denn Bertl fürchtete, dass Michael die Macht der Wirtschaftsgrößen unterschätzte! (Oder aber nicht wahrnehmen wollte!) Bertl hatte heute für Michael Millionen an Land gezogen! Wenn er Michael doch nur überreden könnte, seine Entdeckung nochmal in der Schublade verschwinden zu lassen und in ein, zwei Jahren ganz vorsichtig Schritt für Schritt auf den Markt zu zu gehen... Bertl war zu diesem Zeitpunkt der Einzige, der die Situation richtig einschätzte...