Christinas messerscharfer Verstand begann wieder zu arbeiten. Sie hatte sich, weiß Gott, in erbarmungswürdiger Weise fehlverhalten. Sie, die Königin des Perfektionismus, hatte sich auf eine Weise unprofessionell gezeigt, die unverzeihlich ist! Dass sie diesen Fall abschließen konnte, ohne aufgedeckt zu werden, war schon mehr als Glück! Sie hatte sich sentimental verhalten! Das ist das absolute NO GO in ihrem Fach!
Der Mensch in ihr, (von dessen Existenz sie bisher noch nicht einmal etwas geahnt hatte), hatte total überreagiert! Sie hatte sich verliebt! Sie! Die eiskalte professionelle Killerin! Sie hatte sich in die Zielperson verliebt, was ja passieren kann... Aber ihr daraufhin gezeigtes Verhalten war mehr als unprofessionell gewesen!
Sie lag nun in einem Rettungswagen, unterwegs in die Nervenklinik (Christian Doppler-Klinik) in Salzburg, wo sie in die geschlossene Abteilung kommen sollte, bis ihr Suizidalverhalten entkräftet werden konnte.
Mantodea sammelte ihren analytischen Verstand zusammen. Sie würde einen Weg finden, die Klinik unspektakulär mit samt Einweisungspapieren zu verlassen!
Peter Muhr hatte gestern noch vom "Unfall" Josef Brantners gehört. Sein vierundzwanzigjähriger Sohn, hatte als Mitglied der freiwilligen Feuerwehr immer sehr früh Informationen über Not- und Unfälle, weil er von seinen verschiedenen Freunden von Bergrettung, rotem Kreuz und Wasserrettung üblicherweise immer auf dem Laufenden gehalten wurde.
Hätte er geahnt, was diese Information bei seinem Vater auslösen würde, hätte er sie ihm wahrscheinlich vorenthalten. Denn dass dieser am nächsten Morgen auf die Drachenwand steigen würde, um sein Leben zu beenden war für ihn nun ein großer Schock!
Peter war nach dem Telefonat auch in der Nacht nicht heimgekommen, was seiner Frau schlichtweg egal gewesen war. Sie wollte sich sowieso von dem Versager scheiden lassen, der ihren Lebensstandard und den ihrer Kinder nicht mehr aufrecht erhalten konnte. Was war der immer kleinlich gewesen, weil seine Kinder keinen Abschluss gemacht hatten. Die Firma hatte doch früher auch genug Geld abgeworfen, er hätte sich eben mehr anstrengen müssen! Diese Lusche! Kurz nach acht Uhr morgens rief Harald sie aus dem Lager an.
"Mama, I glaub, der Papa hat sich was angetan!"
"Blödsinn, dazu is der vüh z'feig Der liegt irgendwo mit an Batzen Rausch umanand, der Nichtsnutz!"
"Red net oiwei so g'schissen übern Papa. Er hat an Abschiedsbrief gschriebn Mama!"
"Ah so... Dann schmeiß den sofort weg, Harald! Was denkt sich der eigentlich? Verbrenn sofort den Brief. Wenn des wer mitkriagt, dann pfeift uns die Versicherung was, Harald! Und so brennt die wie a Luster! Dann san ma fein heraußn, Bua!"
"Aber Mama, er schreibt da was von an Mordkomplott, des er und Da Mayerhofer und anscheinend a der Karl gegen den Brantner angezettelt ham!"
"Harald, jetzt tua gefälligst was I dir gesagt hab und vergiß den Blödsinn ganz schnell! Der Brantner hat an Unfall ghabt und aus. Des is erwiesen! Und der Papa a, wenn er des überhaupt z'wegen bracht hat... Wahrscheinlich hat er's eh net fertigbracht, der Suam! "
" Oiso Mama, woaßt...!"
"Nix Mama! Mach du gefälligst was I dir gesagt hab, Harald! Der braucht sich net so billig aus'm Leben schleichen und mir stehen mit die Schulden da! Verbrenn den Briaf und fertig! "
Christina hatte die Nacht abgewartet und schließlich geläutet. Sie berichtete der Nachtschwester, sie könne einfach nicht einschlafen, sie brauche ein leichtes Schlafmittel. Die Schwester wollte sich gerade umdrehen und ein Medikament holen. Ein kurzer fester Druck mit der Daumenkuppe auf die richtige Stelle im Nacken und Mantodea hatte freie Bahn. Die Schwester selbst nahm nicht einmal war, wie sie ohnmächtig zusammenbrach. Christina schleppte sie ins Schwesternzimmer. Sie suchte sich ihre Einweisungspapiere heraus und löschte den Namen Sonja Tremer aus der offenen Computer Liste. Als die kurze, künstlich hervorgerufene Bewusstlosigkeit zu enden drohte, drückte sie noch einmal sachte zu. Dann zupfte sie noch die Fieberkurve aus ihrem Bett und verließ unbeobachtet die Klinik. Die Nachtschwester würde in ein paar Minuten auf ihrem Sessel wieder zu sich kommen, aber in ihrer Benommenheit lange nicht realisieren, was hier eigentlich gelaufen war. Der Profi in Mantodea war zurück...