Draco drückte sich tief in den Schatten. Der Septemberregen durchnässte seinen billigen Umhang. Er verschmolz mit dem Schatten und der Dunkelheit. Er spürte seine Häscher näher kommen, ihren Atem in seinem Nacken. Seit vier Jahren ging es nun schon so. Der blonde Malfoy stand auf Platz zwei der Kopfgeldliste des Schwarzen Schlosses – direkt nach Peter Pettigrew, aber noch vor der Muggelfamilie Dursley. Er wischte sich einen Schweißtropfen von der Stirn. Die unnütze Geste gab ihm etwas Sicherheit, wie es Übersprungshandlungen nun einmal tun.
Eines Tages würden sie ihn kriegen - die Schattenjäger, so nannten sich Potters Anhänger jetzt. Die dunklen Zauberer und Hexen, die Geschöpfe der Nacht und die Verkünder der Dunkelheit – die meisten akzeptierten Potter jetzt als ihren Herrn. Sie trugen keine Masken, sondern zeigten ihre Gesichter und sein Dunkles Mal offen und ohne Scham. Das Zaubereiministerium akzeptierte sie widerwillig als eine Art zusätzlicher Auroren. Ronald Weasley führte sie offiziell an. Er hatte Draco damals die Chance gegeben zu fliehen. „Du hast 48 Stunden Vorsprung, Malfoy“, klang es noch immer in Dracos Ohren. Er hatte sie gut genutzt. Zwischenzeitlich lagen sie fast 2 Wochen hinter ihm.
Seine Ersparnisse gingen jedoch langsam zu Ende und außerdem hatte Potter ein astronomisches Kopfgeld auf ihn ausgesetzt. Der Preis seiner Freiheit lag bei fast 250.000 Galeonen. Draco fror erbärmlich, aber daran hatte er sich gewöhnt. Mittlerweile konnte er auch hungern. Er war immer noch schön. Ein paar Mal hatte ihn diese Tatsache gerettet, wenn er sich gegen ein Bisschen Sicherheit verkaufte.
Die Schattenjäger schauten sich ruhig um. Der Vampir, der diese Gruppe anführte, sog die Luft tief ein. Er spürte Dracos Gegenwart. Dieser Schattenjäger schien sehr mächtig zu sein – ein erfahrener Jäger der Nacht. Er erkannte ihn von dem Bild aus dem Tagespropheten: Joshua Shadowlord. Shadowlord gehörte zu den ersten Vampiren, die sich Potter unterworfen hatten.
Draco Herz raste und der Schweiß brach ihm aus. Die Angst wurde übermächtig. Heute holten sie ihn. Dieses Mal würde er es nicht schaffen. Potter bekam ihn endlich in seine Gewalt. Er hörte ein leises Rufen in seinem Rücken. Jetzt hatten sie ihn tatsächlich umzingelt. „Hier drüben ist Malfoy. Komm da raus, sonst hole ich dich“, knurrte ein etwas jüngerer Vampir. Auch ihn erkannte er sofort: Valentin Shadowlord.
Draco wehrte sich nicht. Es hatte keinen Sinn. Sie warfen ihn auf dem Boden. Er sah die Gier in ihren Augen, schloss mit seinem Leben ab und wunderte sich, weil nichts geschah. „Halt. Niemand von euch rührt ihn an. Seine Lordschaft verlangt ihn lebend und unversehrt, vor dem Thron der Tränen. Wer ihm auch nur ein Haar krümmt, muss den Preis zahlen.“ Die Stimme des Redners kam Draco vertraut vor, aber er konnte sie nicht zuordnen. Er schöpfte ein wenig Hoffnung. Vielleicht konnte er verhandeln. Etwas Geld war schließlich noch übrig. Er hatte sparsam gelebt, auch wenn das Leben im Untergrund die Finanzen belastete.
Ehrfürchtig wichen die Vampire zurück und machten Platz. Jeder wusste, was es bedeutete, wenn Lord Potter verlangte den Preis zu zahlen. Den Preis zahlen – war Potters Angebot an jeden Delinquenten oder Feind, der vor ihm stand. Er erwies gegebenenfalls die Gnade, die eigene Freiheit gegen Sklaverei oder Tod eines anderen zu tauschen. Allerdings wählte Potter das Leben aus, das er forderte. „Steh auf, Draco. Wir haben es eilig“, sagte die Stimme des Mannes, den er noch immer nicht erkennen konnte. Draco rappelte sich auf, klopfte sich überflüssiger Weise den Dreck ab. Schon wieder eine Übersprungshandlung, dachte Draco.
Der Sprecher trat vor ihn hin. In diesem Moment wusste Draco, das er verloren hatte. Severus Snape war kein Mann, mit dem er verhandeln konnte. „Warum lieferst du mich aus?“, fragte Draco ruhig. Dieser Mensch hatte ihn immer beschützt und behütet, jetzt verriet er ihn. „Wenn ich dich nicht zu ihm bringe, werden es andere tun. Aber heute ist ein guter Tag. Sie feiern im Schwarzen Schloss Lady Grangers Geburtstag. Er hat ihr einen Wunsch gewährt. Traditionell verwendet sie ihn für einen Sklaven oder Gefangenen. Es ist das Einzige, was ich für dich tun kann. Gehen wir“, erklärte ihm sein Pate. Draco verstand diesen letzten Versuch ihm zu helfen. Widerstandslos ließ er sich das Sklavenband anlegen. Er hätte ohnehin keine Gelegenheit gehabt, sich zu wehren. „Danke.“, sagte er erschöpft. Irgendwie war er froh, dass es vorbei war.
Sie brachten ihn in das schwarze Schloss, das früher die bekannte Zauberschule Hogwarts gewesen war. Hier hatte er seine glücklichste Zeit verbracht und zugleich, all die Fehler begangen für die er jetzt büßen würde. Jetzt residierte hier der junge Dunkle Lord. Nach dem Tod von Voldemort hatte er die Schule für sich beansprucht und bekommen.
In der früheren Großen Halle befand sich nun anstelle des Lehrertisches der Thron der Tränen. Eigentlich waren es vier Throne, die nebeneinander in einer Art Halbkreis angeordnet worden waren. Drei zierten Phönixsymbole in kräftigen Rot und warmen Goldtönen. Völlig identische feingearbeitete Ranken und Polster erzählten zwar von der Bedeutung der Ladys und des Lords, die darauf saßen, aber sie schüchterten nicht völlig ein. Der eigentliche Thron der Tränen jedoch strahlte im eisigen Schwarz und in die Armlehnen und den Stuhlbeinen hatte man dunkelrote Rubine eingearbeitet, die wie frisches Blut leuchteten. Der Thron der Tränen offenbarte die Dunkelheit seines Herrschers.
Das Fest zu Ehren von Lady Granger stand kurz vor seinem Höhepunkt. Harry hatte Hermine gerade mit vollendeter Hochachtung um den ersten Tanz gebeten. Sie strahlten in jugendlicher Schönheit. Anmutig erhoben sich beide. Ginerva und Ron folgten ihnen angemessen. Rons schwarzer Samtumhang erinnerte mitnichten, an diese furchtbare abgetragene Robe zum Ball des Trimagischen Turnier. Sein Anzug betörte durch schlichte Eleganz, ebenso wie Harrys. Beide Lords hatten sich gleichermaßen für einen schmalen Goldreif entschieden, der ihnen als Symbol ihres Status genügte.
Hermines Kleid bestand aus einer perfekt sitzenden roten Korsage, die mit echten Goldfäden durchwirkt war und einem nahezu barocken Rock, der in schwarz gehalten war. Ihre Haare glänzten seidig im Kerzenlicht der Halle. Auf der Stirn trug sie ein Rubindiadem mit Rotgold. Ginnys unschuldige Ausstrahlung wurde durch ihr zartes Ballkleid unterstützt. Cremefarbene Seide, einfach geschnitten, fiel sanft über ihre Kurven. Ihr Diadem schien aus tausenden Tautropfen zu bestehen. Die Paare wechselten elegant. Nun führte Lord Potter die bezaubernde Lady Weasley. Sie tanzten scheinbar glücklich in vollendeter Harmonie.
Snape zischte Draco leise zu: „Wenn du auch nur die leiseste Chance haben willst, auf die Knie.“ Draco sank auf die Knie, berührte mit der Stirn den Boden. Die Musik brach ab und alle Anwesenden starrten auf die Störenfriede. „Musik, bitte.“, sagte Potter ungerührt. Dem Befehl leistete die Kapelle sofort Folge. Sie tanzten die Quadrille zu Ende. Die Herren führten die Damen zu ihren Plätzen zurück. Dann erst wandte sich Harry, dem in einer tiefen Verbeugung verharrenden Severus Snape zu. „Guten Abend, Severus. Du kommst spät zu Hermines Fest. Du möchtest mir sicher den Grund erklären“, forderte er einen seiner engsten Diener zum Reden auf. Seine Stimme war so kalt, wie sein Blick. „Mine hatte Dich schon vermisst.“ Hermine sah angestrengt nach vorne und versuchte wieder einmal vergeblich, Harrys Zynismus zu ignorieren.
„Mylord. Ich habe mir erlaubt, zur Feier des Tages, etwas Besonderes mitzubringen. Mehr oder weniger einen weiteren Gast. Wir haben Draco Malfoy ausfindig gemacht. Er war so freundlich uns zu begleiten.“ Rons Augen blitzten auf, aber er schwieg. Was wäre der Preis des Draco Malfoy? Hermine trank einen kräftigen Schluck ihres Rotweins und schwieg ebenfalls.