Während Christina fieberhaft überlegte, wie sie Sepp doch noch zu einer Flucht bewegen könnte, fuhr dieser mit seiner Kamera zum Michl.
Obwohl es erst 04:53 Uhr war, stand der Michl schon parat, um sogleich mit dem Trauner in See zu stechen.
"Servus Sepp! I hab gwußt, dass man si auf di verlassen kann! S´Licht wird a scho besser!"
Die beiden Männer gaben sich die Hand und gingen zur Schefhittn, eine längliche Hütte die einer Garage gleich das Fischerboot beinhaltete.
So als hätte er schon mehrere Ausflüge dieser Art gemacht, blieb Sepp am Bug des Trauners stehen, während Michl im Boot zum Aussenbordmotor zurück ging. Dann löste Sepp die Leine und Michl startete den Motor. Langsam glitten sie im Rückwärtsgang aus der Hütte und fuhren schließlich los zum eigentlichen Ziel. Sepp hatte gestern noch den Kamera-Akku geladen und zwei SD-Karten ausgepackt und mitgenommen. Nach ca 20 Minuten waren sie in der richtigen Position für eine Gesamtansicht, auf der man deutlich erkennen konnte, wie weit das Ufer schon betoniert worden war. Sepp gelangen viele aussagekräftige Aufnahmen, vor allem, als sie näher herankamen und er Detailfotos ohne Teleobjektiv machen konnte.
"Michl, ein Viertel der jetzt verewigten Bausünden würden reichen, die Hunde zu wecken! Wenn´st mit dieser Kart´n zur Behörde gehst, werden die Beamten auf einmal sehr schnell werden! Es is höchste Zeit, dass man dem Lumpen des zuadraht. Übrigens hab i gestern noch a sehr positives Gespräch mit mein Vatern ghabt. Der unterstützt euer Vorhaben, weil er sich ganz klar von der Freunderlwirtschaft, die da herscht, distanzieren möcht! Der Fischereiverband kann also mit seiner Hilfe rechnen!"
"Des sind amoi guate Nachricht´n, Sepp! Bist du recht trabig?"
"Na, wieso?"
"Dann könnt ma no schnell die Netze anschaun und den Fang heimbringen. I kann di aber a vorher an´s Ufer bringen, wennst willst."
"Na, mach nur Michi, um die Zeit hab i´s am Sonntag nia trabig. Was tät i a um die Zeit, außer mei Freundin zu beglücken?"
"Die lass ruhig no a Bissl warten Sepp. Mia san eh gleih fertig."
Während Sepp mit Michl unterwegs war, klingelte Karls Wecker. Er hatte ihn für heute so früh aktiviert, weil er mit Renate ins UKH und danach auf die Wache fahren würde. Ihren Besuch beim Bestatter würde er vermutlich den Kindern überlassen können. Er war angenehm überrascht gewesen, gestern, über die Art, wie sie ihn begrüßt und willkommen geheißen hatten. Die Entwicklung mit Renate hatte zur Folge, dass er sich ein Wenig vor ihrer Reaktion fürchtete. Er wollte die erste Zeit auf jeden Fall etwas im Hintergrund bleiben und erst mal wirklich als Freund der Familie agieren. Ein Lächeln umspielte seine Lippen. Er hatte nicht damit gerechnet, mit Renate jemals wieder mehr, als bei irgendeinem Gemeindefest zwangsläufig übers Wetter zu reden. Dann aber, hatte sie ihn gestern sehr berührt. Blieb zu hoffen, dass es diesmal gutgehen würde.
Und dann war da noch etwas. Es war ihm wichtig, Josef Brantner aus der Gefahrenzone zu bringen. Er wollte ihn heute um halb elf in Mondsee in der Krone treffen und ihn eindringlich warnen. Dabei musste er vorsichtig sein, sich nicht mit seinem Insiderwissen selbst abzuschießen! Auf jeden Fall, musste er die Gefahr von Sepp abwenden. Und er musste das persönlich tun, weil Sepp die Warnung sonst niemals ernst nehmen würde. Dieses Risiko musste er eingehen. Schließlich hatte er sich das selbst eingebrockt...
Er stand auf und ging duschen. Danach würde er Renate anrufen, und ihr sagen, dass er sich auf den Weg machte, sie abzuholen.