Aus den Briefen von Dr. Abigail Lawrence
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Meine liebe Schwester, ich weiß nun, weshalb unser Vater sich das Leben nahm.
Bereits als er noch lebte wussten wir nie genau, was es war, an dem er die ganze Zeit über so vehement gearbeitet hatte. Auch jetzt, nach seinem Ableben, werden uns die meisten seiner Forschungen wohl für immer verloren bleiben - Zumal ich vor einigen Wochen die letzten Tonbandaufnahmen verbrannt habe, die von seiner Arbeit noch übrig geblieben waren. Ich hoffe inständig, dass niemand jemals wieder in diese oder eine ähnliche Richtung Nachforschungen anstellen wird, und ich wage es auch nur deshalb dir davon zu erzählen, weil meine Geschichte im Nachhinein so viel unwirklicher erscheinen wird.
Alles nahm seinen Anfang in der Nacht jenes Tages, als mein Mann und ich die Kartons mit Vaters einzig verbliebenen Unterlagen in unser Apartment bringen ließen, um - so hatte ich es dir und mir ja geschworen - den wahren Grund für seinen frühzeitigen Tod in Erfahrung zu bringen. Wie wir stets wage vermutet hatten, forschte er tatsächlich an einer Heilung für Mutters Krankheit. Die letale familiäre Insomnie - weltweit sind nur eine handvoll Fälle bekannt - führt zu zunehmender Unfähigkeit zu Schlafen, und schließlich in hundert Prozent aller Fälle zum Tod.
Ich begann also damit, Vaters gesamte verbliebene Aufzeichnungen zu studieren und musste gleichermaßen ungläubig wie auch entsetzt feststellen, dass seine Versuche letztendlich vom Erfolg gekrönt waren. Ich fand die Ergebnisse in der abschließenden Akte, ganz unten im letzten Karton - Nachdem er alles mögliche versucht hatte, schien ihm gegen Ende seiner Forschungen der Durchbruch mit nichts weiter als simpler Hypnose gelungen zu sein. Er schaffte es, einen Patienten in spätem Stadium - Mutter war zu diesem Zeitpunkt ja leider schon an den Folgen ihrer Krankheit verstorben - durch wiederholte hypnotische Sitzungen soweit zu heilen, dass ein natürlicher, nächtlicher Schlaf auftrat. Am Ende wurde seine Handschrift jedoch immer unleserlicher. Er schien sich über irgendetwas aufzuregen, oder sich vor etwas zu fürchten. Dann fehlen mehrere Seiten, und der Bericht endet abrupt mit einigen hektisch gekritzelten Worten zum Abschied.
Natürlich war ich zunächst wütend - wie konnte Vater uns das Heilmittel das er gefunden hatte nur vorenthalten? Noch bevor er starb äußerten sich bei mir bereits die ersten Symptome, und wir wussten von Anfang an, dass auch du die Krankheit haben musst. Zu jenem Zeitpunkt, als ich die Kartons mit den Dokumenten erhielt, schlief ich bereits immer seltener, meist nur noch ein paar Stunden pro Woche. Er wusste, dass mir wohl nur noch Monate bleiben würden und dir vielleicht noch wenige Jahre. Dennoch nahm er sich das Leben, ohne uns je von seinem Durchbruch zu erzählen. Aber... bevor du nun angesichts dieser Erkenntnis erzürnst, gleich wie ich damals, solltest du auch den Rest meines Schreibens lesen. Eines vorweg: Ich weiß nun, dass Vater einen triftigen Grund hatte, uns diese Informationen vorzuenthalten. Und bei Gott, ich wünschte er hätte sämtliche Unterlagen noch vor seinem Ableben vernichtet, so dass ich nie von deren Existenz erfahren hätte.
Neben all den Akten befanden sich in den Kartons auch ein Tonbandgerät, sowie einige dazugehörige Kassetten auf denen die letzten Therapiesitzungen samt hypnotischer Behandlung aufgezeichnet worden waren. Ich beschloss damals, sie mir alle anzuhören, und dabei auf jedes Detail zu achten, das mir weitere Einsichten in Vaters Heiltechnik oder den plötzlichen Grund seines Selbstmordes einbringen konnte.
Ich legte also die erste Kassette ein, setzte die Kopfhörer auf und ließ den Rekorder abspielen. Es begann mit einer Erklärung zu Vaters Theorie - das Erdmagnetfeld oder andere "Elektromagnetische Schwingungen" würden bei manchen "hyperempfindlichen" Menschen den Übergang zum Schlafeszustand stören. Ob das nun letztendlich stimmt oder nicht sei dahingestellt, aber zumindest tat es gut, seine Stimme zu hören. Die Hypnose begann, und ich lauschte Aufmerksam seiner eindringlichen Stimme. Zu keinem Zeitpunkt hatte ich das Gefühl in eine Trance zu fallen, oder in sonstiger Weise für die abgespielten Suggestionen empfänglich zu werden. Aufmerksam lauschte ich jedem einzelnen Wort, versuchte zu erkennen, welche Strategie mein Vater verfolgte.
Die Hypnose verlief bis auf wenige mir befremdlich erscheinende Passagen, an die ich mich lieber nicht bewusst erinnern möchte, recht eintönig. Er sagte immerzu etwas wie: »Du bist jetzt unempfänglich für alle Signale und Störungen, die während des Schlafes an dein Gehirn dringen mögen. Du wirst, wenn du schläfst nicht von äußeren Kräften beeinflussbar sein«
Ich hatte gerade mal die ersten drei Kassetten durch, als es bereits spät wurde, und mein Mann mich bat, endlich ins Bett zu kommen. Er hatte von Anfang an bedenken, was meine Nachforschungen betraf, jedoch wollte er mich auch nicht davon abbringen. In einer Situation wie der unseren, scheint jede noch so geringe Aussicht auf Linderung willkommen zu sein. Ich war der sich immerzu monoton wiederholenden Stimme meines Vaters ohnehin langsam überdrüssig, und nachdem mein geliebter Ehemann schon so oft alleine die Nacht hatte verbringen müssen, entschied ich mich heute ins Bett zu gehen, wenngleich nicht in der Erwartung, schlafen zu dürfen.
Ich lag jedoch falsch, und schaffte es seit Monaten endlich wieder einmal durchzuschlafen. Ich schlief wie ein Stein, schlief bis zum späten Nachmittag des nächsten Tages. Charles und ich waren nach diesem Ereignis überglücklich - sollte es doch noch Aussicht auf Rettung geben? Musste ich nun etwa doch nicht sterben? Wir beide hatten uns schon so sehr damit Abgefunden, dass nun eine einzige durchschlafene Nacht unserem ganzen Leben wieder Sinn zu verleihen schien. Ich vergaß dabei sogar die schrecklichen Albträume, welche mich in dieser Nacht gequält hatten, so froh war ich, überhaupt wieder träumen zu können. Seltsame Träume waren das - so real und so überaus erschreckend. So glaubte ich in der Nacht mehrmals hellwach in meinem Bett zu liegen, und von Ärzten mit grässlichen Fratzen operiert zu werden. Andererseits hatte ich nach unzähligen rastlosen Nächten wohl einfach nur vergessen, wie real sich Träume anzufühlen hatten. Jedenfalls ließ ich ihnen zunächst keinerlei größere Bedeutung zukommen, und setzte die Behandlung mit Vaters Hypnosebändern fort.
Mehrere Nächte vergingen, in denen ich ohne Probleme hatte einschlafen können. Doch in jeder Nacht wurden die Albträume schlimmer. Zwar blieben am Morgen nie genaue Bilder in meiner Erinnerung hängen, jedoch erwachte ich stets schweißgebadet und in heilloser Angst, als wäre mir des Nachts etwas begegnet, das keinem menschlichen Verstand je hätte begegnen dürfen. Und Dennoch... kein noch so grässlicher Traum dieser Welt hätte mich davon abhalten können, das warme Gefühl des Einschlafens erleben zu wollen, und tagsüber einen ausgeruhten Verstand zu haben war für mich zu einem unbezahlbaren Luxusgut geworden. Ich setzte also entgegen aller Bedenken die Behandlung weiterhin fort. Jeden Abend hörte ich Vaters alte Kassetten und ging dann gemeinsam mit Charles zu Bett, nie jedoch alleine. Ich hatte, vermutlich wegen der grauenhaften Träume, eine panische Angst davor entwickelt, alleine im Bett zu liegen.
Eines Nachts jedoch geschah etwas, das mein Leben für immer erschüttern und meinen Verstand bis an den Rand des Abgrunds treiben sollte. Ich erwachte mitten in der Nacht in meinem Bett und wusste sofort, dass etwas ganz und gar nicht in Ordnung war. Charles lag noch immer neben mir, doch etwas an der Art und Weise wie er atmete jagte mir kalte Schauer durch die Glieder und trieb eine unbehagliche Spannung in meinen Magen. Zwar atmete er ganz normal ein - sein Brustkorb hob sich unter der Decke - doch dann sprang dein Körper wie in einer Zeitschleife gefangen auf den Ausgangszustand zurück und atmete immer noch ein. Das machte mir solche Angst, dass ich ihn packte und versuchte ihn wachzurütteln, doch er wollte einfach nicht aufwachen - als läge er in einem Koma.
Es regnete, und die Art wie die Tropfen fielen gefiel mir nicht. Es schlugen immer wieder dieselben Tropfen auf dieselben Stellen am Fenster. Ich warf einen Blick auf die rot leuchtende Digitalanzeige meines Weckers und erstarrte vor Angst. Sie flackerte immerzu zwischen 03:11 und 03:12 hin und her. Immer und immer wieder. Ich sprang auf und rannte zum Fenster, auf das der Regen in diesem widernatürlichen Muster einprasselte. Etwas stimmte nicht mit dem Fluss der Zeit. Besonders deutlich sah man es an den Wolken, wie sie trotz starkem Wind am Himmel festgefahren waren und krampfartig hin und her rüttelten. In einem der Apartments auf der anderen Straßenseite ging plötzlich das Licht an, und ich sah drinnen große, geduckte Gestalten im Fenster vorbeihuschen. Mein Herz setzte einen Schlag aus und ich zog sofort die Vorhänge zusammen. Erneut versuchte ich verzweifelt meinen Mann zu wecken, doch er war gefangen in diesem grausigen Atemzyklus, bei dem stets das Ausatmen übersprungen wurde.
Plötzlich war da ein Geräusch... Die Tür zu unserem Apartment wurde geöffnet. Nicht laut als würde man sie aufbrechen, nicht heimlich, als würde sich jemand hineinschleichen... Jemand entriegelte das Schloss, mit einer Selbstverständlichkeit als geschehe dies jede Nacht. Dann hörte ich Schritte, die in Richtung Schlafzimmer zu kommen schienen. Natürlich wollte ich Charles nicht zurücklassen, doch schaffte ich es nicht ihn zu wecken, und ich war nicht stark genug, um ihn aus dem Bett zu heben. In meiner panischen Angst verkroch ich mich im Schrank, schloss die Tür hinter mir und spähte durch einen Spalt nach draußen.
Die Klinke der Schlafzimmertür wurde nach unten gedrückt, das Licht wurde angeschaltet und ich musste mir die Hand vor den Mund halten um nicht laut aufzuschreien. Ich weiß nicht was das für Wesen waren, doch es waren mit Sicherheit keine Menschen. Sie waren groß. So groß, dass sie geduckt den Raum betreten und eine ganz nach vorne gebeugte Haltung annehmen mussten. Es waren drei von ihnen, kreidebleich und mager, auf ihren Rücken zeichneten sich auf schreckliche Weise die Wirbel ab. Mit schlurfenden Gang gingen sie auf das Bett zu in dem mein Mann lag. Mein Gott, wenn du nur ihre scheußlichen Gesichter hättest sehen können! Ohne die Fratzen zu verziehen sammelten sie sich um das Bett in dem mein Mann lag und begannen ihn langsam aufzuschneiden. Das größte der Wesen ließ sich von den anderen stets neue Werkzeuge reichen. Durch den Spalt im Schrank konnte ich nicht genau erkennen was sie taten, doch es sah furchtbar aus.
Eines ihrer Werkzeuge wirkte auf mich wie eine umgekehrt funktionierende Klaue aus dunklem Metall. Sie verwendeten es um die klaffende Wunde in seiner Brust aufzustemmen und weiterhin offen zu halten, während sie mit langen dünnen Nadeln in ihm herumstocherten. Ich presste so fest ich nur konnte die Hand auf meine Lippen um keinen Laut von mir zu geben. Tränen flossen in Strömen über meine Finger. Ich war der festen Überzeugung, dass sie ihn vor meinen Augen töteten. Sie machten weiter und weiter, zogen seltsame rote Fäden aus seinem Körper und spulten sie auf wie ein Stück Garn. Dann holten unbeschreibliche Dinge aus ihm. Eingeweide die wie winzige Organe aussahen, viel zu klein für einen menschlichen Körper und mit Sicherheit nicht auf natürlichem Wege in ihm gewachsen. Zu all dem Schock, der Angst und der Trauer, mischte sich ein beinahe ununterdrückbares Ekelgefühl. Ich hoffte den Brechreiz nur lange genug unterdrücken zu können, um diese Monster nicht auf mich aufmerksam zu machen. Als sie ihre Beutel schließlich mit dem gefüllt hatten was sie meinem Charles entnommen hatten, pflanzten sie schwammige Dinge in ihn hinein, die wie kleine Tumore aussahen, eingehüllt in eine Art schleimtriefendes Fettgewebe. Irgendwann nach einer unbestimmbaren Zeitspanne, die sich für mich wie die Unendlichkeit anfühlte, schienen sie ihr grausames Werk am zerschundenen Körper meines Mannes vollbracht zu haben.
Ich weiß nicht wie sie es fertiggebracht hatten, doch während der ganzen Prozedur war kein einziger Blutstropfen auf die weißen Bettlaken gelangt. Selbst ihre grotesken Operationswerkzeuge schienen vollkommen unbefleckt verblieben zu sein. Bevor ich verstehen konnte, wie sie es taten, schlossen sie mit einer einzigen Bewegung die so grob aufgerissene Wunde, die gerade noch Charles' gesamten Oberleib in zwei klaffende Hälften gespalten hatte. Bevor sie unser Schlafzimmer verließen, verdrehte der größte von ihnen auf widerliche Weise seinen Hals, und ließ seinen misstrauischen Blick durchs ganze Zimmer schweifen. Er wusste gewiss, dass hier noch eine weitere Person hätte liegen müssen. Für einen kurzen Moment, der mir eine Ewigkeit zu sein schien, glotzte er direkt auf die Tür des Wandschrankes, hinter der ich in Todesangst meinen Atem anhielt. Dann wandte er sich ab und sie verließen den Raum auf dieselbe Weise, in der sie ihn zuvor betreten hatten: durch die Tür. Sie löschten das Licht bevor sie in den Gang schlurften und die Tür hinter sich schlossen - ohne auch nur auf den Schalter zu sehen, so als hätten sie es schon tausendmal gemacht. So als wohnten sie hier.
Nach nur wenigen Sekunden wurde das Licht im Gang gelöscht, und die Apartmenttüre fiel ins Schloss. Sofort hastete ich aus dem Schrank, stolperte ins Bett zu meinem Mann und ließ ebenso erleichtert wie ungläubig meine Hand über seinen narbenlos verschlossenen Brustkorb gleiten. Was hatten diese Wesen nur mit ihm gemacht? Ich legte mich zu ihm, klammerte mich an ihn und schluchzte erbärmlich. Noch eine ganze Weile - wenn ich schätzen müsste etwa für zwei Stunden - gab es keine Zeit. Nur endlose Wiederholungen desselben Sekundenbruchteils, in dem die ganze Welt gefangen war - außer mir und diesen Wesen. In den Nachbarhäusern ging von Zeit zu Zeit das Licht an, und ich sah hochgewachsene Gestalten an den Fenstern vorbeischlurfen. Irgendwann schaffte die Digitaluhr endlich den Sprung auf 3:12 und der Fluss der Zeit kehrte zurück. Die an die Scheibe prasselnden Regentropfen hörten auf einem Muster zu folgen, die Wolken zogen weiter und ich hätte beinahe einen Jubelschrei ausgestoßen als unten auf der Straße die Scheinwerfer eines Fahrzeuges vorbeizogen.
Als ich Charles aufweckte wusste er nicht das Geringste von allem was geschehen war. Er hatte - so meinte er - nicht mal schlecht geträumt. Alles woran er sich erinnern konnte, war dass ich ihn unter Tränen aufgeweckt und dabei einen so zerrütteten Eindruck gemacht hatte, als wäre ich dem leibhaftigen Teufel begegnet. Was glaubst du, was ich sofort bei Tagesanbruch getan habe? Ich habe Vaters unglückselige Tonbänder und alle dazugehörigen Aufzeichnungen in den Hof getragen, sie mit Petroleum übergossen und sie verbrannt, bis nur noch Asche von ihnen übrig war. Ohne diese Bänder, das ist mir durchaus bewusst, werden du und ich früher oder später an unserer Krankheit sterben. Ich sehe dieser Tatsache ins Auge wenn auch nur deshalb, da ich die schreckliche Alternative kenne.
Noch heute wache ich manchmal mitten in der Nacht auf, und denke: »Oh Gott, es passiert schon wieder...« Als erstes merke ich es immer am Himmel - wenn die Wolken nicht mehr richtig vorbeiziehen. Man schmeckt es auch in der Luft, wenn man beim Atmen stets denselben verbrauchten Sauerstoff inhaliert, weil kein Lufthauch sich im Raum zu bewegen vermag. Dann sehe ich hoch zum Wecker und merke dass die Zeit nicht vergehen will. Manchmal schalte ich das Radio ein, aber niemand sendet je. Manchmal - glaub mir, das ist das schlimmste - da wache ich nur zur Hälfte auf und kann mich nicht richtig bewegen. Dann kriege ich mit wie sie kommen, wie sie mich operieren und alle möglichen Dinge aus mir nehmen nur um andere Dunge in meinem Körper zu legen. Bei Charles ist es meist die Brust, die sie aufschneiden - aber bei mir nehmen sie immer nur den Kopf. Man spürt keinen Schmerz, wenn sie einen operieren, aber man spürt den Druck. Man spürt wie das kalte Metall an den Knochen schabt, wie die Schädelplatte unter der Stirn schließlich nachgibt und die Nadeln tief in das Gehirn sinken...
Ich weiß noch immer nicht, wer die sind, oder was sie von uns wollen, aber ich weiß eines: Es passiert jede Nacht. Das ist die widerlichste Erkenntnis von allen. Sie kommen jede verdammte Nacht. Überall auf der Welt. Anfangs glaubte ich noch, dass Vaters Tonbänder sie irgendwie angelockt hätten. Doch... ich bin mir inzwischen absolut sicher, dass diese Aufnahmen nichts anderes taten als in mir einen uralten Mechanismus außer Kraft zu setzen, der uns Menschen schon seit Urzeiten im Schlaf erfasst. Weißt du noch, wie wir uns als Kinder oft Gedanken darüber gemacht haben, wie der Weihnachtsmann es fertigbrächte in nur einer Nacht jedes Kind auf der Welt zu besuchen? Nun denke ich die Antwort auf diese Frage zu kennen. Nur ist es nicht der Weihnachtsmann, der Nacht für Nacht in unsere Schlafzimmer geschlichen kommt.
Ich denke oft zurück, erinnere ich mich an die so sonderbar klingenden Suggestionen der Tonbandaufnahmen: »Du bist jetzt unempfänglich für alle Signale und Störungen, die während des Schlafes an dein Gehirn dringen mögen. Du wirst, wenn du schläfst nicht von äußeren Kräften beeinflussbar sein«
Das war Vaters genauer Wortlaut. Er und ich, sowie einige wenige seiner Patienten... Wir hatten das unsagbare Pech aus dieser allnächtlichen Zeitstarre, welche uns im Schlaf ereilt, herauszufallen. Wie ein ungewollter Fehler in einem Computerprogramm. Ein Glitch. Und wir erhaschten dabei einen tödlichen Blick hinter den Schleier, welchen wir so töricht die Wirklichkeit wähnen.
Jetzt sitze ich hier, gehe stumm meinem Tod entgegen und frage mich an jedem Tag, ob es denn einen Gott gibt - und falls ja ob er uns Menschen je geliebt hat. Ich verstehe nun weshalb unser Vater dieser Welt zu entfliehen trachtete. Und es gibt nur einen einzigen Grund weshalb ich es ihm nicht auf der Stelle gleich tue: Nach all dem, was ich gesehen habe, da habe ich eine gottlose Angst vor dem, was uns wohl nach dem Leben erwarten mag.